Sterbeverfügung

Beihilfe zum Suizid

Prof. Dr.

Wolfgang

Völkl

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Sterbehilfe © iStock/ Jacob Wackerhausen
© iStock/ Jacob Wackerhausen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit seinem Erkenntnis vom 11. 12. 2020 ausgesprochen, dass es verfassungswidrig ist, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, und dass der Straftatbestand des § 78 Strafgesetzbuch der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstößt. 

Es macht nach Auffassung des VfGH keinen Unterschied, ob ein/e Patient:in im Rahmen seiner/ihrer Behandlungshoheit bzw. im Rahmen der Patientenverfügung in Ausübung seines/ihres Selbstbestimmungsrechtes lebensverlängernde oder lebenserhaltende medizinische Maß­nahmen ablehnt oder ob ein/e Suizidwillige/r unter „­Inanspruchnahme eines Dritten in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes sein Leben beenden will, um ein Sterben in der vom Suizidwilligen angestrebten Würde zu ermöglichen. Entscheidend ist vielmehr, dass die jeweilige Entscheidung auf der Grundlage einer freien Selbstbestimmung getroffen wird.“ Der erste Tatbestand des § 78, das Verleiten zum Selbstmord, ist weiterhin aufrecht und daher verboten und mit Strafe bedroht.

Komplexe Regelung

In der Folge erließ der Gesetzgeber mit dem Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) und der Sterbeverfügungspräparate-Verordnung (StVf-Präp-V) eine komplexe Regelung zum assistierten Suizid. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) hat dazu einen Leitfaden herausgegeben, der unter „Die Sterbeverfügung“ (sozialministerium.at) abgerufen werden kann.

Das StVfG regelt, unter welchen Voraussetzungen assistierter Suizid möglich sein soll. Ganz wesentlich ist, dass niemand verpflichtet ist, eine Hilfeleistung zu erbringen, wie etwa die Abgabe des Präparats durch eine Apotheker:in, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken. Zudem darf niemand benachteiligt werden wegen einer solchen Hilfeleistung, einer ärztlichen Aufklärung, der Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung oder wegen einer diesbezüglichen Weigerung.

Die Sterbeverfügung ist höchstpersönlich und kann nur selbst errichtet werden. Sie ist der schriftliche Nachweis dafür, dass sich jemand aus eigenem Willen dauerhaft zu assistiertem Suizid entschlossen hat. 

Die Sterbeverfügung ist im Sterbeverfügungsregister (StVReg) einzutragen, wobei die Meldung bestimmte Daten, darunter auch die Dosierungsanordnung, enthalten muss. Die Daten sind verschlüsselt gespeichert. Zugriffe darauf werden protokolliert und jährlich überprüft. Zugangsberechtigung zum StVReg haben unter anderem Apotheker:innen. 

Voraussetzungen

Die Errichtung einer Sterbeverfügung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich: 

  • volljährig und entscheidungsfähig sein,
  • ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich oder
  • die österreichische Staatsbürgerschaft haben. 
  • Sie muss an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen sie in ihrer gesamten Lebensführung beeinträchtigen oder 
  • bei ihr muss das Vorliegen einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit gegeben sein.
  • Die Krankheit muss einen für die sterbewillige Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen. 

In einer Sterbeverfügung ist der Entschluss der sterbewilligen Person festzuhalten, ihr Leben selbst zu beenden. Sie hat auch die ausdrückliche Erklärung zu enthalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde.

Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat. Der notwendige Inhalt der Aufklärung ist ebenfalls gesetzlich geregelt. Bei Zweifeln an der Entscheidungsfähigkeit ist die Dokumentation der Errichtung abzulehnen.

Verlust oder Diebstahl des Präparats

Im Falle des Verlusts oder Diebstahls des Präparats kann die sterbewillige Person von der dokumentierenden Person verlangen, dass auf einer gültigen Sterbeverfügung oder auf einer aus diesem Anlass neu errichteten Sterbeverfügung vermerkt wird, dass neuerlich ein Präparat ausgefolgt werden kann. Die dokumentierende Person hat diesen Vermerk zu erteilen, wenn kein Zweifel an der Zuverlässigkeit der sterbewilligen Person besteht, und an das Sterbeverfügungsregister zu melden.

In der Sterbeverfügung können auch eine oder mehrere Hilfe leistende Personen angegeben werden. Auf Wunsch der sterbewilligen Person kann die dokumentierende Person auch nach der Errichtung weitere Hilfe leistende Personen in die Sterbeverfügung aufnehmen oder solche Personen streichen. Die Hilfe leistende Person darf aber nicht mit der Person ident sein, die die Aufklärung leistet oder die Sterbeverfügung dokumentiert.

Dokumentierende Person können ein/e Notar:in oder ein/e rechtskundige/r Mitarbeiter:in der Patientenvertretungen sein, vor denen die Sterbeverfügung errichtet wird. Diese haben auch für die Registrierung und Meldung der erforderlichen Daten zu sorgen. 

Gültigkeit

Eine Sterbeverfügung kann wirksam frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Hat eine ärztliche Person bestätigt, dass die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase eingetreten ist, so ist eine Errichtung nach zwei Wochen zulässig. Wird eine Sterbeverfügung nicht innerhalb eines Jahres nach der ­zweiten ärztlichen Aufklärung errichtet, so muss die sterbewillige Person eine neuerliche ärztliche Bestätigung beibringen, die ein Jahr gültig ist.

Die Sterbeverfügung ist schriftlich vor einer dokumentierenden Person zu errichten, nachdem diese die Dokumentation über die ärztliche Aufklärung wiedergegeben hat und über rechtliche Aspekte wie die mögliche Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen belehrt hat. Vorher ist zu überprüfen, ob bereits eine Sterbeverfügung für diese sterbewillige Person errichtet wurde. Ist eine vorher­gehende Sterbeverfügung noch gültig, so muss sie vor Errichtung einer neuen Sterbeverfügung widerrufen werden.

Die Sterbeverfügung ist nur ein Jahr wirksam, sie kann jederzeit widerrufen werden und sie gilt auch dann nicht mehr, wenn die betroffene Person zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll. 

Abgabe

Die sterbewillige Person kann das letale Präparat in einer Apotheke abholen und es dann in einer von ihr gewählten Umgebung zu sich nehmen. Das Präparat darf nur in der in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung samt der erforderlichen Begleitmedikation an die sterbewillige oder eine in der Sterbe­verfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung abgegeben werden. 

Die Abgabe und eine allfällige Zurückgabe sind an das StVReg unter Angabe des Datums, der abgebenden Apotheke und der Identifikationsdaten der abgebenden Person zu melden. Vor der Abgabe hat die/der Apotheker:in die Identität der Person, die das Präparat abholen möchte, anhand eines amtlichen Lichtbildausweises zu überprüfen und durch Einsichtnahme in das StVReg festzustellen, ob für die sterbewillige Person bereits die Abgabe eines Präparats aufgrund der vorgelegten oder einer früheren Sterbeverfügung eingetragen worden ist. 

Wurde bereits ein Präparat abgeben, so ist die Abgabe eines weiteren Präparats nur zulässig, wenn das zuerst abgegebene Präparat gleichzeitig zurückgegeben wird oder die Sterbeverfügung einen Vermerk enthält, dass wegen Verlusts oder Diebstahls des bereits ausgefolgten Präparats neuerlich ein Präparat ausgefolgt werden kann. Die Erteilung des Vermerks muss auch im StVReg gemeldet sein. 

Die sterbewillige Person und die Hilfe leistende Person, der das Präparat ausgefolgt wurde, haben das Präparat gegen eine unbefugte Entnahme zu sichern. Im Fall einer Aufgabe ihres Sterbewillens hat die sterbewillige Person das Präparat bei der Apotheke zurückzugeben. Die/der Apotheker:in hat zurückgegebene Präparate zu entsorgen.

Befindet sich in der Verlassenschaft eines Verstorbenen ein Präparat, so ist dies unverzüglich der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde anzuzeigen. Die Behörde hat die zur Vernichtung erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Gemäß § 11 Abs 6 StVfG kann der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister mit Verordnung

  • andere Präparate als Natrium-Pentobarbital als zulässiges Präparat bestimmen, wenn solche Präparate nach dem Stand der Medizin belastende Begleiterscheinungen für den Patienten/die Patientin minimieren oder wenn die Ver­fügbarkeit von Natrium-Pentobarbital eingeschränkt oder nicht mehr gegeben ist;
  • die Applikationsform und die Dosis, in der das Präparat verlässlich letal wirkt, festlegen;
  • die für die Verträglichkeit des Prä­parats nach dem Stand der Medizin notwendige Begleitmedikation regeln.

In der seit 1.1.2022 geltenden Sterbeverfügungspräparate-Verordnung ist Natrium-Pentobarbital als letales Präparat und Metoclopramid als Begleitmedikation festgelegt. 

Die Österreichische Apothekerkammer hat auf Anfrage die Apotheken in der Nähe der sterbewilligen Person bekannt zu geben, bei denen sie das ­Präparat beziehen kann. 

Werbung verboten, Hinweis erlaubt

Schließlich wird in § 12 StVfG ein Werbeverbot normiert, das jegliche Werbung für eigene oder fremde Hilfe­leistung und/oder Mittel etc., die zum Suizid geeignet sind, untersagt. Es ist auch verboten, sterbewilligen Personen Hilfe zum Suizid anzubieten oder zu leisten, wenn man sich oder Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen. 

Es ist aber ausdrücklich zulässig, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung einer Sterbeverfügung nach diesem Bundesgesetz hinzuweisen. Jedenfalls zulässig ist der Hinweis

  • von ärztlichen Personen und der Österreichischen Ärztekammer darauf, dass sie eine Aufklärung nach § 7 anbieten bzw. wo eine Aufklärung angeboten wird;
  • von dokumentierenden Personen, der Österreichischen Notariatskammer und den Patientenvertretungen darauf, dass sie eine Dokumentation von Sterbeverfügungen vornehmen bzw. wo eine Sterbeverfügung errichtet werden kann, oder
  • von Apotheken und der Österreichischen Apothekerkammer darauf, dass sie ein Präparat unter den Bedingungen des § 11 abgeben bzw. welche Apotheken das Präparat abgeben.



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