Apotheken nehmen eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung ein, die weit über die Abgabe von Arzneimitteln hinausgeht. Im Frühjahr 2024 wurde der Weg für neue Dienstleistungen geebnet – wie beispielsweise Vor-Ort-Testungen von Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin etc. Diskutiert werden zudem weitere versorgungsrelevante Gesundheitsleistungen für die Patient:innen. Die Angebote reichen von umfassenden Medikationsanalysen über die vereinfachte wiederholte Abgabe von Dauermedikamenten, der fachlichen Beratung bei Neuverordnungen (New Medicine Services) bis hin zum Impfen in Apotheken. Wie stehen die Parlamentsparteien dazu? Hier die Antworten der Spitzenkandidat:innen auf unsere Frage.
ÖAZ Mit der Apothekengesetz-Novelle 2024 wurden erste rechtliche Rahmenbedingungen für zusätzliche Dienstleistungen in der Apotheke geschaffen. In welchen Bereichen sehen Sie die größten Potenziale für eine stärkere Einbindung der Apothekerschaft in die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung?
Karl Nehammer (ÖVP) Als Volkspartei ist uns eine starke Einbindung der Apothekerschaft in die Gesundheitsversorgung ein wichtiges Anliegen. Mit der Apothekengesetz-Novelle 2024 konnten durch die Ausweitung der Öffnungszeiten, das Angebot an einfachen Gesundheitstests oder die Verringerung des bürokratischen Aufwands bereits wichtige Verbesserungen in diesem Bereich umgesetzt werden. Apotheken könnten auch vermehrt in die Gesundheitsförderung und Prävention eingebunden werden. Dadurch wird der Zugang zu gesundheitlicher Vorsorge erleichtert und könnte dazu beitragen, die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Ein weiterer Bereich mit hohem Potenzial ist das Medikationsmanagement. Dabei ist die Wechselwirkungskontrolle im Rahmen der e-Medikation ein zentraler Bestandteil. Die Zusammenarbeit mit dem Großhandel bei der Verblisterung wäre eine weitere wichtige Stütze. Schließlich könnten Apotheken eine verstärkte Rolle in der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung übernehmen. In Krisenzeiten könnten Apotheken bei der nationalen Verteilung von Arzneimitteln entscheidend zur Versorgungssicherheit beitragen. Für Spitzennachfragen ist auch die magistrale Zubereitung eine wichtige Stütze. Dies würde nicht nur die Verfügbarkeit von Medikamenten gewährleisten, sondern auch die Resilienz des Gesundheitssystems stärken.
Persönliches
geboren am 18.10.1972, Wien
verheiratet, 2 Kinder
Politische Mandate / Funktionen
seit 2021 Bundeskanzler der Republik Österreich
2020–2021 Bundesminister für Inneres
seit 2022 Bundesparteiobmann der ÖVP
ÖAZ Aufgrund ihrer niederschwelligen und wohnortnahen Verfügbarkeit sind Apotheken geradezu prädestiniert, als eine Art Drehscheibe zu dienen, um den Menschen im Gesundheitssystem Orientierung zu bieten. Wie stehen Sie zu der Idee, Apotheken noch stärker als Erstanlaufstelle bei Gesundheitsfragen zu etablieren? Wie könnte eine optimale Koordination zwischen Apotheker:innen, niedergelassenen Ärzt:innen und Krankenhäusern funktionieren?
Karl Nehammer (ÖVP) Wir unterstützen die Idee, Apotheken noch stärker als Erstanlaufstelle bei Gesundheitsfragen zu etablieren, da sie durch ihre niederschwellige und wohnortnahe Verfügbarkeit optimal geeignet sind, den Menschen im Gesundheitssystem Orientierung zu bieten. Apotheken könnten eine zentrale Rolle dabei spielen, einfache Gesundheitschecks anzubieten und die Bevölkerung über Präventionsmaßnahmen zu informieren. Eine effektive Koordination zwischen Apothekern, niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern ist essenziell, um eine nahtlose Versorgungskette zu gewährleisten. ELGA könnte als zentrale Plattform dienen, auf der Apotheken, Ärzte und Krankenhäuser gemeinsam auf die Gesundheitsdaten der Patienten zugreifen können, um so die Behandlung besser abzustimmen und die Versorgung zu optimieren. Der Ausbau von Online-Tools und Gesundheitshotlines (1450) zur Terminfindung und -vereinbarung, damit die durchschnittliche Wartezeit für Arzttermine deutlich reduziert werden kann, ist dabei ebenfalls von zentraler Bedeutung. Spätestens zwei Stunden nach der Konsultation von 1450 soll ein erster telemedizinischer Kontakt stattfinden. Wenn eine e-Medikation nicht ausreicht, wird ein Termin bei einem niedergelassenen Arzt garantiert.
ÖAZ Wie wichtig ist Ihrer Partei die Weiterentwicklung von Digitalisierung und Telemedizin im Gesundheitswesen? Welche Rolle sehen Sie dabei für Apotheker:innen und wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, um diese Technologien erfolgreich in Österreich zu etablieren und für die Bevölkerung nutzbar zu machen?
Karl Nehammer (ÖVP) Die Weiterentwicklung der Digitalisierung und Telemedizin im Gesundheitswesen ist für unsere Partei von zentraler Bedeutung. Diese Technologien bieten immense Chancen, um das Gesundheitssystem effizienter und zugänglicher zu gestalten. Apotheker sehen wir dabei als wichtige Akteure, die durch ihre Expertise und Nähe zur Bevölkerung eine zentrale Rolle spielen können.
Um diese Technologien erfolgreich in Österreich zu etablieren, sehen wir den größten Handlungsbedarf in der Schaffung einer österreichweit etablierten Patientenlenkung und -information über 1450 sowie in der Weiterentwicklung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) zu einem umfassenden, patientenzentrierten Gesundheitsportal. Der Ausbau von Online-Tools und Gesundheitshotlines (1450) zur Terminfindung und -vereinbarung, damit die durchschnittliche Wartezeit für Arzttermine deutlich reduziert werden kann, ist dabei von zentraler Bedeutung. Dies würde es ermöglichen, die Koordination und Effizienz in der Versorgung deutlich zu verbessern, den Menschen den Weg zum schnellsten und besten Punkt der Versorgung aufzuzeigen und eine unkomplizierte Terminbuchung durchzuführen.