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Lena Schilling

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Lena Schilling © Parlamentsdirektion
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ÖAZ Lieferengpässe sind seit Jahren ein zentrales Thema innerhalb der EU. Das geplante Pharmapaket soll hier Abhilfe schaffen. Wie sehen Sie die aktuelle Problematik und wie wollen Sie die Arzneimittelproduktion in Europa künftig stärken?
LENA SCHILLING Ich bin der Meinung, dass es eine gesamteuropäische Sicht und damit auch europaweite Strategie braucht, um Lieferengpässen bei Arzneimitteln entgegenzuwirken. Gleichzeitig müssen wir für eine bessere und gleiche Verteilung von Pharmazeutika sorgen. Dabei gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die helfen würden. So sollen neue Anreize dafür sorgen, dass Arzneimittel in sämtlichen EU-Ländern zur Verfügung gestellt werden. Es braucht auch Maßnahmen für mehr Transparenz bei der öffentlichen Finanzierung zur Entwicklung von Arzneimitteln. Die Investitionen in Grundlagen- und angewandte Forschung sollten erhöht werden. Das macht uns in Europa auch als Forschungs- und Wirtschaftsstandort noch attraktiver. Um den Arzneimittelengpässen wirksam entgegentreten zu können, sollten wir die Produktion von kritischen Arzneimitteln verstärkt nach Europa zurückholen. Das macht uns auch unabhängiger. Damit uns das gelingt, braucht es z. B. eine EU-weite Liste kritischer Arzneimittel, die Schwachstellen in der Lieferkette müssen identifiziert werden und es braucht konkrete Empfehlungen für Maßnahmen für Unternehmen. Die EMA soll bei der Überprüfung von Arzneimittelengpässen eine stärkere Rolle haben. Zudem soll der Umweltschutz verstärkt werden, wie durch Überprüfung von Umweltrisiken.

ÖAZ Eine EU-weite digitale Patientenakte wird den Bürger:innen die Möglichkeit geben, im Ausland auf ihre Daten zuzugreifen. Die Daten sollen auch in Apotheken gesammelt und für weitere Zwecke wie Forschung, Innovation und Politikgestaltung verwendet werden. Kritiker:innen befürchten einen Missbrauch von Patientendaten. Wie sehen Sie das und wie wichtig ist Ihnen eine Opt-out-Möglichkeit? 
SCHILLING Gerade die COVID-19-Pandemie hat uns auf schmerzliche Art gezeigt, wie wichtig es ist, auf europäischer Ebene eng vernetzt im Gesundheitsbereich zusammenzuarbeiten. Wir positionieren uns daher ganz klar für einen europäischen Health Data Space unter der Voraussetzung, dass alle Datenschutzbedenken ausgeräumt und Missbrauch dieser sensiblen Daten ausgeschlossen werden können. Wir sind der Meinung, dass es eine gemeinsame Datenbank braucht, um besser vor zukünftigen Krisen gewappnet zu sein und den globalen Lebensstil der Europäer:innen zu unterstützen. Österreich setzt sich seit Beginn der Verhandlungen für höchste Standards beim Datenschutz und Wahlfreiheit für Patient:innen in Form eines Opt-outs ein. 

ÖAZ Im Jahr 2023 wurden mehr als 800.000 gefälschte oder illegale Medikamente in Österreich beschlagnahmt. Die Gefahr besteht, dass trotz der hohen Zahl nicht alles lückenlos aufgegriffen werden konnte. Das Problem ist aber kein nationales, sondern besteht im gesamten EU-Raum und trotz der Fälschungsrichtlinie. Wie wollen Sie dagegen vorgehen?
SCHILLING Dass gefälschte Arzneimittel in der legalen Kette in den Verkehr gebracht werden, ist seit 2019 deutlich unwahrscheinlicher geworden. Das liegt an der Einführung der Verpflichtung zur Kennzeichnung jeder Packung mit einer Seriennummer im Rahmen der EU-Fälschungsschutzrichtlinie. Mit 100 %iger Sicherheit kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass trotzdem gefälschte Arzneimittel in den Händen der Patient:innen landen. Das liegt etwa am illegalen Handel im Internet; kriminelle Handlungen laufen eben in der Regel im Dunkeln ab. Da es sich um ein gesamteuropäisches Problem handelt, braucht es auch eine gesamteuropäische Lösung. Weitere Maßnahmen dahingehend sollen durch die neue EU Pharma Legislation getroffen werden. 

ÖAZ Internationale Versandapotheken sorgen mit Dumpingpreisen für Umsatzeinbußen in den Vor-Ort-Apotheken, müssen aber gleichzeitig nicht die gleichen harten Auflagen erfüllen. Das gefährdet Standorte und die Versorgung der Menschen mit Medikamenten. Wie sehen Sie die Problematik?  
SCHILLING Diese Entwicklung sehe ich kritisch. Wir möchten die Apotheken weiterentwickeln und ihnen mehr Kompetenzen zugestehen, da sie über hochausgebildete Mitarbeiter:innen verfügen. Das könnte zum Beispiel die Ausweitung der Beratungsleistung sein. Apotheken könnten aber auch gewisse Analysen und Tests übernehmen und auch das Impfen in den Apotheken ist ein Thema. 

ÖAZ Wie stehen Sie zu einer Ausweitung der Dienstleistungen – wie bspw. dem Impfen oder der Medikationsanalyse – in Apotheken? Beides ist in vielen Ländern der EU bereits erlaubt und Österreich hinkt hier trotz hoher Akzeptanz in der Bevölkerung hinterher. 
SCHILLING Da sind wir klar dafür. Das entspricht auch unserem Ansatz eines niederschwelligen Gesundheitssystems. Damit könnten Arztpraxen entlastet und die Wartezeiten für Patient:innen deutlich verkürzt werden. 

ÖAZ Warum sind Sie bzw. Ihre Partei auf europäischer Ebene die richtige Wahl für Apotheker:innen?  
SCHILLING Die Grünen sind die richtige Wahl für die Apotheker:innen, da wir die Herausforderungen des Gesundheitssystems auf einer ganzheitlichen europäischen Ebene betrachten. Uns ist klar, dass wir die Gesundheitsprobleme, vor denen wir zukünftig stehen werden, nicht alleine bewältigen können. Aus diesem Grund braucht es den European Health Data Space, eine europäische Pharmastrategie mit dem Fokus auf Forschung und marktregulierende Maßnahmen. Nur so kann eine durchgängige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Europäer:innen gewährleistet werden. Die Kompetenzen der Apotheker:innen sollten aus unserer Sicht ausgeweitet werden, denn sie sind eine wesentliche Stütze des Gesundheitssystems. Und das gilt nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa. 

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