Neue Erkenntnisse 

Armut macht krank

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Armut © shutterstock
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In Deutschland hängt der Gesundheitszustand eines Menschen stark von seinem sozialen und sozioökonomischen Umfeld ab. Kurz gesagt: Armut macht krank. Obwohl dieser Zusammenhang bekannt ist, wird der soziale Aspekt von Gesundheit und Krankheit oft vernachlässigt. Die DEGAM verdeutlicht in ihrem aktuellen Positionspapier zur sozialen Gesundheit, dass es auch anders geht. Darin werden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengefasst und Vorschläge unterbreitet, wie die soziale Gesundheit gestärkt werden kann.

Seit Jahren nimmt die soziale Ungleichheit in Deutschland zu, was sich auch auf die gesundheitliche Ungleichheit auswirkt. Menschen mit sozialen Problemen leiden häufiger an psychischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität). Auch bei der Lebenserwartung gibt es deutliche Unterschiede: Frauen mit niedrigem Einkommen leben im Schnitt 4,4 Jahre kürzer, bei Männern sind es sogar 8,6 Jahre. Gleichzeitig nutzen vor allem die sozial und wirtschaftlich privilegierten Bevölkerungsgruppen die Ressourcen im Gesundheitssystem, obwohl sie oft geringere gesundheitliche Risiken aufweisen.

In diesem Kontext fordert die DEGAM einen grundlegenden Perspektivwechsel: „Statt immer mehr Maßnahmen zur Früherkennung anzubieten, müssen wir echte Prävention in den Lebenswelten der Menschen machen, um alle sozialen Milieus anzusprechen. Inzwischen ist wissenschaftlich gut belegt, dass Früherkennungsmaßnahmen vor allem diejenigen erreichen, die sozial privilegiert sind und geringere gesundheitliche Risiken haben“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM. „Die sozial durchaus heterogene Bevölkerung machen wir aber nicht mit noch mehr Früherkennung gesünder, sondern mit mehr Prävention. Damit es keine Missverständnisse gibt: Natürlich gibt es auch sinnvolle Angebote zur Früherkennung, aber eben auch viele Maßnahmen, für die eine solide Evidenz fehlt.“

Im Positionspapier, das von der Arbeitsgruppe Soziale Gesundheit maßgeblich erarbeitet wurde, fordert die DEGAM eine intensivere Auseinandersetzung mit der Verknüpfung von medizinischer und sozialer Gesundheit. Bestehende Barrieren müssen insbesondere für diejenigen abgebaut werden, die sie am dringendsten benötigen. Sozial und gesundheitlich benachteiligte Gruppen sollten intensiver und koordinierter versorgt werden. Dafür müssen die Rahmenbedingungen in den hausärztlichen Praxen angepasst werden, damit soziale Belastungen der Patienten besser berücksichtigt werden können. Besonders die sprechende Medizin muss aufgewertet und die zeitintensive Versorgung von benachteiligten Patienten, die etwa unter Sprachbarrieren oder finanziellen Schwierigkeiten leiden, angemessen vergütet werden. Auch die Kooperation zwischen Praxen und sozialen Beratungsdiensten muss flächendeckend ausgebaut werden.

Die DEGAM betont gleichzeitig, dass soziale Probleme nicht allein in den Hausarztpraxen gelöst werden können. „Mit dem ungerecht verteilten Risiko, krank zu werden, darf sich ein reiches Land wie Deutschland nicht abfinden. Politisches Handeln ist gefragt, damit die vorhandenen Ressourcen effizienter und gerechter verteilt werden. Politik, Kommunen, Selbstverwaltung, Krankenkassen, Klinik und Praxis müssen sich gleichermaßen für die Gesundheitsversorgung von Menschen mit niedrigem Sozialstatus einsetzen“, so Dr. Thomas Kloppe, Sprecher der AG Soziale Gesundheit. Dr. Claudia Mews, ebenfalls Sprecherin der AG Soziale Gesundheit, ergänzt: „Gerade das Bemühen um eine stärkere Umverteilung vorhandener Ressourcen benötigt eine breite gesellschaftliche Unterstützung und dauerhaftes politisches Engagement.“

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