Darmkrebsprävention

Der Faktor Ernährung

Mag. pharm. Nina Gludovatz
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Fleischteller © Shutterstock
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Im Zuge dieser Empfehlung wird darauf hingewiesen, dass „zu viel Fleisch von Rind, Schwein, Lamm und Ziege und insbesondere Wurst das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Dickdarmkrebs erhöht“. Da das Kolonkarzinom bei Frauen den zweit- und bei Männern den dritthäufigsten malignen Tumor im deutschsprachigen Raum darstellt, lohnt sich ein genauerer Blick darauf, inwiefern diese Erkrankung und unsere Ernährung zusammenhängen. 

Was Leitlinien empfehlen

Die Hauptrisikofaktoren für das kolorektale Karzinom stellen Keimbahnmutationen, Fälle bei Verwandten vor dem 50. Lebensjahr und chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn dar. Am häufigsten entwickelt sich das Karzinom aus einem Polypen (Adenom), wobei man von einer Latenzzeit von zumindest zehn Jahren ausgeht und somit einen relativ großen Zeitraum zur Früherkennung und Prävention zur Verfügung hat. Das durchschnittliche Manifestationsalter liegt sowohl bei Männern als auch Frauen bei über 70 Jahren, es handelt sich also um eine Erkrankung des Alters. In Studien noch weniger eindeutig geklärt ist das Ausmaß des Einflusses von Noxen wie Alkohol und Rauchen sowie des Lebensstils und der Ernährung. Trotzdem finden sich in der Onkopedia-Leitlinie unter den Risikofaktoren die Punkte ballaststoffarme und fettreiche Nahrung, ein geringer Anteil an Gemüse sowie ein hoher Anteil an rotem Fleisch und verarbeiteten Wurstwaren. Für eine spezifische Empfehlung zur gezielten Prävention reichen die Daten zum aktuellen Zeitpunkt allerdings noch nicht aus.

Die S3-Leitlinie gibt an, dass zur Risikoreduktion die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung befolgt werden und die Ernährung jedenfalls nicht zu einer Gewichtszunahme führen sollte. Den Empfehlungsgrad B erhalten dabei der Konsum von mindestens 30 Gramm Ballaststoffen pro Tag, die Reduktion des Alkoholkonsums sowie die Begrenzung der aufgenommenen Menge von rotem oder verarbeitetem Fleisch, das jedenfalls nicht täglich gegessen werden sollte.

Stichwort Nitrosoverbindungen und Mikrobiom

Wirft man einen Blick auf die wissenschaftliche Basis dieser Empfehlungen, so findet man unterschiedliche Studien und Metaanalysen, die teilweise bereits vor Jahren publiziert wurden. Schon 2005 zeigte eine in JAMA publizierte Kohortenstudie mit fast 150.000 Erwachsenen, dass der langjährige Konsum von viel rotem und verarbeitetem Fleisch zu einem erhöhten Risiko für Rektumkarzinome und Karzinome des distalen Kolons führte. Zurückgeführt wird dieser Effekt einerseits auf Hämeisen, das die Synthese von N-Nitrosoverbindungen und die Bildung von DNA-Addukten in Enterozyten stimuliert. Andererseits können beim Erhitzen von Fleisch auf höhere Temperaturen heterozyklische Amine (HCAs) und polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAHs) entstehen, die mit dem Auftreten von Kolonkarzinomen in Verbindung gebracht werden. Die „International Agency for Research on Cancer“ (IARC) der WHO stufte verarbeitetes Fleisch auf Basis von über 800 epidemiologischen Studien 2018 offiziell als krebserregend und rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen ein.

Speck, Salami, Würste © Shutterstock; bearbeitet von APOVerlag
Verarbeitetes Fleisch (Speck, Salami, Würste) fällt in Gruppe 1 (krebserregend). © Shutterstock; bearbeitet von APOVerlag
Rind, Schaf und Schwein © Shutterstock; bearbeitet von APOVerlag
Rotes Fleisch von Rind, Schaf oder Schwein fällt in Gruppe 2A (vermutlich krebserregend). © Shutterstock; bearbeitet von APOVerlag

Viele der Daten stammten aus Studien zu kolorektalen Karzinomen und die Einstufung soll für Regierungen und Behörden eine Grundlage für Risikoeinstufungen und die Aufklärung der Bevölkerung darstellen. 

Polyp Prevention Trial

Die Basis für Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Ballaststoffaufnahme und dem Darmkrebsrisiko wurde bereits 1971 gelegt, als eine Gruppe um Dr. Denis Burkitt die niedrige Inzidenz von kolorektalen Karzinomen in ländlichen Regionen Ugandas mit der dortigen ballaststoffreichen und fleischarmen Ernährung in Zusammenhang brachte. Unterschiedliche klinische Studien haben seitdem diese Beziehung untersucht und zeigten einen inversen Zusammenhang zwischen der Ballaststoffaufnahme und dem Risiko für kolorektale Karzinome. Einige Studien ergaben jedoch wiederum keine signifikante Risikoreduktion, wie jene, die Patient:innen mit einem erhöhten genetischen Risiko für kolorektale Karzinome untersuchte (Lynch-Syndrom). Auch im sogenannten „Polyp Prevention Trial“ und dessen Follow-up-Studie konnte keine signifikante Wirkung auf das Auftreten von Polypen als Vorstufen von Karzinomen gezeigt werden. Vielmehr wird vermutet, dass eine ballaststoffreiche Ernährung die Entwicklung von Polypen zu Karzinomen beeinflussen kann, jedoch fehlen bisher eindeutige Beweise aus Studien mit größeren Populationen. 

Interaktion mit dem Mikrobiom

Mehrere Faktoren werden als Gründe für den positiven Einfluss von Ballaststoffen postuliert, darunter die Interaktion mit dem Mikrobiom. Ballaststoffe gelten als wichtige bakterielle Energiequelle, durch deren Metabolismus kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat oder Acetat entstehen. Diese sind ein wichtiger Energielieferant für Enterozyten und senken den pH-Wert im Kolon, wodurch die Bildung toxischer Gallensäuremetabolite reduziert werden kann. Zusätzlich konnte vor allem für Butyrat gezeigt werden, dass es im Nukleus von Tumorzellen kumuliert und dort als Apoptosepromotor agiert. Dies liegt vermutlich vor allem am Warburg-Effekt, der beschreibt, dass Tumorzellen Glykolyse statt oxidativer Phosphorylierung zur Energiegewinnung bevorzugen und Butyrat so weniger in deren Mitochondrien und vermehrt in den Nukleus aufgenommen wird. 

Letztlich tragen auch die Wasserbindungskapazität von Ballaststoffen und das erhöhte Stuhlvolumen zur Bindung von Kanzerogenen und deren kürzerer Kontaktzeit mit Mucosazellen bei. Durch eine ballaststoffreichere Ernährung kann außerdem das Risiko für Diabetes mellitus und Adipositas gesenkt werden, beides Risikofaktoren für kolorektale Karzinome. 

Fleisch und Alkohol

In Bezug auf den Alkoholkonsum gibt es bisher keine konkreten Empfehlungen zur Menge, die zur Risikoreduktion maximal aufgenommen werden soll. Eine Metaanalyse von 14 Kohortenstudien ergab jedoch, dass bereits 100 Gramm Alkohol pro Woche unabhängig von der Art des Getränks das Risiko für kolorektale Karzinome um 15 % erhöhte. Chronischer Alkoholkonsum hat bekannterweise vielfältige negative Auswirkungen auf den Körper und gilt als Auslöser und Risikofaktor für diverse Erkrankungen.

Die hierzulande im Schnitt wöchentlich konsumierten 182 Gramm reiner Alkohol über- steigen die von der DGE postulierte maximal tolerierbare Zufuhr von 10 Gramm pro Tag für Frauen und 20 Gramm für Männer. © Shutterstock
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Zum erhöhten Krebsrisiko tragen Ethanolmetabolite – allen voran Acetaldehyd als bekanntes Karzinogen – das Auslösen einer Dysbiose und eine erhöhte intestinale Permeabilität bei, die wiederum Entzündungen und immunologische Reaktionen verursachen.  

Raum für Verbesserung beim Status Quo

Vergleicht man die Empfehlungen aus Leitlinien und Studien mit den Ernährungsgewohnheiten der Österreicher:innen, so fällt eine hohe Diskrepanz auf. Aktuell liegt Österreich mit einem Verzehr von knapp 1,3 kg Fleisch pro Kopf pro Woche, davon 0,88 kg rotes Fleisch, deutlich über diversen Ernährungsempfehlungen. Die genaue Menge der konsumierten Ballaststoffe lässt sich weniger leicht untersuchen, allerdings führt der sinkende Pro-Kopf-Verbrauch von Obst und Gemüse im Jahr 2019 im Vergleich zu 2014 zu der Annahme, dass auch hier die Zielwerte nicht erreicht werden. Wenig überraschend führt Österreich beim Alkoholkonsum die Liste der europäischen Staaten mit an, nur übertroffen von Lettland, Tschechien und Litauen. Die durchschnittlich 11,93 Liter reiner Alkohol pro Jahr ergeben knapp 182 Gramm wöchentlich und übersteigen die von der DGE postulierte maximal tolerierbare Zufuhr von 10 Gramm pro Tag für Frauen und 20 Gramm für Männer.

Darmkrebsfrüherkennung ab 50

Obwohl der tatsächliche Stellenwert der Ernährung für das Risiko kolorektaler Karzinome also noch nicht eindeutig geklärt ist und genetische Prädispositionen eine zentrale Rolle spielen, so ist doch klar, dass der durchschnittliche österreichische Lebensstil in dieser Hinsicht verbesserungswürdig ist. Neben dem ab dem 50. Lebensjahr jährlich kostenlosen Test auf okkultes Blut im Stuhl (FOBT) und der alle zehn Jahre kostenlosen Darmspiegelung sollte also auch die Anpassung der Ernährung propagiert werden. Wie bei zahlreichen anderen Krankheiten liegt der Fokus auf der Reduktion des Fleischkonsums und der Erhöhung des pflanzlichen Anteils der Ernährung, wobei neben potenziell präventiven Effekten jedenfalls keine bekannten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten sind.

Quellen

  • Onkopedia Leitlinie Kolonkarzinom 2024
  • S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom AWMF reg. Nr.  021/007OL  201
  • Chao A. et al.: Meat Consumption and Risk of Colorectal Cancer. JAMA 2005, 293(2):172-182
  • Celiberto F. et al.: Fibres and Colorectal Cancer: Clinical and Molecular Evidence. Int. J. Mol. Sci. 2023, 31;24(17):1350
  • Bouvard V. et al.: Carcinogenicity of consumption of red and processed meat. The Lancet 2015, 16;16:1599-1600

    Weitere Literatur auf Anfrage

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