
Den Eröffnungsvortrag hielt der international renommierte Forscher Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Leiter des interuniversitären Ignaz Semmelweis Instituts an der MedUni Wien und Professor am Department für Mikrobiologie an der Icahn School of Medicine in New York. Neben den bekannten viralen Erregern respiratorischer Erkrankungen wie SARS-CoV-2, RSV oder Influenza legte der Experte seinen Fokus auch auf das humane Metapneumovirus (hMPV), ein RNA-Virus, das im Jahr 2001 erstmals identifiziert wurde und „vor kurzem durch die Medien geisterte“.
Humanes Metapneumovirus
Wie RSV ist das hMPV eine der dominierenden Ursachen von Infektionen der Atemwege, insbesondere bei Kleinkindern im Winter und im Frühling. In den USA ist es für 5–10 % aller Spitalseinweisungen von Kindern mit Atemwegsinfektionen verantwortlich. Die Seroprävalenz steigt mit dem Alter und erreicht mit ca. 10 Jahren 100 %. „Wir sind also alle schon mit diesem Virus infiziert“, so Krammer. Doch bei Älteren oder Vorerkrankten kann dieses Virus zu Gesundheitsproblemen führen. Mehrere Pharmafirmen forschen gegenwärtig an hMPV-Impfstoffen, vor allem Kombinationsimpfstoffe mit RSV stehen im Zentrum der Forschungsarbeiten.
Kombi-Impfstoffe
Ebenfalls intensiv geforscht wird an mRNA-Impfstoffen gegen Influenza und Kombinationsimpfstoffen gegen Influenza und COVID-19. Bei den Kombinationsimpfstoffen ist die Entwicklung weit fortgeschritten: Drei Pharmafirmen überprüfen derzeit Kombinationsimpfstoffe in Phase-III-Studien und könnten bald Zulassungsanträge stellen. Auch bei den mRNA-Impfstoffen kommt die Forschung gut voran. Die Impfstoffe scheinen bei der Influenza-A-Komponente leichte Vorteile gegenüber traditionellen Impfstoffen zu haben, allerdings ist die Influenza-B-Komponente weniger immunogen.
Generell hätten mRNA-Influenza-Impfstoffe den großen Vorteil, dass die Auswahl der Stämme für die Herstellung erst im Sommer erfolgen müsste (statt im Februar), wodurch die Impfstoffe besser an die zirkulierenden Stämme angepasst werden könnten. Krammer betonte, dass die Influenza-Durchimpfungsrate in den USA bei 60 % liege. Auf die Frage aus dem Auditorium, warum wir hierzulande nicht höhere Durchimpfungsraten erzielen, antwortete der Forscher, ohne zu zögern: „In den USA wird in den Apotheken geimpft! Das geht unkompliziert und schnell.“ Bei den anwesenden Ärzt:innen und Kammerfunktionär:innen stieß diese Antwort sicher nicht auf uneingeschränkte Zustimmung, regte aber hoffentlich zum Nachdenken an.

Masernausbrüche mittels Sequenzierung analysiert
Österreich ist von Masernausbrüchen besonders stark betroffen, betonte Dr. David Springer von der MedUni Wien: „Im letzten Jahr wurden 542 bestätigte Fälle gemeldet, die höchste Zahl seit 2001. Damit belegen wir einen unrühmlichen Platz im europäischen Spitzenfeld.“ Das Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität dient als Referenzzentrale und bestätigt Masernverdachtsfälle mittels PCR, Serologie und Sequenzierung, erklärte der Mediziner: „Das ermöglicht uns, die Ausbrüche besser zu verstehen.“ Insbesondere durch Genotypisierung wurde rasch klar, dass es sich nicht um ein singuläres Ausbruchsgeschehen handelte, sondern um eine hohe Anzahl von unabhängigen Importen. Die meisten führten nur zu wenigen Folgefällen und nur einzelne verursachten größere Ausbrüche: „Eine große Hochzeit in Graz wurde zu einem Superspreader-Event“, wusste der Experte. Bei Wiederauftreten desselben Genotyps kann Whole-Genome-Sequencing helfen, einen Reimport von einer kontinuierlichen Zirkulation zu unterscheiden.
Eine Analyse der Daten zeigte große Immunitätslücken besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen, jedoch keinen besonderen Einfluss der SARS-CoV-2-Pandemie: „Das mediane Alter der Masernkranken lag bei 13 Jahren. 16 % der Erkrankten waren unter 5 und 19 % über 30 Jahre. Die großen Immunitätslücken liegen bei Kindern und jungen Erwachsenen“, lautete die Conclusio von Springer und er forderte: „Es ist unerlässlich, diese bestehenden Immunitätslücken zu schließen, um auch in den kommenden Jahrzehnten eine solide Bevölkerungsimmunität gegen Masern aufrecht zu halten.“
Antibiotika-Resistenzen
Zwischen 1,27 und 5,0 Millionen Menschen sterben jährlich aufgrund von Antibiotika-Resistenzen, errechnete die WHO. „Impfungen sind ein probates Gegenmittel“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien. „Antimikrobielle Resistenz wurde von der WHO unter den größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit und Entwicklung auf dem fünften Platz gereiht“, hob die Expertin hervor. Laut WHO bestehe die Gefahr, dass so häufige Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Tuberkulose, Gonorrhoe oder Salmonellosen nicht mehr einfach behandelt werden könnten.
Direkter und Indirekter Einfluss von Impfungen
„Impfungen haben direkten und indirekten Einfluss auf Antibiotika-Resistenzen“, erläuterte die Vakzinologin. Die direkten Auswirkungen eines breiten Impfschutzes zeigen sich in einer Reduktion bakterieller Infektionen und damit weniger Antibiotika-Verschreibungen. Das kann durch Pneumokokken-, Hämophilus-influenza-B- und Keuchhusten-Impfungen erzielt werden. Der zusätzliche Herdeneffekt von Impfungen wiederum reduziert zudem die Transmissionsrate.
Ein sekundärer Effekt lässt sich durch Impfungen gegen Influenza, Masern-Mumps-Röteln und Rotaviren aufzeigen: „Durch die Influenza-Impfung kommt es zu weniger Sekundärinfektionen wie beispielsweise Lungenentzündungen“, so die Expertin. Der Einfluss der Pneumokokken-Impfung auf Antibiotika-Resistenzen zeigte sich sehr deutlich in jenen Ländern, in denen die 13-valente Pneumokokken-Vakzine breit eingesetzt wurde. Das Auftreten von Resistenzen gegen die am häufigsten verwendeten Antibiotika verminderte sich drastisch: Es waren minus 83 % bei Penicillinen, minus 81 % bei Tetrazyklinen, minus 81 % bei Cephalosporinen und minus 63 % bei den Makrolid-Antibiotika. Eine ähnliche Beobachtung machte man auch bei Hämophilus influenza B: Die Impfung von Säuglingen – in Österreich in der kostenlosen Sechsfach-Impfung im Kinderimpfprogramm enthalten – führte fast zu einem vollständigen Verschwinden resistenter Erregerstämme.

Allerdings müssen die Impfstoffe immer wieder angepasst werden. So ist es in Österreich in den letzten Jahren zu einem Anstieg invasiver Pneumokokken Erkrankungen durch Nicht-Vakzine-Erregertypen gekommen: „2023 wurden 760 Fälle dokumentiert“, so die Expertin. Auch die Pertussis-Inzidenz steigt seit 2014 an, besonders stark mit über 15.000 Fällen im Jahr 2024. Zudem verbreiten sich Erythromycin-resistente Pertussis-Stämme seit 2019 massiv. „Verbesserte Keuchhusten-Impfstoffe sind daher notwendig“, betonte Wiedermann-Schmidt.
Besonders wichtig wären neue Tuberkulose-Impfstoffe. Im Jahr 2022 infizierten sich weltweit rund zehn Millionen Menschen mit TBC, 1,3 Millionen TBC-Kranke starben. Weltweit wird ein massiver Anstieg resistenter und multiresistenter TBC-Erkrankungen registriert. Erst vor kurzem zeigten Ergebnisse einer Schweizer Studie, dass es nur zwei Jahre nach der Etablierung einer wirksamen und leichter durchführbaren Kombi-Therapie durch die WHO bereits erste Anzeichen von Resistenzen gibt. Erfreulicherweise befinden sich in verschiedenen Ländern – speziell aber in Indien mit seiner hohen TBC-Krankheitslast – sieben Tuberkulose-Vakzine in Phase-III-Studien.
Ebenfalls bereits in einer klinischen Studie der Phase-III befindet sich ein 9-valenter Konjugatimpfstoff gegen E. coli-Infektionen. „Diese Keime sind die führende Todesursache unter Antibiotika-resistenten Bakterien und besonders häufige resistente Krankenhauskeime“, hob die Expertin hervor. Gearbeitet wird auch an Impfstoffen gegen Clostridioides difficile, das v. a. ältere und multimorbide Menschen bedroht, sowie gegen β-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe B (GBS), eine Gefahr für Gebärende und Neugeborene.
21-valenter Pneumokokken-Impfstoff
Bisher sind bei den Pneumokokken über hundert Serotypen beschrieben. Die Konjugat-Impfstoffe deckten im Laufe der Zeit ein immer breiteres Spektrum an Serotypen ab und entwickelten sich über einen 10- bzw. 13-valenten Impfstoff weiter zu den aktuell verwendeten 15- und 20-valenten Impfstoffen, unterstrich Dr. Angelika Wagner von der MedUni Wien.
Dabei werden bei Kindern und Erwachsenen de facto die gleichen Impfstoffe verwendet, obwohl ein unterschiedliches Spektrum an Serotypen hauptverantwortlich für invasive Erkrankungen ist.
Dem trägt ein neuer 21-valenter Pneumokokken-Impfstoff Rechnung, der aktuell bei der EMA zur Begutachtung vorliegt. „Der Impfstoff enthält acht Serotypen, die derzeit in keinem lizenzierten Impfstoff enthalten sind und mit Pneumokokken-Erkrankungen bei Erwachsenen assoziiert sind“, erläuterte Wagner. „Großangelegte Phase-III-Studien zeigten, dass der 21-valente-Impfstoff Vorteile für ältere Personen bringt und Pneumokokken-Erkrankungen vermindern kann.“ Am Horizont tauchen aber auch zusätzliche Optionen auf: Pneumokokken-Impfstoffe, die gegen 24 oder 31 Serotypen schützen sollen – und schließlich ist eines der Ziele der Wissenschaft eine universelle Pneumokokken-Vakzine.

Pentavalenter Meningokokken-Impfstoff
Der fünffache Meningokokken-Impfstoff Penbraya® wurde von der EMA bereits im September 2024 für Kinder ab 10 Jahren und Erwachsene zugelassen. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus zwei bereits lizenzierten Impfstoffen, dem ACWY-Impfstoff Nimenrix® und dem Meningokokken-B-Impfstoff Trumenba®. Verimpft wird die Vakzine zwei Mal im Abstand von 6–12 Monaten. Limitierend ist für die Expertin die Tatsache, dass noch keine Daten für < 10-Jährige und > 25-Jährige vorliegen, doch „Penbraya® hat das Potenzial, die Compliance zu verbessern und vor allem die Durchimpfungsraten gegenüber Meningokokken B bei Adoleszenten zu erhöhen“, zeigte sich Wagner überzeugt.
Neue Impfstoffe gegen Chikungunya
Für Reisende neu ist ein möglicher Schutz gegen die Chikungunya-Virus-Infektion, die vor allem in (sub)tropischen Regionen von Aedes-Mücken übertragen wird. Zu Übertragungen und lokalen Ausbrüchen ist es aber in den vergangenen Jahren auch schon in Italien und in Frankreich gekommen. „Nur ein Drittel der Personen, die sich infizieren, haben das Glück, dass sie asymptomatisch bleiben. Der Großteil hingegen bekommt hohes Fieber, möglicherweise ein Exanthem, aber vor allem schwerste Gelenkbeschwerden, die über Monate bis zu Jahre anhalten können.“ Vorwiegend betroffen von der Infektion sind Reisende, die sich sehr lange in Endemiegebieten aufhalten oder immer wieder in Endemiegebiete fahren, vor allem, wenn sie sich während oder kurz nach der Regenzeit dort aufhalten.
Der ein Mal zu verabreichende Lebendimpfstoff Ixchiq® wurde im Juli 2024 in Europa zugelassen. Der österreichische Impfplan empfiehlt die Impfung als Reiseimpfung für Personen, die in betroffene Regionen reisen und älter als 18 Jahre sind, abhängig von dem jeweils an den Destinationen gegebenen Infektionsrisiko. „Die derzeit vorliegenden Zwei-Jahres-Daten zeigen, dass der Impfstoff auch bei älteren Personen hoch immunogen ist. Allerdings ist noch nicht klar, wie lange die Impfung schützt und ob ein Booster nötig sein wird“, erläuterte Wagner auch dessen Limitationen. Noch im Zulassungsverfahren befindet sich ein Chikungunya-Totimpfstoff. Damit könnten die Möglichkeiten für einen Schutz noch breiter werden, da er auch für immunsupprimierte Personen geeignet wäre und ab dem 12. Lebensjahr geimpft werden könnte.
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Der Impftag 2026 findet am 17. Jänner 2026 statt.