Demenz & Depression

Psychische Störungen im Alter

Mag. pharm.

LARISSA

WALCH

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Depression im Alter © shutterstock
Sowohl die Demenz als auch die Depression gehen im Alter häufig mit kognitivem Leistungsabfall, sozialer Isolation und Interessensverlusten einher. © shutterstock

Mit steigender Lebenserwartung werden die Gesundheitsprobleme der älteren Bevölkerung immer bedeutsamer. In Österreich lag die Lebenserwartung 2023 bei 84,2 Jahren (Frauen) bzw. bei 79,4 Jahren (Männer). Rund ein Viertel der über 65-Jährigen leiden an psychischen Störungen im weitesten Sinne, wobei depressive Syndrome ca. 20% ausmachen. Frauen sind häufiger von Depression betroffen als Männer. Das mit einer Depression eng verknüpfte Suizidrisiko steigt im Alter stark an, besonders bei Männern ab 70 Jahren. Ab dem 75. Lebensjahr ist das Suizidrisiko etwa doppelt so hoch, ab dem 85. Lebensjahr im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung dreimal so hoch. Von einer Demenz sind aktuell ca. 1,6 % der in Österreich lebenden Menschen betroffen. Aufgrund der Überalterung der Bevölkerung wird sich dieser Anteil bis 2050 schätzungsweise verdoppeln, denn ein Hauptrisikofaktor für eine Demenzerkrankung ist das Lebensalter. Ab 60 Jahren nimmt das Demenzrisiko exponentiell zu.

Ätiologie & Klassifikation

Demenz

Eine Demenz ist eine erworbene Störung des Gedächtnisses, bei der es zu einer krankhaften Veränderung des Gehirns mit einem fortschreitenden Verlust geistiger Funktionen kommt. Je nach Form und Ursache der Demenzerkrankung sind das Kurzzeitgedächtnis, die Sprache, die Motorik und das Denkvermögen betroffen. Außerdem kann es zu Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur kommen. Es gibt verschiedene Demenzformen wie Alzheimer-Demenz, Lewy-Körper-Demenz, vaskuläre Demenz, gemischte Demenz, die Demenz bei Parkinson-Krankheit und die frontotemporale Demenz. Mit etwa zwei Drittel aller Demenzfälle gilt die Alzheimer-Demenz als häufigste Form. Die Diagnose einer Demenz erfolgt nach den Kriterien von ICD-10 und DSM-5.

Demenz und Depression © beigestellt
© beigestellt

Altersdepression

Eine Altersdepression ist typischerweise eine unterschwellige Depression, die von somatischen Beschwerden kaschiert wird. Subklinische depressive Störungen sind häufiger als eine Major Depression. Bei Erstmanifestation einer Depression nach dem 65. Lebensjahr ist der genetische Einfluss gering. Faktoren wie hirnmorphologische Veränderungen durch zerebrale Gefäßstörungen und ischämische Veränderungen scheinen dagegen eine Rolle zu spielen. Auf biochemischer Ebene kommt es zu einem zunehmenden Mangel an Noradrenalin, Serotonin und Dopamin und dadurch zu einer verminderten Stimmungsregulation des ZNS. Zudem wird ein reduzierter Spiegel von BDNF (brain-derived neurotropic factor) als biochemischer Marker für Depressionen diskutiert. BDNF ist ein neuronaler Wachstumsfaktor und wichtig für die plastische Ausbildung von Gedächtnisverbindungen. Auch psychosoziale Faktoren scheinen bei der Entstehung einer Altersdepression bedeutsam zu sein.

Übersicht ausgewählter Antidepressiva
GruppeArzneistoffStandardtagesdosisHWZNebenwirkungen
SSRICitalopram20–40 mg36 h• Schlaflosigkeit
• Gastrointestinale 
Störungen 
• Schwindel 
• Thrombozytenaggregationshemmung


Escitalopram10–20 mg30 h
Fluoxetin20–60 mg4–6 Tage
Sertralin50–200 mg26 h
SSNRIDuloxetin60–120 mg8–17 h
Venlafaxin75–375 mg5 h• Schlaflosigkeit
• Palpitationen
• Blutdruckanstieg
• Übelkeit
• Miktionsstörungen
Trizyklisches 
Antidepressivum
Imipramin50–150 mg12 h• Mundtrockenheit
• Obstipation
• Tachykardie
• Desorientiertheit
• Gedächtnisstörungen

Oft führen Vereinsamung, Einbußen der Autonomie oder schmerzhafte Verluste zu einem Gefühl von Hilflosigkeit und Sinnlosigkeit. Die Altersdepression wird wie die Demenz nach den Kriterien von ICD 10 und DSM-5 diagnostiziert. Sie kann sich jedoch in einem sehr heterogenen Spektrum zeigen, was ein frühes Erkennen der Erkrankung oft erschwert. Ältere Patient:innen sprechen psychische Problem seltener an als jüngere; ihre Beschwerden machen sich oft in Form von körperlichen Symptomen bemerkbar. So kommt es z. B. nicht selten vor, dass eine unklare Schmerzsymptomatik auf ein depressives Syndrom hindeutet.  

Medikation © shutterstock
Sowohl bei der Altersdepression als auch bei der Demenz ist ein multimodales Therapiekonzept von Vorteil. © shutterstock

Diagnostische Herausforderung

Bei älteren Menschen stellt die Abgrenzung einer Depression von einer Demenz oft eine diagnostische Schwierigkeit dar. Beide Erkrankungen gehen im Alter häufig mit kognitivem Leistungsabfall, sozialer Isolation und Interessensverlusten einher. Eine Atrophie des Hippocampus findet man sowohl bei depressiven Störungen als auch bei einer Alzheimer-Demenz. Außerdem können Depressionen und Demenzen auch nebeneinander oder überlappend auftreten. Bei etwa 30–50 % der Patient:innen mit Alzheimer-Demenz liegen zusätzlich depressive Symptome vor.

Besonders häufig treten diese im Prodromalstadium auf. Die Art, wie sich die Depression äußert, kann jedoch bei Demenz-Patient:innen von den klassischen Symptomen abweichen. Es stehen oft erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen und somatische Symptome im Vordergrund. Depressive Beschwerden bei einer Demenz als Primärerkrankung sind entweder Teil der Prodromalsymptomatik oder sind eine zufällige Komorbidität im Rahmen der Demenzerkrankung.

Andererseits können auch Demenz-Symptome wie Erinnerungslücken, Denkstörungen und Apathie auf eine Depression hinweisen. Bei älteren Personen kommt es im Rahmen einer Depression oft zu einer Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, zu Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Wenn es bei einer Depression zu ausgeprägten kognitiven Defiziten kommt, spricht man auch von einer „Pseudodemenz“. Außerdem kommt es durch eine Depression zu chronischen neuronalen Entzündungsprozessen, die Schäden verursachen können, die die Entstehung einer Demenz begünstigen. Insgesamt sind Demenz und Depression im Alter wechselseitige Risikofaktoren. Bereits leichtere depressive Symptome können eine bestehende Demenzerkrankung signifikant verschlechtern.

Apotheker:in beratet älteren Mann © shutterstock
Eine Altersdepression ist häufig eine unterschwellige Depression, die von somatischen Beschwerden – wie z. B. unklaren Schmerzen – kaschiert wird. Diesen Fakt sollte man als Apotheker:in im Hinterkopf haben. © shutterstock

Therapeutische Optionen

Sowohl zur Therapie einer Altersdepression als auch zur Behandlung von depressiven Symptomen im Rahmen einer Demenzerkrankung gibt es vereinfacht gesagt zwei Möglichkeiten: die medikamentöse Behandlung und die Psychotherapie. Besonders ältere Menschen mit depressiven Symptomen scheinen von einer adäquaten Psychotherapie zu profitieren. Ein multimodales Therapiekonzept aus einer Kombination von medikamentöser Behandlung, Psychotherapie und kognitivem Training ist von Vorteil. Für die Arzneimitteltherapie sollten neuere Antidepressiva wie Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI: Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin) oder Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI: Duloxetin, Venlafaxin) eingesetzt werden. Mögliche Nebenwirkungen sind gastrointestinale Störungen, Schwindel, Schlafstörungen und Thrombozytenaggregationshemmung.

Auch der Einsatz von Antidepressiva bei Demenz mit depressiven Episoden hat sich als wirksam erwiesen. Trizyklische Antidepressiva sollten in der Therapie der Altersdepression sowie der Demenz mit depressivem Syndrom wegen der anticholinergen Nebenwirkungen vermieden werden. Insgesamt ist es wichtig, bei älteren Personen in der Dosierung niedrig zu starten und längere Aufdosierungsintervalle zu planen. Besonders bei multimorbiden Patient:innen ist die Beachtung der individuellen Nebenwirkungen der jeweiligen Antidepressiva erforderlich.

Fazit

Depression und Demenz sind häufige Erkrankungen im Alter. Da die Abgrenzung der Symptome in manchen Fällen kompliziert ist, werden depressive Symptome oft nicht als solche erkannt und nicht adäquat behandelt. Besonders wegen des signifikant erhöhten Demenzrisikos bei einer Altersdepression ist eine frühzeitige Diagnosestellung und Behandlung essenziell. Eine engmaschige Kontrolle der kognitiven Funktionen ist bei beiden Erkrankungen wichtig, um bei einer möglichen Veränderung schnell eingreifen zu können. Den Apotheker:innen kommt auch in der psychosozialen Betreuung bei einer Altersdepression eine wichtige ergänzende Rolle zu. Oft kommen ältere Personen mehrmals pro Woche in ihre Stammapotheke und suchen dort sozialen Kontakt. Das Gefühl, eine hilfsbereite Anlaufstelle zu haben, kann sich – im Sinne eines multimodalen Ansatzes – auch sehr positiv auf die depressive Symptomatik auswirken.

Insgesamt besteht nach wie vor ein großer Forschungsbedarf, um die Erkrankungen besser zu verstehen und auch frühzeitig erkennen zu können. Besonders in weiterentwickelte bildgebende Verfahren des Gehirns wird dabei große Hoffnung gesetzt.

Quellen

  • Barnes D E et al.: Mid-life versus late-life depressive symptoms and risk of dementia : 
    Differntial effects for Alzheimer`s disease ans vaskular dementia. Arch Gen Psychiatry 2012; 69(5): 493-498
  • Geisslinger G et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020; 11 Auflage
  • Gutzmann et al.: Depression associated with dementia. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2015; 48: 305-311
  • Hegerl U et al.: Depression und Demenz im Alter. Springer Verlag Wien 2001
  • Leyhe T et al.: Demenz und Altersdepression https://boris.unibe.ch/114120/1/sanp_00571.pdf [23.02.2024]

Weitere Quellen auf Anfrage

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