Nährstoffmangel bei Verdauungsbeschwerden

Henne oder Ei?

Mag. Larissa Grünwald
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Täglich 1 bis 2 Gramm der mehrfach ungesättigten Eicosapentaensäure kann Umfang und Schwere der Darmentzündungen reduzieren. © Shutterstock
Täglich 1 bis 2 Gramm der mehrfach ungesättigten Eicosapentaensäure kann Umfang und Schwere der Darmentzündungen reduzieren. © Shutterstock

Die Ursachen für diverse Nährstoffdefizite sind zum einen einseitige Diäten, Appetitlosigkeit und Unverträglichkeiten sowie Beschwerden durch die Nahrungsaufnahme. Zum anderen können durch Schäden an der Darmschleimhaut diverse Resorptionsstörungen auftreten. So ist beispielsweise durch den Verlust an Gallensäure die Aufnahme fettlöslicher Vitamine erschwert und die häufigen Durchfälle gehen mit hohen Nährstoffeinbußen einher. Genauso können chronisch einzunehmende Medikamente die Resorption zusätzlich beeinträchtigen. 

Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen

Zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zählen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, die sich durch akute oder chronische, zum Teil heftige und stetig wiederkehrende Beschwerden im Magen-Darm-Trakt äußern. Die Symptome können bereits in jungen Jahren auftreten und beeinträchtigen die Lebensqualität, die Familienplanung, das soziale Leben sowie die berufliche Situation. Die Schätzungen in Österreich liegen zwischen 40.000 bis 80.000 betroffenen Personen, Tendenz steigend.

Beide Erkrankungen schädigen die Darmwand und können in schweren Fällen zu operativen Eingriffen führen. Spezielle Diäten können die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, wobei medizinisch nicht geklärt ist, ob Ernährungsfaktoren ursächlich an der Krankheitsentstehung beteiligt sind oder als Folgesymptom auftreten. Jedenfalls ist die Funktion des Darms durch die Erkrankung empfindlich eingeschränkt und Defizite an verschiedenen Nährstoffen sind nahezu vorprogrammiert. Ein großes Problem stellen insbesondere der Gewichtsverlust und Wachstumsstörungen bei Kindern dar.

Gastritis durch chronische Medikamenteneinnahme

Magenschmerzen, Völlegefühl und Übelkeit sind die häufigsten Symptome einer Gastritis, die durch eine Entzündung der Magenschleimhaut gekennzeichnet ist. In der Behandlung wird meist auf Protonenpumpenhemmer und Antazida gesetzt, um die ohnehin sensible Schleimhaut vor der Säure zu schützen. Für den akuten Zustand ist dies eine wichtige therapeutische Maßnahme, chronisch eingenommen jedoch ein Teufelskreis, was Beschwerdebild und mögliche Mikronährstoffmängel betrifft. Hier werden besonders häufig Mangelzustände an Vitamin B12, Calcium, Magnesium, Eisen und Zink erkannt. 

Reizdarmsyndrom

Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist die häufigste von Gastroenterolog:innen diagnostizierte Erkrankung im Verdauungstrakt. Das RDS ist eine Störung der Darmmotorik, begleitet von einer Überempfindlichkeit der Darmnerven, was zu heftigen Bauchschmerzen mit Verstopfung oder Durchfällen führen kann. Diese Symptomatik wird häufig mit emotionalen Faktoren in Zusammenhang gebracht und spricht sehr gut auf Änderungen im Lebensstil und der Ernährung an.

Kontinuierliche Erneuerung

Die Darmschleimhaut ist ein schnell proliferierendes Zellsystem, das auf eine kontinuierliche Versorgung mit allen erforderlichen Mikronährstoffen angewiesen ist. Ein Mangel an Mikronährstoffen führt daher zu einer Beeinträchtigung von Struktur und Funktionsfähigkeit der Darmmukosa, was sich in der Entwicklung diverser Folgeerkrankungen wie Osteoporose, Eisenmangelanämie, Hyperhomocysteinämie etc. widerspiegelt. Speziell für die Regeneration der Darmschleimhaut sind die B-Vitamine, Zink und Vitamin A zu empfehlen.

Empfohlene Dosierung:
B-Komplex: 120–150 mg/Tag
Zink: 15–20 mg/Tag
Vitamin A: 800–1.000 µg/Tag

Resorptionsverlust

Besonders betroffen sind die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, die B-Vitamine insbesondere Folsäure und Vitamin B12 sowie ergänzend antioxidative Mikronährstoffe wie Vitamin C, Zink, Selen, Glutathion und sekundäre Pflanzenstoffe. Oxidativer Stress ist neben einer erhöhten Entzündungsaktivität ein wichtiger krankheitsauslösender Faktor bei Darmerkrankungen. Es kommt zu einer verstärkten Bildung und Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine, die den Bedarf an Antioxidantien gerade in den Belastungsphasen stark anhebt. Ein Ausgleich der beschriebenen Defizite ist daher äußerst wichtig. 

Empfohlene Dosierung:
Vitamin C: 200–500 mg/Tag
Vitamin E: 15–30 mg/Tag
Selen: 50 µg/Tag
Glutathion: 100–200 mg/Tag
Flavonoide: 50–100 mg/Tag

Osteoporoseneigung durch CED

Patienten mit CED zeigen häufiger einen Mangel an Vitamin D, K, Magnesium und Calcium, verbunden mit einer niedrigen Knochendichte. Hintergrund sind die teilweise massiven Durchfälle, die zu empfindlichen Resorptionsverlusten und zu einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche und Osteoporose führen. 

Zusätzlich spielt Vitamin D bei der Bildung sogenannter Defensine im Darm eine entscheidende Rolle. Defensine dienen der Abwehr mikrobieller Erreger wie Bakterien, Pilze und Toxine. Patient:innen mit CED zeigen häufig zu niedrige Defensinspiegel und laufen Gefahr, dass Bakterien durch die beeinträchtigte Darmschleimhaut einwandern und Entzündungen auslösen können. 

Empfohlene Dosierung:
Vitamin D: 2.000–4.000 I.E./Tag
Vitamin K2: 75–100 µg/Tag
Magnesium: 300–400 mg/Tag
Calcium: 300–400 mg/Tag

Blutarmut und weitere Folgeschäden

Eine der häufigsten Komplikationen bei CED ist die Anämie. Blutarmut aufgrund von Eisen- und Vitamin-B-Mangel führt oft zu Energiedefiziten und chronischer Müdigkeit. Bei Patient:innen mit entzündlichen Darmerkrankungen ist eine parenterale Verabreichung von Eisen zu erwägen, da orale Eisenpräparate häufig mit Störungen im Magen-Darm-Bereich einhergehen. Auch Zinkmangel findet sich bei rund 50 % der CED-Betroffenen, was mit einer Störung des Immunsystems, Hauterkrankungen und Schleimhautschäden einhergehen kann. 

Empfohlene Dosierung:
Eisen: oral bis zu 20 mg/Tag

Glutamin für raschere Regeneration 

Der Gastrointestinaltrakt zeigt mit Abstand den höchsten Bedarf an der Aminosäure Glutamin. Die Schleimhautzellen nutzen Glutamin als Hauptenergiequelle und profitieren von einer Extraportion Glutamin. So konnte gezeigt werden, dass eine glutaminarme Ernährung mit der Zeit zu einer Atrophie der Schleimhaut und der Darmvilli des Dünndarms führen kann. 

Empfohlene Dosierung:
Glutamin: 2–4 g/Tag 

Omega-3-Fettsäuren und Lecithin 

Omega-3-Fettsäuren sind wichtige Nährstoffe, wenn es um Entzündungshemmung geht. Mit einer täglichen Zufuhr der entzündungshemmenden Eicosapentaensäure können Umfang und Schwere der Entzündung reduziert und Symptome gelindert werden. Auch Lecithin hat sich bei CED gut bewährt. Dieses wird u. a. zur Herstellung von Botenstoffen benötigt und stellt einen wichtigen Bestandteil der Schleimhaut dar. 

Empfohlene Dosierung:
Eicosapentaensäure: 1–2 g/Tag
Lecithin: 1–4 g/Tag

Kurkuma, Beeren, Trauben & Co

Einen ähnlich entzündungshemmenden Effekt zeigen sekundäre Pflanzenstoffe. Durch Studien belegt ist beispielsweise die positive Wirkung von Curcumin bei Morbus Crohn. Auch Polyphenole aus Beeren, Trauben und grünem Tee zeigen ähnlich positive Effekte und reichern sich in höherer Konzentration vor allem in den Darmzellen an.

Empfohlene Dosierung:
Curcumin: 500–1.500 mg/Tag
Grüner Tee Extrakt: 1.000–1.500 mg/Tag

FODMAP-arme Ernährung

Betroffene können ihre Kostform prinzipiell frei wählen, sollten jedoch mögliche Unverträglichkeiten oder Intoleranzen berücksichtigen. Die sogenannte FODMAP-arme Ernährung (FODMAP: fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole, siehe Tabelle 1) hat sich diesbezüglich bewährt. Diese eliminiert schnell vergärende Kohlenhydrate, wie sie etwa in Süßigkeiten, Brot (besonders Weizen), Milchprodukten, Steinobst oder Kohl vorkommen, als mögliche Auslöser oder Trigger der Beschwerden. 

Tabelle 1
Auszug aus FODMAP-Liste
FODMAP-reichFODMAP-arm
reife Bananengrüne Banane
BrombeereHimbeere
MangoKiwi
KarfiolBrokkoli
Rote RübeKürbis
PilzeSalat
FrischkäseCamembert
JoghurtMozzarella
WeizenDinkel
CouscousHirse
SojaKichererbsen
ZuckermaisKartoffeln



Die Low-FODMAP-Ernährung ist eine sogenannte Auslass-Diät. Nicht empfehlenswerte Lebensmittel werden etwa vier bis acht Wochen lang weggelassen. Dazu zählen unter anderem stark fruktosehaltiges Obst und Gemüse, laktosehaltige Milchprodukte, Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und Bohnen und Zuckerersatzstoffe wie Sorbit oder Xylit. Im Anschluss werden die Lebensmittel wieder sukzessive mit ca. drei Tagen Beobachtungszeit in den Speiseplan aufgenommen. Hilfreich ist das Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs.

Quellen

• Cavalcoli F. et al.: Micronutrient deficiencies in patients with chronic atrophic autoimmune gastritis: A review. World J Gastroenterol. 2017 Jan 28; 23(4):563-572
• Zhou Q. et al.: Randomised placebo-controlled trial of dietary glutamine supplements for postinfectious irritable bowel syndrome. Gut. 2019 Jun; 68(6):996-1002 
• Ao M. et al.: High prevalence of vitamin B-12 insufficiency in patients with Crohn's disease. Asia Pac J Clin Nutr. 2017; 26(6):1076-1081
• Lin Y. et al.: Review of the Effects and Mechanism of Curcumin in the Treatment of Inflammatory Bowel Disease. Front Pharmacol. 2022 Jun 20;13:908077
• Ooi S.L. et al.: Probiotics, prebiotics, and low FODMAP diet for irritable bowel syndrome - What is the current evidence? Complement Ther Med. 2019 Apr;43:73-80

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