NEOS

Dr. Helmut Brandstätter

Artikel drucken
Dr. Helmut Brandstätter © PHOTO-SIMONIS
Dr. Helmut Brandstätter © PHOTO-SIMONIS

ÖAZ Lieferengpässe sind seit Jahren ein zentrales Thema innerhalb der EU. Das geplante Pharmapaket soll hier Abhilfe schaffen. Wie sehen Sie die aktuelle Problematik und wie wollen Sie die Arzneimittelproduktion in Europa künftig stärken?
DR. HELMUT BRANDSTÄTTER Das geplante Pharmapaket hat sehr gute Absichten und in vielen Teilen werden damit auch Schritte gesetzt, die zu einer Verbesserung führen können. Wie so oft reichen Absichten nicht und in einigen Bereichen sind wir auch sehr stark auf die nationale Umsetzung angewiesen, um tatsächlich diese Ziele erreichen zu können. Gerade in Österreich hat die Pharmaproduktion große Herausforderungen. Einerseits die, mit denen alle konfrontiert sind: hohe Lohnnebenkosten, Fachkräftemangel, steigende Produktionskosten. Andererseits braucht gerade die Pharma eine bessere Verbindung zu Forschung und der Studienumsetzung und bessere Rahmenbedingungen für den Verkauf. Es braucht zur Umsetzung des Pharmapakets deshalb auch Strategien zur Ansiedelung und Sicherung von Produktion in Europa, ohne einen Subventionswettlauf zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu befeuern. 

ÖAZ Eine EU-weite digitale Patientenakte wird den Bürger:innen die Möglichkeit geben, im Ausland auf ihre Daten zuzugreifen. Die Daten sollen auch in Apotheken gesammelt und für weitere Zwecke wie Forschung, Innovation und Politikgestaltung verwendet werden. Kritiker:innen befürchten einen Missbrauch von Patientendaten. Wie sehen Sie das und wie wichtig ist Ihnen eine Opt-out-Möglichkeit? 
BRANDSTÄTTER Natürlich sind Daten über den Gesundheitszustand einer Bevölkerung besser nutzbar, wenn die gesamte Bevölkerung abgebildet wird. Österreich bekennt sich aber zu einer Opt-out-Option, daher brauchen Patient:innen vor unfreiwilliger Verwendung keine Angst zu haben. Gesundheitsdaten unterliegen aber ohnehin einem noch strengeren Datenschutz, der durch den EHDS nicht beeinflusst wird. Dahingehend begrüßen wir den EHDS uneingeschränkt.

ÖAZ Im Jahr 2023 wurden mehr als 800.000 gefälschte oder illegale Medikamente in Österreich beschlagnahmt. Die Gefahr besteht, dass trotz der hohen Zahl nicht alles lückenlos aufgegriffen werden konnte. Das Problem ist aber kein nationales, sondern besteht im gesamten EU-Raum und trotz der Fälschungsrichtlinie. Wie wollen Sie dagegen vorgehen?
BRANDSTÄTTER Hier braucht es EU-weite Bemühungen zur Sicherung von Importen, um das Einschleusen von gefälschten Produkten zu verhindern. Die Aufgaben des Zolls sind hier nicht zu unterschätzen und auch der Digital Services Act sollte zu mehr Sicherheit auf Onlineplattformen führen. Diese Vorgaben müssen von den Nationalstaaten bestmöglich umgesetzt werden und auch bei Patient:innen muss das Bewusstsein für gefälschte Medikamente und deren Gefahren verstärkt werden. 

ÖAZ Internationale Versandapotheken sorgen mit Dumpingpreisen für Umsatzeinbußen in den Vor-Ort-Apotheken, müssen aber gleichzeitig nicht die gleichen harten Auflagen erfüllen. Das gefährdet Standorte und die Versorgung der Menschen mit Medikamenten. Wie sehen Sie die Problematik? 
BRANDSTÄTTER Grundsätzlich sind die Auflagen für die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten relativ hoch, diese können Versandapotheken auch gar nicht erfüllen. In tatsächlicher Konkurrenz stehen sie also nur bei rezeptfreien Medikamenten, was in Österreich ohnehin ein sehr viel eingeschränkterer Markt ist als in anderen Ländern. Mit diesem Problem ist der Einzelhandel aufgrund der Warenfreizügigkeit in allen Bereichen konfrontiert.

ÖAZ Wie stehen Sie zu einer Ausweitung der Dienstleistungen – wie bspw. dem Impfen oder der Medikationsanalyse – in Apotheken? Beides ist in vielen Ländern der EU bereits erlaubt. Österreich hinkt hier trotz hoher Akzeptanz in der Bevölkerung hinterher.
BRANDSTÄTTER Wir fordern seit langem die Möglichkeit von Impfen in der Apotheke, weil wir in vielen anderen Ländern sehen, dass das gut funktioniert. Mit der letzten Novelle des Apothekengesetzes wurden zumindest kleine zusätzliche Leistungen ermöglicht, hier fehlen aber teilweise noch Regeln zur Finanzierung. Im Vergleich zu anderen Ländern wird das Potenzial von Apotheken als Ort der Gesundheitsversorgung nicht ausreichend genutzt und das gehört gerade angesichts der Überlastung im Gesundheitssystem geändert.

ÖAZ Warum sind Sie bzw. Ihre Partei auf europäischer Ebene die richtige Wahl für Apotheker:innen? 
BRANDSTÄTTER Weil wir als wirtschaftsorientierte Partei die Interessen der Apotheker gut verstehen und auf Basis unserer Gesundheitspolitik auch für eine vollwertige Anerkennung von Apotheken als Gesundheitseinrichtung einstehen. Dass wir unsere Positionen dahingehend auch konsequent verfolgen, sieht man am Beispiel „Impfen in der Apotheke“ schön, da wir diese Maßnahme als einzige Partei seit Jahren fordern und hartnäckig auf eine Gesetzesänderung hinarbeiten.

Das könnte Sie auch interessieren