Stresshormon Cortisol

Der schmale Grat der Balance

Mag. pharm.

Tina

Graßer

,

BSc.

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Cortisolspiegel © iStock
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Cortisol ist für unser alltägliches Dasein lebensnotwendig: Das Hormon, das in der Nebennierenrinde produziert wird, hat vielfältige Aufgaben. In Stresssituationen schaltet unser Körper instinktiv in den sogenannten „Fight-or-Flight-Modus“ und schüttet Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus. Um schnell Energie bereitzustellen, erhöht Cortisol den Blutzuckerspiegel. Das macht uns in belastenden Situationen leistungsfähiger und konzentrierter. Zudem ist es für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich. Ein zu niedriger Cortisolspiegel ist ebenso wenig wünschenswert wie ein zu hoher und kann zu Müdigkeit, Schwäche, Depression, Hypotonie, Gewichtsverlust und Übelkeit führen. 

Problematischer Stress 

Problematisch wird es jedoch, wenn Stress chronisch wird und der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht bleibt. Dies kann zu einer Vielzahl negativer Effekte führen. Aus dem sogenannten positiven Stress (Eustress) wird der negative Stress (Distress). Deshalb sollte das Ziel sein, den Cortisolspiegel in Balance zu halten. Neben psychischem und physischem Stress kann z. B. auch eine Überfunktion der Nebennierenrinde, Schwangerschaft und damit verbundene Hormonumstellung, Suchterkrankung und Unterzuckerung den Cortisolspiegel aus der Balance bringen. Auch eine langfristige Einnahme von Glucocorticoiden oder Morbus Cushing lassen den Cortisolspiegel ansteigen.

Warnsignal Gewichtszunahme

Da Cortisol die Fettspeicherung begünstigt, führt ein hoher Spiegel zu Gewichtszunahme und erschwert die Gewichtsabnahme. Cortisol hat katabole Wirkung: Es fördert die Gluconeogenese durch vermehrten Abbau des Muskeleiweißes und stellt dem Körper dadurch Glucose zur Verfügung. Außerdem verstärkt es die lipolytischen Effekte der Katecholamine, steigert also die Spaltung von Triglyceriden im Fettgewebe. Dabei entsteht Glycerin, das von der Leber abgebaut und ebenfalls für die Gluconeogenese und Fettsäuresynthese verwendet wird.

Werden diese Substanzen nicht durch körperliche Aktivität abgebaut, da der Stress psychischer Natur ist, werden die gewonnenen Energiequellen in Fettzellen gespeichert. Es werden daher Muskeln ab- und Fett – v. a. das viszerale Fett im Bauchbereich – aufgebaut. Zusätzlich kann ein erhöhter Cortisolspiegel den Stoffwechsel verlangsamen und auch durch eine Hemmung der Testosteronproduktion zu einem Abbau der Muskelmasse führen. Gleichzeitig verändert sich durch Stress unser Essverhalten; reagieren wir auf Stress mit übermäßigem Essen, wird das Halten des Wunschgewichtes weiter erschwert.

Schlafstörungen

Durch dauerhaft erhöhtes Cortisol werden wir unruhig und haben schlaflose Nächte. Dies führt in weiterer Folge zu noch mehr Stress. Denn bei Dauerstress flacht der Cortisolspiegel abends nicht ab und erschwert so das Einschlafen, während er morgens zu wenig stark ansteigt, um uns voller Energie in den Tag starten zu lassen. Menschen, die an Schlafmangel leiden, haben in der Regel auch höhere Cortisol-Werte.

Psychoneuroimmunologie

Obwohl Cortisol entzündungshemmend wirkt und akuter Stress das Immunsystem anregt, kann ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel die Immunabwehr schwächen und so die Infektanfälligkeit erhöhen.

Auch Angststörungen, Libidoverlust, Fruchtbarkeitsprobleme durch hormonelle Dysbalance, koronare Herzkrankheiten, Bluthochdruck, erhöhtes Diabetesrisiko, Akne und Konzentrationsprobleme können Folgen eines dauerhaft erhöhten Cortisolspiegels sein.

Zeitpunkt der Probennahme entscheidend

Die Cortisolproduktion unterliegt einem zirkadianen Rhythmus und ist morgens zwischen 6 und 8 Uhr am höchsten, um uns aufzuwecken. Bei einer Blut-, Speichel- oder Urinprobe zur Cortisolspiegelbestimmung sollte deshalb unbedingt der Abnahmezeitpunkt beachtet werden. Es gibt auch die Möglichkeit einer 24-Stunden-Sammelurinuntersuchung.

Strategien zur natürlichen Cortisol-Senkung 

Bewegung in der Natur © iStock
Zeit in der Natur und regelmäßige Bewegung helfen, den Cortisolspiegel zu senken und Stress abzubauen. Schon kurze Spaziergänge im Grünen können das Wohlbefinden deutlich verbessern. © iStock

Kommt ein Kunde/eine Kundin mit dem Wunsch in die Apotheke, Stress zu regulieren bzw. den Cortisolspiegel zu senken, gibt es sowohl einige Lebensstil-Tipps in der Beratung als auch pflanzliche Helfer sowie einige Nahrungsergänzungsmittel, um den erhöhten Stresspegel zu senken.

Effektive Strategien: Stresslevel senken

Lifestyle

  • Meditation sowie Atemübungen, um den Parasympathikus zu aktivieren
  • Abendrituale einbauen, um genug Schlaf zu ermöglichen, da sonst ein 
    Teufelskreis entsteht
  • Leichte körperliche Aktivitäten wie Spazieren, Yoga oder Schwimmen gegenüber HIIT-Work-outs wie Krafttraining oder Laufen bevorzugen
  • Täglich mindestens 20 Minuten in der Natur verbringen
  • Soziale Kontakte pflegen
  • Haustiere können den Cortisolspiegel senken

Ernährung

  • Blutzuckerfreundliches Essen mit niedrigem glykämischen Index verhindert Blutzuckerspitzen und somit Stressspitzen
  • Ballaststoffe helfen dem Körper, den Blutzucker auszugleichen
  • Obst und Gemüse mit Antioxidantien zum Schutz vor oxidativem Stress
  • Proteine und hochwertige Fette helfen, Heißhunger zu vermeiden
  • Kaffee, Alkohol und Tabak meiden
  • Auf genügend Flüssigkeitszufuhr achten

Phytotherapeutika

Passionsblume (Passiflora incarnata)

Wird von der EMA als Mittel zur Linderung von mentalem Stress, leichten nervösen Unruhestörungen und als Schlafhilfe auf Basis des „traditional use“ empfohlen.2 Passionsblumenextrakte greifen am GABA-Kanal an und wirken als GABA-Wiederaufnahmehemmer und somit auch anxiolytisch und sedierend.3 Studien deuten darauf hin, dass Passionsblume die Cortisolausschüttung senken kann. So konnte in einer 2024 veröffentlichen Studie nach 30 Tagen Einnahme eine signifikante Verringerung des Serum-Cortisolspiegels gezeigt werden. Laut EMA werden 0,5–2,0 g der gepulverten Droge ein bis vier Mal täglich empfohlen.

Ashwagandha (Withania somnifera)

In Doppelblindstudien senkte das Adaptogen Ashwaganda sowohl den Serum-Cortisolspiegel als auch das Körpergewicht im Gegensatz zu Placebo.1 Allerdings warnt das dt. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor Ashwaganda: Insbesondere Kinder, Schwangere und Stillende sowie Personen mit einer bestehenden oder früheren Erkrankung der Leber sollten keine Ashwagandha-Präparate einnehmen.

Rosenwurz (Rhodiola rosea)

Wirkt vor allem der stressbedingten Erschöpfung und Müdigkeit entgegen und konnte ebenfalls in Studien zeigen, dass es den erhöhten Cortisolspiegel senken kann.

Lavendel (Lavandula angustifolia)

Die laut EMA auf Basis des „traditional use“ empfohlene Pflanze wies in Studien ähnlich anxiolytische Wirkungen wie Lorazepam auf, ohne einen sedierenden Effekt zu haben, und eignet sich somit optimal für Patient:innen, die unter einer leichten ängstlichen Verstimmung leiden. Angststörungen sind sehr oft mit einem chronisch erhöhten Cortisolspiegel assoziiert.

Nahrungs­ergänzungsmittel

B-Vitamine

Die Vitamine des Vitamin-B-Komplexes sind für Nerven und Psyche relevant. Da der Körper B-Vitamine benötigt, um Stresshormone wir Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin zu bilden, steigt der Bedarf bei Dauerstress an. Die kombinierte Einnahme aller B-Vitamine als Komplex stellt sicher, dass der Körper von den synergistischen Effekten der B-Vitamine profitiert und alle wichtigen Funktionen des Stoffwechsels und der Zellregeneration optimal unterstützt werden.

Omega 3

Essenzielle Fettsäuren konnten den Speichel-Cortisol-Spiegel in Studien senken und Entzündungswerte verbessern.

Vitamin C

In einer 2024 veröffentlichen Studie konnte gezeigt werden, dass eine tägliche Gabe von 1.000 mg Ascorbinsäure über zwei Monate dabei hilft, den Cortisolspiegel bei Patient:innen mit Hypercortisolämie näher an den Normalbereich zu senken.

Magnesium

Magnesiummangel ist häufig mit Stress assoziiert. Hier kann ein Teufelskreis entstehen, da Stress zu Magnesiumverlust führen kann und ein niedriger Magnesiumspiegel Stress zusätzlich verstärken kann.10 In einer Studie an Student:innen wurde der Serum-Cortisol-Spiegel bei einer vierwöchigen Magnesium-Einnahme von 250 mg/Tag signifikant gesenkt.

Probiotika

Unsere Darmflora hängt maßgeblich mit unserem psychischen Wohlbefinden zusammen. Häufig wird von der sogenannten Darm-Hirn-Achse gesprochen, die die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn beschreibt. In Studien konnte gezeigt werden, dass eine längerfristige Einnahme von Probiotika den Speichel-Cortisol-Spiegel senkte.

Quellen

  • Choudhary D, et al.: Body weight management in adults under chronic stress through treatment with Ashwagandha root extract: 
    A double-blind, randomized, placebo-controlled trial. J Evid Based Complement Altern Med 2017; 22(1): 96-106
  • https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/passiflorae-herba
  • Hoffmann C, et al.: Wirkmechanismus der Passionsblume aufgeklärt. Zeitschrift für Phytotherapie 2014; 35: 215–218
  • Harit MK, et al.: A randomized, double-blind, placebo-controlled, 
    clinical study of Passiflora incarnata in participants with stress and sleep problems. Cureus 2024; 16(3):e56530
  • McCabe D, et al.: The impact of essential fatty acid, B vitamins, vitamin C, magnesium and zinc supplementation on stress levels in women: 
    a systematic review. JBI Database System Rev Implement Rep 2017; 15(2): 402-453

Weitere Literatur auf Anfrage

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