Zwar stagnieren die HIV-Neudiagnosen, Betroffene werden aber aufgrund von Unwissenheit diskriminiert und andere sexuell übertragbare Infektionen steigen. Es mangle in Österreich an Prävention und Aufklärung, sagte Mirijam Hall, Vorsitzende der Aids Hilfe Wien.
Während die Raten bei Chlamydien oder Gonorrhoe in ganz Europa und Österreich ansteigen, zeigen aktuelle Zahlen, dass HIV-Neudiagnosen schon länger auf relativ hohem Niveau stagnieren - laut aktueller HIV-Kohortenstudie-Schätzung leben rund 8.400 Personen mit HIV in Österreich. Und auch wenn eine rechtzeitig erkannte HIV-Infektion längst therapierbar ist, ohne dass eine daraus resultierende Aids-Erkrankung ausbricht und die Viruslast stattdessen bis unter die Nachweisbarkeitsgrenze reduziert werden kann, werden Betroffene zum Teil als hochgefährlich eingestuft. Gefordert wurden von der Aids Hilfe Wien daher auch weitere Maßnahmen gegen die Diskriminierung, dazu der Ausbau von Test- und Beratungsangeboten, eine fundiertere Datenerhebung zur Prävention sowie Aufklärungsarbeit, um diese zu stärken.
Unwissenheit macht auch vor Gesundheitspersonal keinen Halt
Die Unwissenheit über Aids und HIV-positive Personen macht dabei auch vor Gesundheitspersonal keinen Halt, so berichtete Hall bei einem Hintergrundgespräch am Montag, dass bei den im Vorjahr gemeldeten Diskriminierungen 70 Prozent im Gesundheitswesen stattgefunden haben. "Auch da ist Aufklärungsarbeit vonnöten", sagte die Vorsitzende, denn weder brauche es im Umgang mit Infizierten doppelte Nitril-Handschuhe, noch müsse die ganze Ordination desinfiziert werden, falls diese von einem HIV-Positiven aufgesucht worden sei, "das ist weder sinnhaft, noch im Sinne des Diskriminierungsschutzes". HIV sei in den vergangenen Jahren in der Ausbildung nicht mehr so ein Thema, was das Problem wohl noch verstärke, so Hall. Als Gegenmaßnahme gehe man aber aktiv auf das Gesundheitspersonal zu oder stellt Aufklärungsvideos online.
Aufklärung brauche es auch an den Schulen, wie dort auch kostenlose Verhütungsmittel verteilt werden sollten, fordert die Aids Hilfe Wien. In Österreich gibt es vorerst seit Herbst ein derartiges Pilotprojekt in Vorarlberg zur Abgabe. Dieses wurde vom Gesundheitsministerium bei der Vorstellung des Verhütungsberichts im Sommer angekündigt, auf den auch die Aids Hilfe verwies, denn in der Altersgruppe der 14- bis 20-Jährigen gaben dort rund 40 Prozent an, keinerlei Verhütung zu verwenden. Mit ein Grund dafür sei der Mangel an sexualpädagogischer Aufklärung in Österreich. Für Schülerinnen und Schüler könne der Aufklärungsunterricht je nach Standort "zwischen grottig schlecht" und exzellent ausfallen, denn "hier fehlen klare Vorgaben und eine entsprechende Ausbildung für das Lehrpersonal".
"Zentrum für sexuelle Gesundheit" in Wien geplant
All diese Zahlen verdeutlichen den Bedarf an umfassenden Gesundheits- und Beratungsleistungen, der in den kommenden zwei Jahren auch von der Aids Hilfe Wien verstärkt wird. Bis dahin soll die Errichtung eines "Zentrums für sexuelle Gesundheit" am jetzigen Standort in Wien-Mariahilf abgeschlossen sein, "um dringend benötigte Angebote wie Tests, Beratung, Prävention und künftig auch die Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) an einem Ort zu vereinen". Mit dem Zentrum wolle man nicht nur bestehende Lücken schließen, sondern auch einen Raum schaffen,"in dem Menschen Zugang zu den benötigten Ressourcen und Informationen haben, um ihre sexuelle Gesundheit selbstbestimmt zu fördern".
APA