Karsay beobachtet dabei ein wachsendes Interesse an psychischer Gesundheit. Kritisch merkt sie jedoch an, dass auch Lifestyle-Influencer vermehrt Inhalte zu mentaler Gesundheit teilen, oft primär, weil solche Themen hohe Klickzahlen erzielen.
Karsay vermutet, dass das wachsende Interesse an psychischer Gesundheit durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde. Sie betont, dass die verstärkten Bemühungen in diesem Bereich von großer Bedeutung sind, da sie zur Entstigmatisierung und zu früheren Diagnosen beitragen können.
"Junge Menschen nutzen Social Media, um an Informationen zu kommen", berichtete Karsay. Influencer werden oft als "Role Model" gesehen und auch Ähnlichkeiten mit der Person sind Motive zum Folgen eines Accounts. "Nicht jeder ist ein Experte." Es handle sich auch um ein "Geschäftsmodell" für Influencer, betonte sie.
Laut der Studie geben 30 Prozent der jungen Menschen in Österreich an, bereits ein Produkt für gesundheitliche Zwecke gekauft zu haben, weil es von einem Influencer empfohlen wurde. Karsay betonte: "Ich wünsche mir mehr Regulierung, wenn Influencer über mentale Gesundheit sprechen und Produkte bewerben." Gleichzeitig zeigt sich, dass die Jugend nach wie vor großes Vertrauen in Gesundheitsorganisationen und -personal hat.
Die Unterhaltungsforscherin erkennt auch eine zunehmende "Trivialisierung und Verherrlichung" mentaler Probleme. Sie äußerte: "Es sei irgendwie im Trend, psychische Beschwerden zu haben und ich sehe das als Problem." Laut Karsay scheint es, als hätten nun viele Menschen Burn-out oder Angstzustände, was zu einer Zunahme von Selbstdiagnosen und Überinterpretationen psychischer Beschwerden auf Social Media führt.
Der ungarische EU-Abgeordnete, Mediziner und Influencer András Kulja erklärt in seinen Videos: "Ich betone, dass man sich mehr Informationen einholen und einen Spezialisten kontaktieren sollte. Man kann sich nicht selbst diagnostizieren." Als Arzt ist es ihm zudem wichtig, in seinen Clips über wesentliche Gesundheitsthemen zu sprechen, anstatt sich nur auf "heiße Themen" zu konzentrieren, die online mehr Aufmerksamkeit erregen.
Im vergangenen Jahr gab es allein zu Gesundheitsfragen 300 Milliarden Videoaufrufe auf YouTube, wie Götz Gottschalk, Leiter der Abteilung Gesundheit bei YouTube, berichtete. Er wies darauf hin, dass Ärzte oft nicht die nötige Zeit für ihre Patienten haben, während "die Plattform unlimitiert Zeit" bietet. Die Verbreitung von Falschinformationen während der Pandemie führte dazu, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einbezogen wurde, um Videos von vertrauenswürdigen Quellen entsprechend zu kennzeichnen. Bei der Löschung von Falschinformationen werde priorisiert, was "direkt schädlich" ist. Gottschalk erklärte, dass die Behauptung, die Erde sei flach, eine andere Bedrohung darstelle als etwa der Ratschlag, Süßigkeiten zur Behandlung von Diabetes zu verwenden.
Conor Warren, Gründer von Spark UK, einer von jungen Menschen geführten Organisation für mentale Gesundheit in Großbritannien, betonte: "Man entscheidet selbst, wem man folgt." Der 18-Jährige stellte fest: "Soziale Medien sind hier, um zu bleiben." Er betonte, dass nicht alles negativ sei, sondern es auch viele positive Aspekte gebe. Warren, der selbst unter psychischen Beschwerden litt, erklärte, dass es für ihn schwierig war, direkt mit einem Spezialisten darüber zu sprechen, da er es gewohnt war, über Messaging-Dienste mit seinen Freunden zu kommunizieren. Daher empfiehlt er, Angebote zu fördern, die ohne die üblichen Kommunikationswege auskommen, wie etwa Text-Services zur Unterstützung der psychischen Gesundheit.
APA