Rechtzeitig Vorsorgen

Patientenverfügung

Prof. Dr.

Wolfgang

Völkl

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Eine Patientenverfügung  gilt erst dann, wenn eine Person ihren Willen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausdrücken kann. Zum Zeitpunkt der Errichtung muss die Person freilich entscheidungsfähig sein. © Shutterstock
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Eine Patientenverfügung dient dazu, im Fall der Entscheidungsunfähigkeit bestimmte medizinische Behandlungen im Voraus abzulehnen. Eine Patientenverfügung sichert also letztlich die Selbstbestimmung der Person ab, die sie errichtet. Ob überhaupt eine Patientenverfügung errichtet werden soll, ist also vorweg eine ethische Frage. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, ob er oder sie auf den Verlauf des Lebensendes Einfluss nehmen will oder nicht.

Die Patientenverfügung gilt erst dann, wenn der/die Patient/in seinen/ihren Willen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausdrücken kann. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung muss die betreffende Person freilich entscheidungsfähig sein. Die Patientenverfügung kann jederzeit widerrufen werden, und zwar sowohl ausdrücklich als auch durch anderes Verhalten, das keinen Zweifel daran lässt, dass die Patientenverfügung nicht mehr gelten soll.

Unterschiede: verbindlich oder beachtlich 

An eine verbindliche Patientenverfügung sind Ärzt:innen, Pflegebedienstete, Angehörige und andere in ein Behandlungsgeschehen möglicherweise involvierte Personen (wie z. B. ein/e Erwachsenenvertreter:in) gebunden. Und zwar auch dann, wenn sie damit nicht einverstanden sind und auch dann, wenn dadurch eine lebenserhaltende Behandlung unterbleiben muss. 

Es kann aber auch eine andere als eine verbindliche Patientenverfügung errichtet werden, sie ist jedenfalls beachtlich: Das bedeutet, dass der Arzt/die Ärztin und andere Beteiligte auf die Verfügung und den darin geäußerten Willen des Patienten/der Patientin zwar Bedacht nehmen müssen, daran aber nicht unter allen Umständen gebunden sind. 

Für beide Formen gilt bei der Errichtung Folgendes:

  • Die errichtende Person muss aufgrund ihres psychischen und geistigen Zustands in der Lage sein, den Sinn ihrer Erklärung zu erfassen.

  • Die Verfügung muss ihrem tatsächlichen Willen entsprechen, sie darf nicht Ergebnis einer Täuschung oder einer Drohung oder sonstiger Beeinflussung sein.

  • Auch „sanfter Zwang“ ist verboten. Dies ist auch notwendig, um Missbrauch vorzubeugen. So ist es etwa verboten, die Aufnahme in bestimmte Einrichtungen wie etwa Pflegeheime von der Errichtung oder Unterlassung der Errichtung einer Patientenverfügung abhängig zu machen. 

  • Die errichtende Person kann sich mit der Patientenverfügung nicht über rechtliche Grenzen hinwegsetzen. Vor allem kann dadurch kein Arzt/keine Ärztin zu der in Österreich verbotenen „aktiven direkten Sterbehilfe“ veranlasst werden (Euthanasieverbot). Davon zu unterscheiden ist der assistierte Suizid, dem noch ein Exkurs gewidmet wird

  • Die Wirksamkeit der Patientenverfügung ist abhängig vom Stand der Wissenschaft. Sie verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich der Stand der Wissenschaft mittlerweile erheblich geändert hat. 

Eine Patientenverfügung ist nur dann verbindlich, wenn die abgelehnten medizinischen Behandlungen darin korrekt beschrieben sind oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. 

Wesentliche Kriterien für die Wirksamkeit der verbindlichen Patientenverfügung sind:

  • Ärztliche Aufklärung: Die Patientenverfügung ist nur dann verbindlich, wenn eine Aufklärung der errichtenden Person über die medizinischen Auswirkungen durch einen Arzt/eine Ärztin erfolgte und in der Patientenverfügung dokumentiert und bestätigt ist. In der ärztlichen Bestätigung muss auch angegeben sein, weshalb der Patient/die Patientin die möglichen Folgen seiner/ihrer Erklärung zutreffend einschätzen kann

  • Errichtung vor Notar:in, Rechtsanwält:in, Patientenvertreter:in oder rechtskundigem/r Mitarbeiter:in eines Erwachsenenschutzvereins (letzteres erst nach technischer und personeller Möglichkeit): Dadurch soll sichergestellt werden, dass dem Patienten/der Patientin auch die rechtlichen Auswirkungen der Verfügung von vornherein klar sind und Unklarheiten, Missverständnisse und dergleichen möglichst ausgeschaltet werden. 

Eine Patientenverfügung bleibt nur maximal acht Jahre lang verbindlich. Soll sie darüber hinaus wirksam bleiben, so ist sie zu erneuern bzw. zu verlängern. Als Erneuerung gilt auch eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung einzelner Inhalte, auch dies wieder unter Inanspruchnahme von ärztlicher Aufklärung. Die Rechtsberatung ist aber seit der Gesetzesnovelle 2019 für die Erneuerung der Patientenverfügung nicht mehr zwingend vorgesehen. 

Wird eine verbindliche Patientenverfügung nicht erneuert, so bleibt sie weiter als eine „andere Patientenverfügung“ (iSd §§ 8 ff PatVG) bestehen und somit „beachtlich“. Diese zeitliche Beschränkung tritt aber nicht mehr ein, wenn der Patient/die Patientin mittlerweile seine/ihre Entscheidungsfähigkeit verliert.

Ob eine Patientenverfügung errichtet werden soll, ist eine ethische Frage. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, ob auf den Verlauf des Lebensendes Einfluss genommen werden soll.  © iStock
Ob eine Patientenverfügung errichtet werden soll, ist eine ethische Frage. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, ob auf den Verlauf des Lebensendes Einfluss genommen werden soll. © iStock

Orientierungshilfe

Wenn auch nur eine der besonderen Voraussetzungen für eine verbindliche Patientenverfügung fehlt, so ist sie dennoch beachtlich: Sie ist dann sowohl von den behandelnden Ärzt:innen – wenn z. B. in Notfällen keine Zeit für die gerichtliche Bestellung einer/s Erwachsenenvertreterin/-vertreters besteht – als auch von einer/einem Erwachsenenvertreter:in als Orientierungshilfe für die Ermittlung des Patientenwillens zu berücksichtigen. Der/die Erwachsenen-
vertreter:in hat die Patientenverfügung bei der Entscheidung über die medizinische Behandlung des Betroffenen zu berücksichtigen. Je mehr Kriterien einer verbindlichen Patientenverfügung gegeben sind, umso mehr muss sie beachtet werden, um dem Patientenwillen möglichst zu entsprechen.  

Die Patientenverfügungs-Gesetz-Novelle 2019 sieht die Möglichkeit der Zurverfügungstellung von Patientenverfügungen in ELGA vor. Mit einer noch zu erlassenden Verordnung sollen die Rahmenbedingungen der Umsetzung festgelegt werden.

Jede Patientenverfügung kann auf Wunsch im Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats sowie im Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte registriert werden. Für Krankenanstalten besteht in ganz Österreich die Möglichkeit, Einsicht in das Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats (in Kooperation mit dem österreichischen Roten Kreuz) sowie in das Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte zu nehmen.

Wesentlich für den Patienten/die Patientin ist aber, dass in der Notfallmedizin keine Pflicht des Arztes/der Ärztin besteht, nach einer Patientenverfügung zu suchen! Eine Reanimation im Notfall z. B. kann daher in der Regel mit der Patientenverfügung nicht ausgeschlossen werden.

Ärztliche Beratung hilfreich

So weit die rechtlichen Grundlagen und formellen Voraussetzungen. Ganz wesentlich für die eine Patientenverfügung errichtende Person ist darüber hinaus aber der materielle Inhalt der Verfügung. Im Internet werden zwar einige Formulare für die Errichtung einer Patientenverfügung zur Verfügung gestellt, für den materiellen Inhalt geben sie aber wenig oder keine Anhaltspunkte. Wenn man eine Patientenverfügung errichten möchte, ist man daher – sofern man nicht selbst über Fachwissen verfügt – auf die ärztliche Beratung und Aufklärung angewiesen. 

Für sich selbst ist vorerst die Frage zu beantworten: „Unter welchen Umständen möchte ich nicht weiterleben, wenn es sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten vermeiden lässt?“ Für viele Menschen ist das der Zustand der geistigen Beeinträchtigung, sei es durch degenerative Hirnerkrankung, eine Gehirnverletzung, die die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten schwer beeinträchtigt, apallisches Syndrom oder eine unheilbare tödliche Krankheit. Die Aufzählung ist nur beispielsweise. Viele meinen auch, nicht mehr weiterleben zu wollen, wenn körperliche Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben unmöglich machen und sie auf jegliche Hilfe angewiesen wären. Die Patientenverfügung kann nicht auf alle möglichen Schicksalswendungen Bezug nehmen, aber man kann die Zustände aufnehmen, die man besonders fürchtet und in weiterer Folge nach ärztlicher Beratung jene medizinischen Behandlungen, die das Leben dennoch verlängern würden wie z. B. eine Magensonde zur Ernährung, künstliche Beatmung, Dialyse, Gaben von Blut oder Blutplasma, Antibiotika, aber auch Maßnahmen zur Reanimation, wenn die Patientenverfügung im Zeitpunkt des Eintritts der Notwendigkeit dem ärztlichen und Pflegepersonal bekannt ist. 

Mit der Patientenverfügung kann also eine medizinische Behandlung, die notwendig wäre, um das Leben zu erhalten, abgelehnt werden, eine aktive Beendigung des Lebens wird damit nicht erreicht. Dafür kann in bestimmten Fällen und Einhaltung strenger Regeln der assistierte Suizid infrage kommen, die „Sterbehilfe“. Rechtliche Grundlage dafür ist das Sterbeverfügungsgesetz, das am 1.1.2022 in Kraft getreten ist. Zu diesem Thema wird ein weiterer Artikel erscheinen.

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