Im Urlaubsland finden sich etliche Bakterien, die Einheimischen nichts ausmachen, Tourist:innen jedoch Schwierigkeiten bereiten können. Diese Keime müssen nicht per se krankmachende Eigenschaften besitzen, können jedoch für viele Reisende ungewohnt sein und Verdauungsstörungen hervorrufen. Insbesondere bei Menschen mit einem sensiblen Darm kann es bereits beim geringsten Kontakt zu Beschwerden kommen. So leiden rund 50 % der Reisenden in Gebieten wie Nordafrika, Lateinamerika, Mittlerer Osten oder Südostasien unter einer Diarrhoe und selbst in beliebten Urlaubsorten wie Ägypten liegt die Erkrankungsrate bei rund 80 %. Dazu kommen neben Diarrhoe auch häufig schmerzhafter Stuhlgang, Übelkeit und/oder Erbrechen – in einigen Fällen kann zudem auch Fieber auftreten.
Hohe Inzidenzrate
Als Erklärungen für Reisedurchfall können ein stressbedingter Reizdarm, die unterschiedlichen klimatischen Gegebenheiten sowie die veränderte Ernährung und hygienischen Bedingungen vor Ort genannt werden. In Entwicklungsländern hat auch die heimische Bevölkerung mit massiven Durchfallerkrankungen zu kämpfen. So ist in Südostasien und Afrika die Säuglingssterblichkeit nach wie vor sehr hoch, was in vielen Fällen auf Diarrhoe-verursachende Bakterien und Viren zurückzuführen ist. Der Darm der Bevölkerung in westlichen Industrieländern ist aufgrund der höheren hygienischen Standards nur bedingt auf solche unbekannten Keime vorbereitet.
Hohe Erregerbelastung
- Roher Fisch und rohe Meeresfrüchte (Sushi, Austern usw.
- Rohes Fleisch (Tatar, Carpaccio usw.
- Salate (auch Obstsalat) und rohes Gemüse
- Eis (sowohl Speiseeis als auch Eiswürfel)
- Tiefkühlprodukte, da die Kühlkette evtl. unterbrochen wurd
- Kalte Buffets oder länger warmgehaltene Speise
- Leitungswasser (auch nicht zum Zähneputzen verwenden!
- Nicht pasteurisierte Milch
Schützende Bakteriozine
Einheimische, die mit anderen Sauberkeitsstandards leben, nehmen regelmäßig kleine Dosen schädlicher Erreger auf. Diese Erreger stimulieren – ähnlich wie eine Impfung – verschiedene Darmbakterien zur Bildung von entsprechenden Bakteriozinen, d. h. spezifischen Proteinen, die Stämme der gleichen Art oder verwandte Arten hemmen bzw. abtöten können. Reisende und Kurzzeittourist:innen sind den neuen Keimen hingegen schutzlos ausgeliefert. Besonders gefährdet für Infektionen mit Fieber und Durchfall sind Personen, deren Darm durch falsche Ernährung, chronische Erkrankungen, Medikamente oder Stress bereits belastet ist. Vor allem in den ersten 14 Tagen der Konfrontation mit landestypischen Bakterien und Viren besteht eine erhöhte Anfälligkeit für Darmbeschwerden. Nach dieser Zeitspanne hat sich der Körper weitgehend an das lokale bakterielle Milieu gewöhnt. Manchen Menschen gelingt eine derartige Anpassung allerdings nie.
Harmlose und gefährliche Erreger
Die Schwere einer Reisediarrhoe wird maßgeblich vom auslösenden Keim bestimmt. Nicht alle Erreger sind in gleichem Ausmaß problematisch. Als Hauptauslöser für verhältnismäßig harmlose Durchfälle im Urlaub gelten enterotoxische E. coli (ETEC).
Diese Bakterienstämme produzieren Toxine, die zu den typischen Verdauungssymptomen wie wässrigem Durchfall, Übelkeit und Erbrechen führen. Auf das Konto von ETEC gehen rund 70 % der Reisedurchfälle. Sie verursachen Bauchkrämpfe, wodurch Wasser in das Darminnere gepresst wird. Die Ausscheidung der Keime erfolgt über den flüssigen Stuhl. Diese Art von Durchfall ist selbstlimitierend und meist ungefährlich, mindert aber durchaus das Urlaubsvergnügen, da die Beschwerden die Urlauber:innen drei bis fünf Tage ans Hotelzimmer ketten.
Problematischer wirken sich Infektionen mit Campylobacter, Shigellen, Listerien oder Salmonellen aus, die schwere Entzündungen in Magen und Darm hervorrufen können. Zwar lösen diese Pathogene nur 20 % der Reisediarrhoen aus, doch die Beschwerden können weitaus heftiger sein. Die Keime greifen in erster Linie die Darmschleimhaut an und können über die Blutbahn auch in andere Organe gelangen. Dadurch können sie den Auslandsaufenthalt überdauern und u. a. zu einem postinfektiösen Reizdarmsyndrom führen. Weitere häufige Erreger von Reisediarrhoen sind Rotaviren und Noroviren, die v. a. für ihre explosionsartigen Ausbrüche auf Kreuzfahrtschiffen bekannt sind.
Postinfektiöses Reizdarmsyndrom
Überleben die Keime als „Urlaubsmitbringsel“ die gesetzten Maßnahmen vor Ort, können sie das Verdauungsorgan sukzessive schädigen und ein chronisches Reizdarmsyndrom auslösen. Dabei liegt das Problem in der Diagnose: Bei einer gewöhnlichen Darmspiegelung wird in der Regel keine Veränderung im Darm erkannt, da der Darm zwar oberflächlich beurteilt wird, jedoch nicht das Geschehen innerhalb der Darmzellen betrachtet werden kann. Die Schädigungen könnten jedoch mittels einer Gewebeentnahme (Biopsie) entlarvt werden. Empfehlenswert sind in diesem Fall Speziallabors mit zusätzlichen diagnostischen Möglichkeiten.
Was tun bei chronischem Durchfall?
Der Schutz des Darms besteht im Aufbau einer stabilen Darmbarriere und in der Etablierung eines gesunden Darmmilieus. Dafür sorgen Milchsäurebildner, indem sie den pH-Wert senken und eine Umgebung schaffen, in denen sich krankmachende Keime kaum vermehren können. Die Erreger werden somit über den Stuhl ausgeschieden, ohne Schaden anzurichten.
Verhaltenskodex auf Reisen
Regelmäßiges Händewaschen und eine sorgfältige Handdesinfektion schränken das Risiko einer Infektion ein. Reisende sollten darauf achten, nur Wasser aus verschlossenen Flaschen zu trinken. Vorsicht ist auch bei Eiswürfeln (in Getränken können sie bereits zergangen sein!) und rohem Fleisch geboten; Fleisch sollte komplett durchgebraten sein. Vorsicht ist auch bei Melonen angebracht, deren Gewicht häufig mit keimbelastetem Wasser erhöht wird.
Multispezies-Synbiotikum als Prophylaxe
Die einfachste Methode, um den Urlaub in vollen Zügen zu genießen, ist die vorzeitige Einnahme eines Synbiotikums (= Probiotikum plus Präbiotikum). Optimalerweise sollte die Einnahme einige Tage vor dem Urlaub begonnen werden und während des Urlaubs fortgesetzt werden. Hier empfiehlt sich ein Präparat mit mehreren probiotischen Bakterienstämmen, u. a. mit Laktobazillen, Laktokokken und Bifidobakterien, um ein breites Spektrum abzudecken. Zu beachten ist eine hohe Stabilität und gute Haltbarkeit des Synbiotikums selbst bei hohen Temperaturen. Trotz einzelner Untersuchungen, die Probiotika als Prophylaxe bestätigen, ist zu betonen, dass die gültigen Leitlinien aufgrund unzureichender Daten noch keine Empfehlung für den Einsatz von Probiotika abgeben.
Empfohlene Dosierung
Rund 5 x 109 koloniebildende Einheiten (KBE, colony forming units, CFU) pro Tag; Multispeziessynbiotikum
Viel Trinken
Wenn der Durchfall nicht zu vermeiden war, ist viel Trinken oberstes Gebot, denn Durchfallerkrankungen können den Körper durch den hohen Verlust von Wasser und Elektrolyten stark schwächen. Idealerweise wird bei Durchfall zu einer oralen Rehydratationslösung aus der Apotheke gegriffen. Diese enthält Wasser, Traubenzucker (Glucose), Natrium, Kalium, Chlorid und Citrat. Zur Zubereitung wird das Pulver in der vorgeschriebenen Menge in abgekochtem Wasser oder Tee aufgelöst. Auch bei Erbrechen ist die Einnahme sinnvoll.
Im Notfall kann ein Ersatz selbst gemischt werden. Das Rezept orientiert sich grob an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und benötigt nur vier Komponenten: 1 Liter Mineralwasser oder abgekochtes Wasser, 4 TL Zucker, ¾ TL Kochsalz. Zusätzlich kann 1 Tasse Orangensaft getrunken oder zwei Bananen verzehrt werden, um den Kaliumgehalt auszugleichen. Ursprüngliche Hausmittel wie Cola und Soletti werden nicht mehr empfohlen.
Leichte Kost
Eine spezielle Diät ist bei Durchfall zwar nicht erforderlich, dennoch sollten scharfe und fetthaltige Speisen gemieden werden. Bewährt haben sich Salzstangen, Zwieback, geriebener Apfel, zerdrückte Banane, Weißbrot, Haferschleim, Karottensuppe und Reis.
Quellen
- Cheng AC, et al.: Update on Traveler‘s Diarrhea. Curr Infect Dis Rep 2002; 4(1):70-77
- Kantele A. et al.: Antimicrobials increase travelers' risk of colonization by extended-spectrum betalactamase-producing enterobacteriaceae. Clin Infect Dis 2015; 60(6): 837-846
- Lenters LM, et al.: Systematic review of strategies to increase use of oral rehydration solution at the household level. BMC Public Health 2013; 13(Suppl 3): 28
- McFarland LV.: Meta-analysis of probiotics for the prevention of traveler‘s diarrhea. Travel Med Infect Dis 2007; 5(2): 97-10
- Müller H: Probiotika zur Prophylaxe und Therapie der Reisediarrhö. Flug u Reisemed 2016; 23: 232–236
Weitere Literatur auf Anfrage