Nur keine Angst

Vertrauen Sie der Schlange!

Dr. phil.

Susanne

Krejsa MacManus

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Schon in der Antike machten griechische Ärzte durch Zugabe von Vipernblut, Schlangen- und Krötenfleisch und weiteren Bestandteilen aus ihren Kräutermixturen ein Allheilmittel – das sogenannte Theriak, zu sehen im Grazer Theriak-Museum.1

Schlangenfleisch und Schlangengifte haben ein großes therapeutisches Potenzial, von bakterientötend über zellwachstumshemmend, nervenstimulierend, blutverdünnend bis blutgerinnend. Auch bei der Behandlung von Alzheimer könnten sie einsetzbar sein.

Kwizdas Touristenfluid „Marke Schlange

Die heilende – oder zumindest stärkende – Kraft der Schlange ließ sich auch als Markenname für Arzneimittel nutzen, etwa vom „Touristenfluid Marke Schlange“ der Firma Kwizda, wie der nachfolgende Zeitungsbericht von 1904 zeigt:

„Kraft, Ausdauer und große Leistungsfähigkeit bei anstrengenden Touren erzielen Touristen, Radfahrer und Reiter, wenn dieselben vor und nach der Arbeit Einreibungen der Gliedmaßen mit Kwizdas Fluid ‚Marke Schlange‘ regelmäßig vornehmen. Dieses bewährte Mittel ist eine vortreffliche stärkende Einreibung, welche jede Ermüdung und Schlaffheit der Muskeln rasch behebt und den Körper wieder zu großen Leistungen befähigt. Kwizdas Fluid sollte bei keiner Ausrüstung von Touristen, Radfahrern und Reitern fehlen.“2

Oder so (1897): 

„Nach uns zugegangenen, vollkommen authentischen Berichten wird seit längerer Zeit Kwizda’s Fluid, Marke Schlange, von gewiegten Touristen und Reitern nach und vor anstrengenden Touren mit bedeutendem Erfolge angewendet. Das Kwizda’sche Fluid, Marke Schlange, hat, wie man uns eben mittheilt, die Eigenschaft, die Muskeln des menschlichen Körpers widerstandfähig und ausdauernd zu machen, so daß die größten Strapazen mit Leichtigkeit überwunden werden können. Andererseits verleiht dieses Mittel durch seine Ingredienzien den erschlafften Muskelpartien vollste Wiederbelebung und behebt jede Müdigkeit und jeden von Ueberanstrengung herrührenden Schmerz. Für Fußgeher und Reiter ist dieser, uns von Fachleuten zugekommene Wink gewiß von höchstem Werthe.“3

Die Markengeschichte & Schlangen-Symbolik

Eines der unzähligen Werbeinserate für das beliebte Touristenfluid „Marke Schlange“: Hof- und Staats-Handbuch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie für das Jahr 1901. © Beigestellt
Eines der unzähligen Werbeinserate für das beliebte Touristenfluid „Marke Schlange“: Hof- und Staats-Handbuch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie für das Jahr 1901. © Beigestellt

Warum die Wahl auf den Namen „Schlange“ fiel, lässt sich auch nach längerer Suche im Firmenarchiv nicht mehr beantworten. Laut dem Pharmaziehistoriker Mag. pharm. Franz Biba bestand der Inhalt des Fluids weder aus Schlangengift noch aus Schlangenfleisch, sondern vermutlich aus Aromastoffen von Paprikagewächsen. Die gewerbliche Anmeldung erfolgte am 21. November 1895. Als Markenzeichen ringelte sich eine Schlange um Hygieias Schale und um die Initialen des Herstellers Franz Joseph Kwizda (1827–1888). Obwohl etwa ein Viertel der erwachsenen Menschen in Mitteleuropa behandlungsbedürftige Angst vor Schlangen hat – lateinisch ophidiophob sind, war das Produkt jahrzehnte­lang ein Verkaufshit. Bereits für das Jahr 1896 lassen sich in den historischen Zeitungen und Zeitschriften der ONB-Plattform ANNO 63 Inserate oder Werbeeinschaltungen dazu finden. Die Bandbreite der werblich genützten Medien ist enorm und reicht etwa vom satirisch-humoristischen Volksblatt Kikeriki über das Wr. Salonblatt, das Correspondenz-Blatt für den Katholischen Klerus Österreichs, den Österreichischen Soldatenfreund bis zum Pester Lloyd und der Wiener Zeitung. Für die Jahre 1898 bis 1899 ergibt die Recherche 299 Ergebnisse. Erst ab 1938 reißt die Werbe­tätigkeit ab, nur im Jahr 1953 tauchen noch einmal zwei Werbe­einschaltungen auf.

Schlangengift als Medikament

Echte Schlange gabs hingegen in „Viperin“, einer gegen Schnupfen und Heuschnupfen sehr wirksamen Salbe aus dem Gift der Sandviper (Vipera ammodytes), die der Wiener Arzt Adolf Mechner (1897–1988) entwickelte4 und am 19. Juni 1936 in der Gesellschaft der Ärzte in Wien vorstellte.5

Siegel © Beigestellt
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Adolf Mechners „Vorläufige Mitteilung: Schlangengiftsalbe gegen Schnupfen“ aus dem Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften („Versiegeltes Schreiben“ Nr. 1285 v. 6. Juni 1936).  © Beigestellt
Adolf Mechners „Vorläufige Mitteilung: Schlangengiftsalbe gegen Schnupfen“ aus dem Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften („Versiegeltes Schreiben“ Nr. 1285 v. 6. Juni 1936). © Beigestellt
Der Wiener Arzt Adolf Mechner entwickelte eine sehr wirkungsvolle Schnupfensalbe zum Einreiben auf den Unterarm. © Beigestellt
Der Wiener Arzt Adolf Mechner entwickelte eine sehr wirkungsvolle Schnupfensalbe zum Einreiben auf den Unterarm. © Beigestellt

Sie wurde vom Serotherapeutischen Institut hergestellt und verkauft. In Deutschland und der Tschechoslowakei kam sie als „Serpin“ in den Handel, in Frankreich als „Viperol“. Nach Mechners Flucht nach Kuba (1938) wurde die Salbe von den Laboratorios Vieta-Plasencia in Havanna hergestellt. Nachdem ihm die Weiterreise nach USA gelungen war, forschte er im Labor der Firma Hofmann-La Roche in Jersey/USA nach geeigneten lokalen Schlangengiften und der entsprechenden Dosierung, jedoch entschied sich das Unternehmen schließlich gegen die Vermarktung von Viperin und stattdessen für die neu entwickelten Antihistaminika. 

Die Schlange als globales Markenzeichen

Wiederum schlangenlos sind hingegen die „Schlangen“-Produkte der thailändischen Firma British Dispensary6, etwa der kühlende Körperpuder 
„Prickly Heat Cooling Power“, den es seit fast 80 Jahren gibt. Das Markenlogo zeigt eine Schlange, die im Gras sitzt und einen Pfeil im Maul hat. Vermutlich wird einem schon beim Gedanken an die Schlange kalt.

Wer jetzt noch an den therapeutischen Fähigkeiten von Schlangengift zweifelt, sollte einen Blick ins Harry-Potter-Lexikon werfen: „Vipernfleischpulver hat heilende Eigenschaften und wurde in entsprechenden Medikationen der Zaubererschaft verwendet.“7


Autoren: Dr. phil. Susanne Krejsa MacManus & Dr. phil. Martin Stürzlinger

Quellen

  1. https://www.mohren-apotheke.at/museum/
  2. Allgemeine Sportzeitung vom 13. November 1904 (aus ANNO)
  3. Kikeriki vom 8. August 1897 (aus ANNO)
  4. „Versiegeltes Schreiben“, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Zahl 281/1936, Nr 1285
  5. Wiener Klinische Wochenschrift 26/1936, 826.

    Weitere Literatur auf Anfrage

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