Komplex und einzigartig

Apothekeneinrichtung aus einer neuen Perspektive

Silvana

Strieder

,

MSc MA BSC

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Apotheken sind heute offener gestaltet: Wichtig ist ein einfacher und barrierefreier Zugang zu den Verkaufsflächen und zur Tara. Diese Offizin wurde von Plan B Apo-Design entworfen. © PLAN B ARCHITEKTEN
Apotheken sind heute offener gestaltet: Wichtig ist ein einfacher und barrierefreier Zugang zu den Verkaufsflächen und zur Tara. Diese Offizin wurde von Plan B Apo-Design entworfen. © PLAN B ARCHITEKTEN
Die Schlangenapotheke im zweiten Wiener Gemeindebezirk erstrahlt nach ihrer Neugestaltung durch die Tischlerei Moser in modernem und funktionellem Design. © Paul Eis
Die Schlangenapotheke im zweiten Wiener Gemeindebezirk erstrahlt nach ihrer Neugestaltung durch die Tischlerei Moser in modernem und funktionellem Design. © Paul Eis
In der Apotheke in Kirchbichl (Tirol) dominiert edles Echtholzfurnier in Eiche, gestaltet von der Tischlerei Norer. © Norer Tischlerei GmbH
In der Apotheke in Kirchbichl (Tirol) dominiert edles Echtholzfurnier in Eiche, gestaltet von der Tischlerei Norer. © Norer Tischlerei GmbH
Die neue PVZ-Apotheke im Primärversorgungszentrum in St. Pölten wurde von Klinger Apothekenbau gestaltet. © Klinger Möbelbau Ges.m.b.H. & Co KG
Die neue PVZ-Apotheke im Primärversorgungszentrum in St. Pölten wurde von Klinger Apothekenbau gestaltet. © Klinger Möbelbau Ges.m.b.H. & Co KG

Bei der Apotheken-Einrichtung kam es in den letzten Jahrhunderten zu großen Veränderungen. Unverändert blieben jedoch sowohl das Grundkonzept einer Apotheke als auch die Bedeutung von Holz. Kunsthistoriker und Buchautor Chris van Uffelen erklärt, warum gerade dieses Element noch immer so wichtig ist, und spricht mit uns über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Trends. Ein Planungsbüro und drei Tischlereien erklären Wissenswertes über den Apotheken-Einrichtungsbau.

„Was mich bei Apotheken überrascht hat, waren die verschiedenen Bereiche: Wo dürfen Kund:innen hin und was dürfen sie überhaupt nicht sehen? Das kennt man ansonsten nur von Banken. Das war eine Besonderheit für mich“, erklärt der deutsch-niederländische Architekturhistoriker Chris van Uffelen. Apotheken-Einrichtungen faszinierten ihn so sehr, dass er derzeit bereits an seinem dritten Buch zu diesem Thema schreibt. Die Aufgabe ist auch deshalb so spannend, weil Apotheken sich inzwischen immer mehr Gedanken um Kundengewinnung machen müssen. „Früher hatte man seine Apotheke, da ist man hingegangen, auch wenn sie drei Straßen weiter lag. Inzwischen haben wir auch Online-Apotheken. Der Markt hat sich stark gewandelt. Um diesen veränderten Markt anzusprechen, muss man auch etwas bieten – eine Art Einkaufserlebnis. Das ist allerdings ein Bereich, mit dem diese Art von ‚Shop‘ bisher noch nichts zu tun hatte“, sagt van Uffelen.

Chris van Uffelen, Architekturhistoriker und Buchautor © Beigestellt
Chris van Uffelen, Architekturhistoriker und Buchautor © Beigestellt

Die Entwicklung der Apotheke in Österreich

Aufzeichnungen zufolge gab es im Jahr 1303 die erste „Apotheka“ in Österreich. Im Mittelalter (bis ca. 15. Jahrhundert) prägten Mörser, eine Waage, diverse Holz- und Glasgefäße das Erscheinungsbild der Werkstätte (Offizin).

„Diese tollen historischen Apotheken mit den Holzregalen und den Töpfen, in denen sich irgendetwas verbarg, dem Mörser oder auch den Apothekerschränken – all das ist ein Teil dessen, was kollektiv mit Apotheke verbunden wird“, erklärt van Uffelen. Vieles davon war früher noch weit von dem entfernt, was wir heute unter einer Apotheke verstehen. Trotzdem finden sich historische Gebrauchsgegenstände häufig in modernen Apotheken wieder.

Warum, das erklärt Martina Haring, vom Planungsbüro PLAN B Apo-Design: „Die Wiener Apotheken aus dem Jahr 1320 haben Grundkonzepte gesetzt, die in vielerlei Hinsicht bis heute bewahrt werden, da sie funktional waren und die Sicherheit von Arzneimitteln gewährleisteten. Schon in den mittelalterlichen Apotheken war der Raum so organisiert, dass es separate Bereiche für die Herstellung, Lagerung und Abgabe von Medikamenten gab, was auch heute noch die Grundlage des Apothekendesigns bildet.“ Arzneimittel, die damals bereits in geschlossenen, haltbaren Behältern aufbewahrt wurden, werden auch heute noch luftdicht verpackt und sicher gelagert.

Im Spätmittelalter galt Exotisches als besonders heilkräftig. So waren Apotheken mit diversen Kuriositäten geschmückt – vom Krokodil bis zum Nashorn. © Österreichische Apothekerkammer
Im Spätmittelalter galt Exotisches als besonders heilkräftig. So waren Apotheken mit diversen Kuriositäten geschmückt – vom Krokodil bis zum Nashorn. © Österreichische Apothekerkammer
In späterer Folge wurden die Apotheken immer zweckmäßiger. Die Verkaufsräume wurden schlichter und freundlicher. Apotheker­waage und Rezepturtisch waren aber stets im Zentrum. © Österreichische Apothekerkammer
In späterer Folge wurden die Apotheken immer zweckmäßiger. Die Verkaufsräume wurden schlichter und freundlicher. Apotheker­waage und Rezepturtisch waren aber stets im Zentrum. © Österreichische Apothekerkammer

Van Uffelen dazu: „Oftmals ist die Apotheke ein Traditionsbetrieb. Da halten sich diese Schränke aus Holz nicht nur, sondern werden bewusst wieder neu inszeniert. Wenn es um den Umbau geht, sagen viele, okay, hier haben wir ein ganz tolles historisches Stück, das setzen wir jetzt als Highlight der Einrichtung richtig in Szene.“ Für ihn gehören die Holzschränke und -regale bis heute zur Apotheken-Atmosphäre dazu. Holz ist für ihn ein warmer Baustoff, der zugleich Sicherheit ausstrahlt. „Man fühlt sich gleich heimisch und empfangen.“

Aus diesem Grund spielt Holz für die Wohlfühlatmosphäre in Apotheken bis heute eine wichtige Rolle. „Das und natürlich das Vertrauen ins Personal“, sagt van Uffelen und fügt hinzu: „Bei einer Apotheke möchte ich den menschlichen Kontakt haben, der Kompetenz ausstrahlt. Sonst könnte ich auch gleich in der Online-Apotheke bestellen.“

Zurück zum Handwerk

Ein Trend, der aktuell in die Apotheken zurückkommt, ist die magistrale Zubereitung von Arzneimitteln. „Das wird wieder richtig in Szene gesetzt. Es wird nicht mehr hinter drei Türen im abgeschlossenen Raum gemacht, sondern Kund:innen können dabei zuschauen, wie Pülverchen zerstoßen und Pillen gedreht werden. Die Handwerklichkeit wird gezeigt und das ist ein Trend, der zurückholt, was man mit Apotheke verbindet“, findet van Uffelen. Es geht um Transparenz, aber auch um das Image und das Sichtbarmachen der Kompetenz der Apotheker:innen.

Die Vielfalt des Produktsortiments sieht Martina Haring als eine der größten Veränderungen in der Apothekengeschichte. Damit einhergehend hat sich auch der vordere Bereich der Apotheke weiterentwickelt. „Er ist vielfach zu einem Selbstbedienungsbereich geworden, in dem Kund:innen die Möglichkeit haben, das Angebot selbst zu erkunden. Moderne Technologien wie durchdachte Beleuchtung und fortschrittliche Marketingansätze formen den Raum zusätzlich um und ermöglichen eine effizientere Verwaltung und eine bessere Präsentation der Produkte. Es ist auch wichtig, dass die Wege zu den Produkten und zur Theke intuitiv sind und dass alle Produkte leicht zugänglich und gut beleuchtet sind.“ Früher waren Apotheken oft geschlossener und kompakter. Heute ist alles offener, was den Bewegungsfluss zusätzlich verbessert. Optimale Wege ermöglichen einen einfachen Zugang zu den Verkaufsflächen und zur Tara sowie effizienteres Arbeiten für die Apotheker:innen. Aber auch Barrierefreiheit ist äußerst wichtig. Die Wege müssen z. B. für Rollstuhlfahrer:innen ausreichend breit und frei von Hindernissen sein. „Auch Ablageflächen und Raum für die Abstützung (z. B. für Blindenstöcke) sollten eingeplant werden. Zudem muss auf die Akustik geachtet werden. Eine Verminderung des Nachhalls und die Reduktion von Lärm durch die Ausstattung und Verkleidung sind für Menschen mit Hörverlust oder kognitiven Beeinträchtigungen vorteilhaft“, erklärt Haring.

Während vieles offener und sichtbarer wird, versuchen moderne Apotheken zeitgleich, die Privatsphäre der Kund:innen zu schützen. Van Uffelen: „Es gibt entsprechende Konzepte, in denen Nischen geschaffen werden, wo private Gespräche möglich sind. Im Gesamtraum der Apotheke können hierfür einzelne Zonen abgetrennt werden, beispielsweise durch Bodenbelag oder mit einem Schallschutzvorhang.“

Zum Schutz der Apotheker:innen und Kund:innen sind die coronabedingten Plexiglasscheiben an vielen Taraplätzen geblieben. „Aus hygienischen Gründen verstehe ich das völlig. Im Moment gibt es aber leider noch keine richtig gute Lösung, wie diese Plexiglasscheiben in der Einrichtung eleganter integriert werden könnten.“ Etwas, das beim Element Holz wesentlich einfacher gelingt.

„Sich für Holz zu entscheiden, ist eine Ausdrucksform“, sagt van Uffelen. Es gibt einen Trend in der Architektur, den er gerne in Apotheken sehen würde: Holz mit Oberflächenverkohlung. „Dieses Abflammen ist im Moment ziemlich angesagt. Da bekommt man ein ganz schwarzes Holz. Das wird aseptisch und nahezu unbrennbar – allerdings ist dies etwas, das ich in Apotheken noch nicht gesehen habe.“

Was sagen heimische Tischlereien zu dieser Idee?

Heinrich Auer, Geschäftsführer der Norer Tischlerei und Apothekeneinrichtungsspezialist, erklärt, dass Oberflächenverkohlung bereits immer wieder als Gestaltungsmöglichkeit genutzt wird. „Es ist aber eine sehr aufwendige Handarbeit. Das Holz ist danach recht dunkel und wird nur als dekorative Fläche verwendet, weil es nicht glatt und schwer zu reinigen ist. Alle Hölzer werden für den Gebrauch in der Apotheke immer mit einem mindestens 2-fachen Lackauftrag versehen, meist in matter Ausführung – einfach um das verwendete Holz möglichst lange vor der Abnützung zu schützen.“

Laut Auer geht der Trend vom mit Echtholz furnierten und teils massiven Holz in Richtung fertig beschichtete Dekorspanplatten. „Dies ist hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass Dekorplatten preislich günstiger sind. Der zweite Grund ist der, dass die Oberflächen schon so perfekt gestaltet sind, dass sogar Fachleute zweimal hinschauen müssen, ob es sich nun um Echtholz oder Dekordruck handelt“, erklärt Auer. Vor mehr als 30 Jahren bestand die Einrichtung in Apotheken gänzlich aus Echtholz. Drei Jahrzehnte später werden nur noch 20 bis 30 % in Echtholz furnierter Ausführung gefertigt. 

Mag. Franz Moser, Geschäftsführer der Tischlerei Moser und Gesellschafter der TP3 Architekten, der auf den Apothekenbau spezialisiert ist, betont: „In den letzten Jahren sind in Apotheken und deren Planung mehr Veränderungen passiert als in den hundert Jahren davor. Daher ist eine Veränderung der Situationen in einem Verkaufsraum einer Apotheke ein wichtiges Werkzeug, um mit den wechselnden Anforderungen in unserer Gesellschaft mitzuhalten. Von der Qualität der Ausführung hält eine neue Einrichtung aus Holz nach wie vor mehr als hundert Jahre.“

Was ausschlaggebend für eine Veränderung sein kann, weiß Jürgen Klinger, bereits in der dritten Generation Apothekenbauer: „Meistens ist ein Neu- oder Umbau nicht wegen eines Qualitätsmangels der (Holz-) Einrichtung notwendig, sondern weil neue Konzepte einen Mehrwert für Kund:innen bieten oder ein besseres Arbeiten in der Apotheke ermöglichen. Die Apotheke hat sich gerade in den letzten Jahren stark verändert. Früher war es ein Herstellungsort für Medikamente. In den letzten Jahren wurden der Zusatzverkauf von hoch­wertigen Produkten sowie Test- und Beratungsangebote immer wichtiger. Hier sehen wir großes Potenzial für die Zukunft, um z. B. das Impfen und medizinische Beratungen in die Apotheke zu holen.“ 

Dafür muss laut Architekt Moser aber natürlich auch die passende Infrastruktur mit Beratungsräumen mit Liege, Wasseranschluss und anderem vorhanden sein. Die Planung für eine neue Apotheke ist ein sehr individueller Prozess, denn: „Jede Apotheke ist nicht nur sehr komplex, sondern auch einzigartig. Wie der Mensch, der darin arbeitet.“

In der Schlangenapotheke in Wien ist durch eine komplett neu organisierte Raumabfolge eine großzügige, moderne Apotheke entstanden. © Paul Eis
In der Schlangenapotheke in Wien ist durch eine komplett neu organisierte Raumabfolge eine großzügige, moderne Apotheke entstanden. © Paul Eis
Moderne Offizinkonzepte schaffen Mehrwert durch eine optimierte Frei- und Sichtwahl sowie Zonen für eine diskrete Beratung ­– wie oben in der Apotheke zur Universität in Wien, umgesetzt von der Norer Tischlerei in Völs, gestaltet in Echtholzfurnier heimische Nuss. © Norer Tischlerei GmbH
Moderne Offizinkonzepte schaffen Mehrwert durch eine optimierte Frei- und Sichtwahl sowie Zonen für eine diskrete Beratung ­– wie oben in der Apotheke zur Universität in Wien, umgesetzt von der Norer Tischlerei in Völs, gestaltet in Echtholzfurnier heimis © Norer Tischlerei GmbH
Das Element Holz schafft eine Wohlfühlatmosphäre, die in Kombination mit einem durchdachten Beleuchtungskonzept für ein angenehmes Einkaufserlebnis sorgt. Unten: PVZ-Apotheke in St. Pölten © Klinger Möbelbau Ges.m.b.H. & Co KG
Das Element Holz schafft eine Wohlfühlatmosphäre, die in Kombination mit einem durchdachten Beleuchtungskonzept für ein angenehmes Einkaufserlebnis sorgt. Unten: PVZ-Apotheke in St. Pölten © Klinger Möbelbau Ges.m.b.H. & Co KG
Außenansicht der von Plan B Apo-Design neu gestalteten Apotheke in Lendava (SLO)  © PLAN B ARCHITEKTEN
Außenansicht der von Plan B Apo-Design neu gestalteten Apotheke in Lendava (SLO) © PLAN B ARCHITEKTEN

Trotz technologischer Fortschritte bleiben die zentralen Werte – Sicherheit, Organisation und Nutzbarkeit des Raumes – unverändert. Sie sind seit mehr als 700 Jahren der Schlüssel zur Apothekengestaltung. 

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