Subsyndromale Angsterkrankungen

Der unterschätzte Vorbote

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Subsyndromale Angsterkrankungen (SSA) sind Angstzustände, die nicht die vollen Kriterien einer klassischen Angststörung erfüllen, aber dennoch klinisch relevant sind.1 

Typische Symptome sind Nervosität, innere Unruhe, Reizbarkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen. Die Beeinträchtigungen liegen jedoch in puncto Intensität oder Dauer unterhalb der „Schwelle“ für eine generalisierte Angststörung (GAS) oder Panikstörung. Mit einer Prävalenz von knapp 6 % – bei vermutlich hoher Dunkelziffer – stellen sie ein relevantes Gesundheitsproblem dar. SSA werden oft als harmlose Beschwerden abgetan, und das, obwohl sie nachweislich mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung vollständig ausgeprägter Angststörungen und depressiver Episoden einhergehen. Frühzeitiges Erkennen und Intervenieren sind dementsprechend wichtig.

Pathophysiologie: Was passiert im Gehirn?

Die neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass SSA nicht bloß Vorstufen von „klassischen“ Angststörungen sind, sondern ein eigenständiges pathophysiologisches Profil aufweisen. Kennzeichnend ist eine Überaktivität der Amygdala bei gleichzeitig verminderter Aktivierung des präfrontalen Kortex, was die Angstregulation beeinträchtigt. Neurochemisch spielen Dysbalancen im Serotonin- und GABA-System eine zentrale Rolle.

Diagnostische Kriterien 

Im Gegensatz zur generalisierten Angststörung erfüllen Patient:innen mit SSA nicht alle diagnostischen Kriterien nach DSM-5 oder ICD-11. In den kürzlich veröffentlichten Empfehlungen schlagen die Expert:innen ein zweistufiges Screeningmodell vor: Initial erfolgt eine schnelle Erfassung mittels GAD-2-Fragebogen, bei auffälligen Werten (≥ 3 Punkte) schließt sich eine detaillierte Evaluation mittels GAD-7-Fragebogen an. Ein Score von 5 bis 9 Punkten weist auf eine subsyndromale Ausprägung hin.2

Therapieoptionen im Stufenkonzept

Da es bislang keine spezifischen Behandlungsleitlinien für SSA gibt, stützen sich die erarbeiteten Therapieempfehlungen ausschließlich auf Forschungsdaten zu subklinischen Angststörungen und Expertenmeinungen. Empfohlen wird ein evidenzbasiertes Stufenschema, das verschiedene Therapieansätze kombiniert.2

1. Basisinterventionen

  • Lebensstilmodifikationen mit Fokus auf regelmäßige körperliche Aktivität
  • Stressreduktion und Entspannungstechniken
  • Psychoedukation

 2. Psychotherapeutische Optionen

  • Kognitive Verhaltenstherapie (auch online)

3. Pharmakologische Therapie

Eine allgemein anerkannte pharmakologische Behandlungsstrategie für SSA existiert bislang nicht. Dennoch zeigen aktuelle Metaanalysen, dass bestimmte Wirkstoffe vielversprechend sein könnten. Besonders gut untersucht ist Silexan, ein standardisiertes Lavendelöl, das in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien eine signifikante Wirksamkeit gegenüber Placebo zeigte und ein günstiges Sicherheitsprofil aufweist. 

Auch andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Johanniskraut oder Passionsblume werden zur Linderung leichter Angstzustände eingesetzt. Die Evidenz für diese Inhaltsstoffe ist jedoch deutlich schwächer, da laut Studienautor:innen keine vergleichbar hochwertigen Studien vorliegen.

Fazit

Um die langfristigen Therapieeffekte verschiedener Behandlungsstrategien zu evaluieren, bedarf es weiterer Studien. Interessant ist v. a. die Frage, inwieweit eine frühzeitige Intervention die Entwicklung manifester Angststörungen verhindern kann. SSA sind jedenfalls mehr als „leichte Sorgen“. Sie sind ein ernstzunehmendes Phänomen, das die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt und ein Vorbote für schwere psychische Erkrankungen sein kann.


Quellen

  1. Volz HP, et al.: Subsyndromal generalised anxiety disorder: operationalisation and epidemiology - a systematic literature survey. Int J Psychiatry Clin Pract 2022; 26(3): 277-286
  2. Costa D, et al.: How to treat subsyndromal anxiety disorder - practical recommen­dations for implementation in primary care. Int J Psychiatry Clin Pract 2024; 28(2): 128-137

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