„Menschen mit Schizophrenie haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine erheblich verkürzte Lebenserwartung. Sie sterben mit hoher Wahrscheinlichkeit um 15 bis 20 Jahre früher“, schrieben jetzt Marco Solmi von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Charité in Berlin und seine Co-Autoren. Eine kürzlich durchgeführte neue Auswertung von 135 wissenschaftlichen Studien habe für den Zeitraum von 1957 bis 2021 für Menschen mit Schizophrenie ein um 152 Prozent erhöhtes Sterberisiko aus allen Ursachen ergeben.
Zweieinhalbfache Sterblichkeit aus allen Ursachen
In der neuen Studie, die im Europäischen Journal für Neuropsychopharmacology veröffentlicht wurde, versuchten die Wissenschaftler, diese Beobachtungen auch in Bezug auf das Geschlecht der von Schizophrenie Betroffenen zu analysieren. Vorab lässt sich sagen, dass keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Mortalität zwischen Männern und Frauen mit dieser psychiatrischen Erkrankung festgestellt wurden.
Doch die Situation der Betroffenen ist extrem schlecht. Die Wissenschafter: "Wir haben 43 Studien mit 2.700.825 Menschen mit Schizophrenie einer Metaanalyse unterzogen. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit Schizophrenie war die Gesamtmortalität im Vergleich zu den Vergleichsgruppen erhöht (Männer um das 2,62-Fache höher; bei den Frauen um den Faktor 2,56; Anm.).
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist die Suizidrate bei Menschen mit Schizophrenie in beiden Geschlechtern extrem erhöht: Bei männlichen Patienten ist sie etwa neunmal höher, bei weiblichen Patienten etwa zwölfmal höher.
Der größte Anteil an der erhöhten Mortalität von Menschen mit Schizophrenie wird jedoch durch andere Krankheiten verursacht, die auch Personen ohne diese psychiatrische Erkrankung betreffen. Bei Männern mit Schizophrenie wurde eine um den Faktor 2,11 erhöhte „natürliche“ Mortalität aus allen anderen Ursachen festgestellt. Bei Frauen lag dieser Faktor im Vergleich zu Personen ohne die Erkrankung bei 2,14.
Medizinischer Fortschritt bei Schizophrenen nicht angekommen
Die Wissenschaftler verweisen auch auf eine Studie aus dem Jahr 2022, die zeigt, dass die Mortalität aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Schizophrenie um ein Drittel bis nahezu 100 Prozent höher ist als bei Personen ohne diese psychiatrische Erkrankung. Ähnliches gilt auch für eine Vielzahl anderer somatischer Erkrankungen.
Der Grund dafür ist offenbar, dass die Fortschritte in der Prävention, Diagnose und Behandlung vieler potenziell lebensgefährlicher Erkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht oder nur unvollständig bei Menschen mit Schizophrenie angekommen sind. Die Wissenschafter: "Ein problematisches Ergebnis (...) war, dass trotz der Entwicklung und der Umsetzung neuer Methoden zur Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit die Mortalitätslücke zwischen Menschen mit Schizophrenie und der Allgemeinbevölkerung im Laufe der Zeit zugenommen hat." Die Allgemeinbevölkerung habe von diesen Entwicklungen profitiert, Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen blieben benachteiligt.
Die Wissenschafter: "Zu dieser Diskrepanz in der Sterblichkeit trägt auch der eingeschränkte Zugang zu Krebsvorsorgeuntersuchungen und Behandlungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei, den Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, einschließlich Menschen mit Schizophrenie, erfahren." Offenbar werden Menschen mit Schizophrenie schlichtweg auf diese Erkrankung reduziert, es fehlt eine spezifisch wirksame medizinische Betreuung in vielen anderen Bereichen.
APA