Kreatin & BCAA

Mehr Muskelkraft im Sport

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Lifestyle-Medikamente sind Arzneimittel, bei denen primär nicht die Behandlung einer Erkrankung, sondern die Verbesserung der körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit bzw. des allgemeinen Wohlbefindens im Vordergrund steht. Obwohl es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) nicht um Arzneimittel handelt, könnte man im weiteren Sinn auch hochdosierte Mikronährstoffe als Lifestyle-Präparate auffassen, die ebendiesen Zweck erfüllen. Anders als bei „herkömmlichen“ NEM ist die Zielgruppe der leistungsfördernden Supplemente in aller Regel jung, sportlich und hat keine Komorbiditäten.

Solche Personen würde man in erster Linie in einem der zahlreichen Sportnahrungs- bzw. Nutrition-Stores und nicht in der Apotheke erwarten. Die Praxis beweist allerdings das Gegenteil: Apotheker:innen verfügen nicht nur über eine besondere fachliche Qualifikation, sondern erbringen aufgrund ihrer Expertise auch Leistungen außerhalb ihrer Kernkompetenzen. Genau diese Expertise wollen Kund:innen nutzen, um sich fachlich gut beraten zu lassen. Im Folgenden werden mit Kreatin und Branched-Chain-Amino-Acids (BCAA) zwei beliebte NEM und ihre Anwendung im sportlichen Umfeld behandelt.

Physiologie von Kreatin

Kreatin ist eine Substanz, die vom menschlichen Körper vor allem in der Leber und den Nieren produziert wird. Über 95 % des körpereigenen Kreatins sind in der Skelettmuskulatur gespeichert. Die Gesamtmenge an Kreatin entspricht dem freien Kreatin plus Phosphokreatin – bei einer 70 kg schweren Person sind das in etwa 120 g. Der tägliche Bedarf wird sowohl durch die intestinale Absorption aus der Nahrung (1–2 g/Tag) als auch durch die endogene Produktion (1–2 g/Tag) gedeckt. Wichtige exogene Kreatinquellen sind tierische Produkte wie rotes Fleisch und Fisch (vgl. Fotos Mitte). Für sich ausschließlich vegetarisch/vegan ernährende Sportler:innen ist es demnach praktisch unmöglich, die Kreatinaufnahme außerhalb einer Nahrungsergänzung zu steigern.

Kreatin-Monohydrat Schnelle vs. langsame Ladung

Schnelle Ladung „Fast-Load“

Ladephase
• 0,3 g Kreatin/kg Körpergewicht pro Tag
• bei 70 kg: 21 g Kreatin pro Tag, aufgeteilt 
in 4–5 Einzeldosen
• Dauer beträgt 5 Tage

Erhaltungsphase
• ca. 3 g Kreatin/Tag
• Dauer beträgt ca. 4–24 Wochen

Absetzphase
• nach jedem Lade- bzw. Erhaltungszyklus
• Dauer beträgt ca. 4 Wochen oder länger

Langsame Ladung „Slow-Load“
Ladephase 

• Total 3(–5) g/Tag, 
aufgeteilt in 1–3 Einzeldosen
• Dauer beträgt ca. 4 Wochen

Erhaltungsphase
• ca. 3 g Kreatin/Tag
• Dauer beträgt ca. 4–24 Wochen

Absetzphase
• nach jedem Lade- bzw. Erhaltungszyklus
• Dauer beträgt ca. 4 Wochen oder länger

Untersuchungen zeigen, dass die endogene Produktion durch die exogene Zufuhr reguliert wird und abnimmt, wenn man die Kreatinzufuhr durch NEM oder andere diätetische Eingriffe erhöht. Stellt man die Supplementation wieder ein, kehrt der Wert wieder auf das Ausgangsniveau zurück.

Kreatin wird in den Zellen der Skelettmuskulatur im Rahmen einer reversiblen enzymatischen Reaktion zu Phosphokreatin phosphoryliert. Kreatin überträgt diese Phosphatgruppe auf Adenosindiphosphat (ADP) (Umwandlung von ADP zu Adenosintriphosphat = ATP, siehe Abbildung S. 76). Bei kurzzeitigen hochintensiven Trainingseinheiten wird der ATP-Bedarf durch anaerobe Glykolyse sowie das Phosphokreatin-Shuttle gedeckt. Die anaerobe Glykolyse ist dabei die dominierende Form der ATP-Produktion zwischen 10 und 30 Sekunden maximaler Anstrengung, während das Phosphokreatin-Shuttle als ATP-Quelle bei Übungen mit maximaler Anstrengung von weniger als zehn Sekunden dominiert. 

Exogene BCAA-Quelle BCAA-Gehalt in ausgewählten Lebensmitteln
LebensmittelLeucin/100 gValin/100 gIsoleucin/100 g
Thunfisch2,2 g1,4 g1,2 g
Rinderfilet2,0 g1,3 g1,2 g
Erdnüsse2,0 g1,5 g1,2 g
Reis, unpoliert0,7 g0,5 g0,3 g
Tofu0,8 g0,6 g0,5 g
Hülsenfrüchte1,7 g1,3 g1,3 g

Praktische Anwendung von Kreatin

Aus diesen physiologischen Mechanismen leitet sich das sportliche Anwendungsgebiet von Kreatin ab: Kurze, intensive Trainingseinheiten mit maximaler Muskelbelastung. Vor allem bei Sportarten mit wiederkehrenden intensiven Kraft- oder Sprintbelastungen profitieren Anwender:innen von einer Kreatin-Supplementation. Einerseits durch die vermehrte Energiebereitstellung in der Muskelzelle, andererseits, weil Kreatin bei einer mehrwöchigen Supplementierung und gleichzeitigem Krafttraining den Aufbau von Muskelmasse unterstützt. Diese zusätzliche Muskelmasse bleibt auch nach dem Absetzen erhalten. Bei klassischen Ausdauersportarten ist hingegen keine Leistungsverbesserung zu erwarten.

Shake zum trinken  © Shutterstock
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Die Wirkung von Kreatin – v.a. in Form von Kreatin-Monohydrat – auf Krafttrainingsübungen wurde ausführlich erforscht. Es gibt zahlreiche kontrollierte Studien, die über eine Steigerung der Leistung und Muskelkraft bei kurzzeitigen Übungen mit maximaler Intensität berichten. Krafttraining wurde dabei auf viele Arten gemessen, darunter Übungen wie Bankdrücken, Beindrücken, Bizepscurls, Beinstrecker, Sprungkniebeugen und Fahrradergometrie. Die Methode zur Messung von Kraft und Leistung in diesen Studien umfasst ein Wiederholungsmaximum, eine mittlere Leistung, die Gesamtkraft und die Anzahl der Wiederholungen. Ergänzend zu den Leistungsmessungen gibt es Belege für eine Zunahme der fettfreien Masse und der Muskelfaserdichte vom Typ II. Einige Arbeiten deuten auf positive Effekte bei älteren Menschen sowie bei schwerer rheumatoider Arthritis-assoziierter Kachexie hin. 

Eine Supplementierung mit Kreatin wird für gewöhnlich in drei Phasen mit zwei Anwendungsprinzipien unterteilt (vgl. Kasten rechts). Beide Prinzipien führen zu gleichen maximalen Kreatinwerten in den Muskeln. Beim schnellen Laden werden diese jedoch rascher erreicht als beim langsamen. Die Einnahme mit Kohlenhydraten oder nach einer Belastung verbessert die Aufnahme in die Muskelzellen. Die Swiss Sports Nutrition Society kategorisiert Kreatin als Klasse-A-Supplement, dessen Einsatz in spezifischen Situationen im Sport durch gute Evidenz gestützt ist.

Physiologie von BCAA

Unter der Bezeichnung BCAA werden die drei verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin zusammengefasst. Sie machen zusammen etwa 35 % der essenziellen Aminosäuren in Muskelproteinen aus und müssen über die Nahrung aufgenommen werden, da der Körper sie nicht selbst produzieren kann (vgl. Tabelle, S. 78). Insbesondere Leucin aktiviert mit Rapamycin-1 ein anaboles Signal, das über Translationsinitiationsfaktoren und ribosomale Proteine in die Muskelproteinsynthese eingreift.

Zyklus © Stock/ttsz
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Im Gegensatz zu den meisten Aminosäuren findet der erste Schritt des BCAA-Metabolismus aufgrund der geringen Leberaktivität der verzweigtkettigen Aminosäure-Aminotransferase (BCAT) nicht in der Leber statt. Ein Großteil der BCAA gelangt deshalb nach der Proteineinnahme in den systemischen Kreislauf und ist für extrahepatische Gewebe leicht verfügbar. In diesen werden BCAA als Substrate für die Proteinsynthese oder Energieproduktion herangezogen und erfüllen verschiedene Stoffwechselfunktionen, etwa über Acetyl-CoA und Succinyl-CoA als wichtige Vorläufer von Zwischenprodukten des Tricarbonsäure-Zyklus. Auf diese Weise können BCAA durch Modulation, der durch körperliche Betätigung verursachten Serum-BCAA-Oxidation, an der Energieproduktion beteiligt sein.

Praktische Anwendung von BCAA

Anhand der beschriebenen Mechanismen wurde die Hypothese aufgestellt, dass sich BCAA positiv auf Leistung, Erholung und Körperzusammensetzung auswirken. Die International Society of Sports Nutrition (ISSN) empfiehlt eine Mindestmenge BCAA pro Kilogramm Körpergewicht und Tag (Leucin: 45 mg, Valin: 22,5 mg, Isoleucin: 22,5 mg), wenn möglich in einem optimalen Verhältnis Leucin : Isoleucin : Valin = 2 : 1 : 1. Die übliche Menge liegt zwischen 10–20 g Gramm BCAA/Tag. Anders als Proteinpräparate, deren Wirkung auf die Muskelmasse und Kraft bei gesunden Erwachsenen in vielen Studien systematisch untersucht wurde, ist die Evidenz zur Förderung des Muskelaufbaus, zur Prävention von Muskelschäden oder zur Abschwächung von Ermüdungserscheinungen in Ausdauer- bzw. Kraftsportarten bei BCAA mangelhaft.

So konnte in einer Studie die BCAA-Supplementation nach intensiven Trainingseinheiten die Konzentration der Kreatin-Kinase reduzieren, einem anerkannten Enzymmarker für muskuläre Schädigungen. Eine Metaanalyse mit 31 eingeschlossenen Studien kommt jüngst zu dem Schluss, dass BCAA diverse Energiestoffwechselprodukte und Muskelkatersubstanzen beeinflussen. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine BCAA-Supplementierung Muskelschäden abschwächen und Muskelkater nach Widerstandstraining lindern kann, indem es die Zellregeneration aktiviert. Im Unterschied dazu war eine siebentägige orale Nahrungsergänzung mit BCAA wirkungslos, um Muskelschäden während eines Marathons zu verhindern. Problematisch bei der Interpretation dieser Resultate ist, dass sich die BCAA-Ergänzungen zwischen den einzelnen Studienprotokollen zum Teil erheblich unterscheiden. Darüber hinaus wurde meist nicht die gesamte Proteinaufnahme über den Tag dokumentiert, was Rückschlüsse auf den tatsächlichen Benefit von BCAA erschwert. 

Fazit

Supplemente sind im Sport allgegenwärtig. Ein professioneller Umgang ist aber nur dann gegeben, wenn sie als Ergänzung und nicht als Ersatz einer gesunden Ernährung, abgestimmt auf die individuelle Situation und in Absprache mit einer Fachperson eingesetzt werden.

Quellen

  • Areces F et al.: A 7-day oral supplementation with branched-chain amino acids was ineffective 
    to prevent muscle damage during a marathon. Amino Acids 2014; 46(5):1169-76
  • Bogdanis GC et al.: Effects of oral creatine supplementation on power output during repeated treadmill sprinting. Nutrients 2022; 14(6):1140
  • Devries MC et al.: Creatine supplementation during resistance training in older adults-a meta-analysis. Med Sci Sports Exerc 2014; 46(6):1194-203
  • Dorrell HF et al.: An update on effects of creatine supplementation on performance: a review. Sports Nutr Ther 2016; 1:107
  • Fouré A et al.: Is branched-chain amino acids supplementation an efficient nutritional strategy to alleviate skeletal muscle damage? A systematic review. Nutrients 2017; 9(10):1047

    Weitere Literatur auf Anfrage

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