Todesursache Nr. 1

Europas Kardiologen wollen EU-Plan gegen Herzkrankheiten

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Kardiologe klärt über Herz auf. © Shutterstock
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Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC), unter der Leitung des Wiener Herzspezialisten Franz Weidinger als Präsident, strebt nach einem EU-weiten Konzept zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Um die Sterblichkeit zu senken, brauchen wir eine ganzheitliche Strategie", erklärte Weidinger gegenüber der APA.

Franz Weidinger hat in den vergangenen zwei Jahren die weltweit größte kardiologische Gesellschaft, die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC), geleitet. Seine Amtszeit endet im kommenden September. Laut der Einschätzung der ESC sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD; Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere Verschlusskrankheit, Herzinsuffizienz etc.) die häufigsten Todesursachen in Europa und verantwortlich für ein Drittel aller Todesfälle auf dem Kontinent. Zwischen den 27 EU-Ländern bestehen weiterhin erhebliche regionale und sozioökonomische Unterschiede. 

Der Kardiologe betont daher die dringende Notwendigkeit eines koordinierten europäischen Plans zur Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit. "Forschung, Innovation und digitale Lösungen sind der Schlüssel, um Lücken in der Versorgung zu schließen. Mit neuen Technologien können wir besser auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen, sei es durch unterstützende Pflege, wirksame Medikamente oder Hilfe bei alltäglichen Problemen. Aber das ist einfach nicht genug." Laut ESC hätte man in den vergangenen zwei Jahren zwar beachtliche Fortschritte gemacht, das Thema auf die europäische Agenda zu setzen, die ganzheitliche Strategie aber fehle noch.

Die weiterhin alarmierenden Daten laut den europäischen Kardiologen: In der EU werden jährlich mehr als fünf Millionen neue Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen diagnostiziert, und fast 53 Millionen Menschen leben mit dieser Krankheit. Die wirtschaftliche Belastung ist enorm. Allein im Jahr 2021 haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen Kosten in Höhe von 282 Milliarden Euro verursacht. Diese Summe übersteigt den gesamten EU-Haushalt um fast hundert Milliarden Euro und entspricht zwei Prozent des europäischen BIP.

"Selbst während der schlimmsten Phase der Covid-19 Pandemie starben mehr Österreicher an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als an Covid-19. Heute machen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich 37 Prozent der Todesfälle bei Frauen und 31 Prozent bei Männern aus. Wir brauchen eine vielschichtige Strategie und einen gemeinsamen Herzgesundheitsplan, um diese Belastung zu bekämpfen", so Weidinger. "Dazu gehören mehr Präventionsarbeit, Aufklärung, Zugang zu Gesundheitsdiensten und laufende Forschung, um Lücken zu schließen und kontinuierliche Innovation zu gewährleisten."

Es besteht auch eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den Investitionen in klinische Studien. Der Europäische Verband der Pharmazeutischen Industrien und Verbände (EFPIA) gab an, dass lediglich vier Prozent aller klinischen Studien, die im Zeitraum 2017 bis 2022 begonnen wurden, auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgerichtet waren. Zum Vergleich: 24 Prozent der Studien betrafen die Krebsforschung und zwölf Prozent den Bereich der Infektionskrankheiten. Im Jahr 2021 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) unter insgesamt 92 positiven Stellungnahmen zu neuen Medikamenten nur drei neue Arzneimittel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugelassen. Im Jahr 2023 erhielt sogar nur ein einziges neues Medikament eine positive Stellungnahme der EMA.

"Die Investitionen in Innovationen, die eine personalisierte Präzisionsmedizin ermöglichen könnten, die bei Krebs so gut funktioniert, sind einfach nicht vorhanden. Das ist ein riesiges Ungleichgewicht, wenn man bedenkt, wie stark unsere Gesellschaft von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen ist", sagte Weidinger, der weiterhin regelmäßig CVD-Patienten an der kardiologischen Abteilung der Klinik Landstraße in Wien betreut. Dort trifft er auch viele Menschen, die von der qualitativ hochwertigen kardiologischen Versorgung in Wien und Österreich profitiert haben und wieder ein stabiles Leben mit guter Lebensqualität führen können.

Als eine seiner letzten Amtshandlungen als ESC-Präsident wird Weidinger im Juli dieses Jahres auf einer hochrangigen Konferenz in Budapest vor Vertretern von Gesundheitsministerien aus ganz Europa sprechen. "Ich habe mein gesamtes berufliches Leben mit der Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbracht, aber einen Plan für die Herz-Kreislauf-Gesundheit zu einer nationalen und europäischen Gesundheitspriorität zu machen, würde Millionen von Leben retten. Diese Verantwortung liegt nicht nur bei den Ärzten, sondern bei uns allen", sagte er abschließend.

APA

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