Der Einfluss von Sport auf das Herz-Kreislauf-System

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Körperliche Aktivität führt zur Ausschüttung von Serotonin und Endorphinen, die in der Lage sind, Stresshormone zu neutralisieren. © Shutterstock
Körperliche Aktivität führt zur Ausschüttung von Serotonin und Endorphinen, die in der Lage sind, Stresshormone zu neutralisieren. © Shutterstock

Der Begriff „Cardio“ wird häufig als Synonym für Ausdauersport verwendet und stammt von dem Wort „kardiovaskulär“ ab. Schon der Name lässt auf eine positive Auswirkung auf Herz und Gefäße schließen. Tatsächlich kann regelmäßige Bewegung bestimmte Anpassungsvorgänge im Körper bewirken – von einer Ökonomisierung der Herzfunktion bis hin zur (nicht-pathologischen) Vergrößerung des Herzens.

Kardiale Anpassungsvorgänge bei regelmäßigem Ausdauersport

Bei körperlicher Betätigung muss die Muskulatur vermehrt arbeiten und benötigt Sauerstoff für die Energiegewinnung. Die Atemfrequenz steigt, um diesen Mehrbedarf aufzunehmen, und das Herz reagiert mit einer erhöhten Pumpfrequenz (Puls), um mehr Sauerstoff pro Minute in den Körper transportieren zu können. Athletinnen und Athleten können bei Belastung deutlich mehr Sauerstoff aufnehmen als untrainierte Personen. Bei regelmäßigem Ausdauersport wird so der Herzmuskel trainiert, der mit der Zeit in der Lage ist, größere Mengen an Blut pro Herzschlag durch den Körper zu pumpen. In Ruhe sinkt so bei gleichbleibendem Herzzeitvolumen die Herzfrequenz: Das Herz muss seltener schlagen und wird somit weniger stark beansprucht. Während des Trainings wird der Herzmuskel vermehrt belastet. Dadurch beginnt dieser an Masse zuzunehmen, ebenso wie auch die Skelettmuskulatur. Eine sport-bedingte Vergrößerung des Herzens ist nach aktuellem Wissensstand mit keinem Gesundheitsrisiko verbunden.

Tabelle, *nach Silbernagl S. 2018
Anpassungsvorgänge des Herzens bei Ausdauersportlerinnen und -sportlern
in Ruhe und bei maximaler Belastung*
Nichtsportler:in 
in Ruhe

Nichtsportler:in 
bei maximaler 
Belastung

Ausdauersportler:in in RuheAusdauersportler:in bei maximaler 
Belastung

Herzgewicht (g)300300500500
Herzfrequenz 
(Schläge/Minute)

8018040180
Schlagvolumen (ml)70100140190
Herzzeitvolumen (l/min)5,6205,635
Sauerstoffaufnahme (l/min)0,32,80,35,2

Auswirkungen von Sport auf kardiovaskuläre Risikofaktoren 

Zusätzlich zur Entlastung des Herzens durch besagte Anpassungsvorgänge hat körperliche Betätigung auch einen positiven Einfluss auf eine ganze Reihe weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Hypertonie, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes. Unbehandelt können diese Risikofaktoren verschiedenste Erkrankungen im Herz-Kreislauf-System nach sich ziehen: angefangen bei Arteriosklerose über eine KHK (Koronare Herzkrankheit) und eine PAVK (Periphere arterielle Verschlusskrankheit) bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall. 

Übergewicht

Adipositas zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Herz adipöser Menschen muss deutlich mehr Körpermasse mit Blut versorgen. Zudem geht Übergewicht meist Hand in Hand mit Hypertonie und erhöhten Blutfett- und Blutzuckerwerten. Ziel sollte daher stets das Erreichen eines normalen BMI sein. Essenziell ist hierfür u. a. eine negative Kalorienbilanz. Grundsätzlich ist der Kalorienbedarf im Ausdauerbereich am höchsten. Die Fettverbrennung beginnt im aeroben Trainingsbereich nach ca. 15 bis 30 Minuten. Sinnvoll ist eine Ergänzung durch Krafttraining. Im direkten Vergleich werden pro Stunde Workout zwar weniger Kalorien verbrannt, dafür wird jedoch Muskelmasse aufgebaut, die in weiterer Folge mehr Energie als anderes Körpergewebe benötigt – auch im Ruhezustand. 

Fettstoffwechsel 

Erhöhte LDL-Cholesterin- (LDL-C) und Triglycerid-Werte sind maßgeblich an der Bildung von arteriosklerotischen Plaques beteiligt und stehen in engem Zusammenhang mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko. Hingegen ist das HDL-Cholesterin (HDL-C) als Gegenspieler des LDL-C dafür verantwortlich, überschüssiges Cholesterin aus dem Blut zurück in die Leber zu transportieren, wo dessen Abbau erfolgt. In Studien wurde gezeigt, dass regelmäßiges aerobes Ausdauertraining zu einer Erhöhung des HDL-Wertes führen kann. Einige Forschungsgruppen fanden auch senkende Auswirkungen auf die LDL-C- und Triglycerid-Werte – die Studienlage ist hierbei jedoch nicht ganz eindeutig.

Zuckerstoffwechsel

Es ist bekannt, dass ein körperlich aktiver Lebensstil das Risiko für die Manifestation von erhöhten Blutzuckerwerten verringern kann. Typ-2-Diabetiker:innen sind aufgrund der Stoffwechselstörung und der zugrunde liegenden Komorbiditäten 2- bis 4-mal häufiger von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen als gesunde Personen. Studien haben gezeigt, dass regelmäßiger Sport eine deutliche Verbesserung der HbA1c-Werte und der Insulinresistenz bewirken kann. Dies wird v. a. über eine effizientere Verstoffwechslung von Glucose in den Muskelzellen, eine bessere Glucoseaufnahme in die Zellen, eine Bedarfserhöhung durch Zunahme an Muskelmasse, sowie eine verbesserte Funktion der insulinproduzierenden B-Zellen des Pankreas erreicht. Laut Leitlinien der Österreichischen Diabetesgesellschaft ist Sport in der Vorbeugung von Typ-2-Diabetes wirksamer als die herkömmliche Medikation.

Blutdruck 

Ein chronisch erhöhter Blutdruck bleibt oft lange Zeit asymptomatisch, führt aber unbehandelt nicht selten im Laufe des Lebens zu Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Bedeutung von sportlicher Aktivität zur Reduktion erhöhter Blutdruckwerte wurde in diversen Studien belegt. Metaanalysen haben je nach Ausgangswert der Hypertoniker:innen eine Blutdrucksenkung um bis zu 10 mm Hg ergeben. Dieser Effekt könnte z. B. auf eine Veränderung des peripheren Gefäßwiderstandes bzw. des Herzzeitvolumens oder auf eine verringerte Sympathikus-Aktivität bei regelmäßigem Ausdauertraining zurückzuführen sein. Schon geringfügige Veränderungen chronischer Werte sind klinisch relevant, da eine Reduktion um 2 mm Hg das Myokardinfarktrisiko bereits um ca. 6 % senken kann. 

Einfluss des Lebensstils

Nicht unterschätzt werden darf unter den Risikofaktoren auch der Einfluss des Lebensstils. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Raucherquote unter sportlich Aktiven deutlich geringer ist als unter Nicht-Sportlerinnen und -Sportlern. Nikotin lässt die Gefäße verengen und versteifen und erhöht Blutdruck und Puls: Das Herz-Kreislauf-System wird belastet und die körperliche Leistungsfähigkeit herabgesetzt. Allgemein haben Menschen, die sportlich aktiv sind, im Schnitt ein höheres Gesundheitsbewusstsein – dies äußert sich auch in der Ernährung. Wer anstelle von Produkten mit einem hohen Gehalt an Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren öfter zu vollwertigen, pflanzlichen Nahrungsmitteln mit hoher Nährstoffdichte greift, tut damit auch seinem Herz-Kreislaufsystem etwas Gutes. Außerdem ist bekannt, dass Sport einen positiven Einfluss auf das Stresslevel hat. Erhöhte (Nor-)Adrenalin- und Cortisolwerte befähigen den Körper kurzfristig zu Höchstleistungen, lassen jedoch Blutdruck und Puls in die Höhe schießen. Körperliche Aktivität führt zur Ausschüttung von Serotonin und Endorphinen, die in der Lage sind, Stresshormone zu neutralisieren. 

Sport für Herzkranke

Generell gelten die beschriebenen Benefits des moderaten Trainings auch für Herzpatientinnen und -patienten. Um unnötige Risiken zu vermeiden, sollten aber einige wichtige Punkte beachtet werden. Es gibt bestimmte Umstände, unter denen strikt von sportlicher Betätigung abgeraten wird, wie z. B. bei instabiler Angina pectoris, frischem Herzinfarkt, akuten Infektionskrankheiten und bei frischen Thrombosen. Liegen diese Umstände nicht vor, können Herzpatientinnen und -patienten stark vom individuell „richtigen“ Training profitieren. Vor allem zu Beginn sollte dieses vorzugsweise unter ärztlicher bzw. sportmedizinischer Betreuung stattfinden. Möglich ist auch, das Training im Zuge einer ambulanten oder stationären Rehabilitation zu beginnen, wo gemeinsam mit dem betreuenden Fachpersonal ein Therapieplan erarbeitet wird, der im Anschluss von den Personen selbstständig fortgesetzt werden kann. Die Trainingsintensität bei eingeschränkter Herzfunktion muss individuell angepasst werden. Vor Trainingsbeginn ist es wichtig, im Zuge eines Belastungs-EKG die jeweilige optimale Trainingsherzfrequenz bestimmen zu lassen. Bei Herzinsuffizienz sollte zunächst eine Belastung von ca. 40–55 % der maximal erzielbaren Herzfrequenz eingehalten werden. Patientinnen und Patienten mit stabiler Koronarer Herzkrankheit (KHK) wird ein Training mit 60–70 % der maximalen Herzfrequenz empfohlen. 

Entgegen früheren Meinungen wird heute auch Krafttraining für Hypertoniker:innen empfohlen, sofern der Blutdruck in Ruhe gut eingestellt ist.  © Shutterstock
Entgegen früheren Meinungen wird heute auch Krafttraining für Hypertoniker:innen empfohlen, sofern der Blutdruck in Ruhe gut eingestellt ist. © Shutterstock


Zur kontinuierlichen Intensitätskontrolle empfiehlt sich ein Pulsmessgerät. Das oberste Ziel sollte nicht eine schnelle Leistungssteigerung, sondern eine allgemeine Verbesserung der Herz-Kreislauf-Gesundheit sein – Konsequenz und Motivation sind erwünscht, ein Übermaß an Ehrgeiz ist jedoch fehl am Platz. 

Hypertoniker:innen mit Werten über 160/95 mm Hg wird geraten, nicht ohne vorhergehende medikamentöse Blutdrucksenkung mit dem Sport zu beginnen, um extreme Blutdruckspitzen und die damit einhergehende Gefahr eines plötzlichen Herztodes zu verhindern. Als blutdrucksenkend erwiesen hat sich v. a. moderates Ausdauertraining. Entgegen der früheren Meinung, dass nur Sportarten mit konstantem Puls geeignet sind, wird heute auch Krafttraining empfohlen, sofern der Blutdruck in Ruhe gut eingestellt ist. Es ist stets darauf zu achten, nicht mit Pressatmung zu trainieren und Spitzen über 180 mm Hg zu verhindern. 

Die geeigneten Sportarten sollten je nach körperlichen Voraussetzungen und individuellen Vorlieben der Person ausgewählt werden. Um zu hohe Pulsbereiche und eine Überlastung der Gelenke zu vermeiden ist es ratsam, mit kurzen Einheiten von rund 15 Minuten zu starten und die Trainingszeit langsam auf das optimale Maß von ca. 30 bis 45 Minuten pro Tag an fünf bis sechs Tagen pro Woche zu erhöhen.  Bewährte Ausdauersportarten für Herzpatientinnen und -patienten sind u. a. Nordic Walking, Joggen, Wandern, Radfahren, Schwimmen, Skilanglauf, Tanzen und Inlineskaten. Neuere Studien zeigen, dass – je nach Befund und EKG-Ergebnis – durchaus auch Ballspiele und Kampfsportarten in Frage kommen. Unter Blutverdünnertherapie sollten Kontaktsportarten besser gemieden werden, um das Risiko einer Blutung zu verhindern.

Text: Mag. pharm. Magdalena Muralter

Quellen

1   Silbernagl S et al.: Taschenatlas Physiologie 2018. doi:10.1055/b-006–149287
2   Wang, Y et al: Effects of aerobic exercise on lipids and lipoproteins. Lipids Health Dis 2017; 16(5):132
3   Österreichische Diabetes Gesellschaft: ÖDG LEITLINIEN: https://www.oedg.at/oedg_leitlinien.html, abgerufen am 14.5.2022.
4   Kirwan, JP et al.: The essential role of exercise in the management of type 2 diabetes. Cleve Clin J Med 2017; 84:15–21
5   Nascimento LS et al.: Acute and chronic effects of aerobic exercise on blood pressure in resistant hypertension: study protocol for a randomized controlled trial. Trials 2017; 18(1):250

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