Monotherapie bei fortgeschrittenem Blasenkarzinom

Balversa®

Mag. pharm. Dr. Angelika Chlud
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Mit einer Inzidenz von durchschnittlich 1.500 Erkrankten macht das Urothelkarzinom etwa 4 % aller Krebsneuerkrankungen in Österreich aus. Männer sind dreimal öfter als Frauen betroffen. Bei Frauen ist der Blasenkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose jedoch oft bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, was die Behandlungsmöglichkeiten erschwert. Das Karzinom der Blase betrifft in erster Linie Raucher:innen. Ein erhöhtes Risiko haben auch Personen, die viel mit Farben, Lacken und anderen tumorfördernden Substanzen zu tun haben oder chronisch entzündlichen Reizen ausgesetzt sind, bspw. langjährige Dauerkatheterträger:innen.

TYROSINKINASE-INHIBITOR ERDAFITINIB
Das Mittel der Wahl bei neu diagnostiziertem Urothelkarzinom, das bereits fortgeschritten und metastasiert ist, sind drei bis vier Zyklen einer Cisplatin-haltigen Kombinationstherapie. Allerdings kommt diese Therapie bei über der Hälfte aller Erkrankten z. B. aufgrund schwerer Nierenfunktionsstörung nicht infrage. Für diese Patient:innen steht mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Erdafitinib (Balversa®) nun eine neue Therapieoption zur Verfügung.

GENETISCHE VERÄNDERUNG
AN FGFR-3 NÖTIG

Erdafitinib ist ein Pan-Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor (Pan-FGFRTKI), der gezielt an Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren-3 (FGFR3) bindet und deren enzymatische Aktivität blockiert. Dadurch wird ein Signalweg unterbrochen, der das Wachstum und Überleben von Tumorzellen fördert; die Tumorzellen werden in den programmierten Zelltod (Apoptose) geschickt. Der Einsatz von Erdafitinib ist auf Patient:innen beschränkt, bei denen eine FGFR3-Veränderung nachgewiesen wurde. Solche FGFR-Gen-Mutationen treten bei etwa 20 % der fortgeschrittenen oder metastasierten Blasenkrebsfälle und bei rund 36 % der Fälle von Tumoren im oberen Harntrakt auf.

ANWENDUNG UND DOSIERUNG
Erdafitinib, der Wirkstoff von Balversa® (Janssen-Cilag), ist als Monotherapie für Erwachsene mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Urothelkarzinom zugelassen, bei denen eine FGFR-3-Mutation vorliegt und die zuvor mit einem Programmed-Death-Rezeptor 1 (PD-1)- oder Programmed Death-Ligand 1 (PD-L1)-Inhibitor behandelt wurden. Die Anfangsdosis beträgt 8 mg oral einmal täglich. Verändert sich der Serumphosphatspiegel, muss die Dosis angepasst werden. Die Filmtabletten sollen im Ganzen und jeden Tag zur gleichen Zeit eingenommen werden. Während der Therapie dürfen wegen der starken CYP3A4-Hemmung keine Grapefruits/Bitterorangen konsumiert werden.

KURZPROFIL: BALVERSA®

Wirkstoff
Erdafitinib, ein Pan-Fibroblasten-Wachstums-
faktor-Rezeptor (FGFR)-Tyrosinkinase-Inhibitor

Indikation
Monotherapie bei fortgeschrittenem Urothelkarzinom mit bestimmten FGFR3-Genveränderungen nach Vorbehandlung mit einem PD-1- oder PD-L1-Inhibitor.

Darreichungsform: Filmtabletten zu 3, 4 und 5 mg.

Anwendung und Dosierung
Erwachsene nehmen initial 1-mal tgl. 8 mg jeden Tag zur gleichen Zeit, ev. Dosisanpassung je nach Serumphosphatspiegel nach 14–21 Tagen 

Nebenwirkungen
Hyper-/Hypophosphatämie, Magen-/Darm-Erkrankungen, Stomatitis, Mundtrockenheit, Hyperparathyreoidismus, verminderter Appetit, Anämie, palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom, trockene Haut, Alopezie, Nagelerkrankungen, Augenerkrankungen, erhöhte Kreatininwerte im Blut, erhöhte Leberenzymwerte, Nierenerkrankungen, Hyponatriämie. 

Wechselwirkungen
Starke CYP3A4-Induktoren und Grapefruits/
Bitterorangen vermeiden. 

Mind. 6 h Abstand zu sensitiven P-gp-Substraten 
(Colchicin, Digoxin, Dabigatran, Apixaban).

Bei Therapiebeginn Serumphosphatspiegel-
verändernde Substanzen für 14 bis 21 Tage 
vermeiden. Vorsicht ist geboten bei QT-verlängernden Substanzen und hormonellen Kontrazeptiva. Dosisanpassung bei gleichzeitiger Anwendung 
von moderaten CYP2C9- oder starken CYP3A4-
Inhibitoren und moderaten CYP3A4-Induktoren.

Warnhinweise
Unnötige Sonnenexposition, parfümierte 
Produkte und übermäßige Anwendung von Seife und Bädern vermeiden. Auf Anzeichen von Nagel-
toxizität achten. Gute Mundhygiene und Haut-
pflege einhalten. Kontrolle: großes Blutbild, 
Augen, Serumphosphatspiegel.

WARNHINWEISE UND VORSICHTSMASSNAHMEN
Balversa® kann Augenerkrankungen verursachen, regelmäßige Kontrollen sind unabdingbar. Ebenso sind die Patient:innen während der ganzen Behandlung auf Hyper/Hypophosphatämie zu überwachen. Unnötige Sonnenexposition, parfümierte Produkte und übermäßige Anwendung von Seife und Bädern sind zu vermeiden. Auf Anzeichen von Nageltoxizität ist zu achten. Gute Mundhygiene und Hautpflege sind dringend geboten.

WECHSELWIRKUNGEN
Die gleichzeitige Anwendung von Balversa® mit starken CYP3A4-Induktoren wird nicht empfohlen. Bei moderaten CYP3A4-Induktoren sowie bei moderaten CYP2C9- oder starken CYP3A4-Inhibitoren ist eine Dosisanpassung erforderlich. Zu sensitiven P-gp-Substraten wie Colchicin, Digoxin, Dabigatran oder Apixaban sollte ein Einnahmeabstand von mindestens sechs Stunden eingehalten werden. Substanzen, die den Serumphosphatspiegel beeinflussen, sollten in den ersten zwei bis drei Wochen nach Therapiebeginn vermieden werden. Vorsicht ist auch bei QT-verlängernden Substanzen geboten. Die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva kann vermindert sein.

SCHWANGERSCHAFT UND STILLPERIODE
Tierexperimentelle Studien zeigten eine Reproduktionstoxizität. Daher ist eine hochwirksame Kontrazeption (Barrieremethode) für Frauen und Männer bis ein Monat nach Therapieende nötig. Bis zu einem Monat nach Therapieende darf nicht gestillt werden.

NEBENWIRKUNGEN
Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind vielfältig. Am häufigsten traten Hyperphosphatämie, Diarrhoe sowie Stomatitis oder Mundtrockenheit auf. Weitere Nebenwirkungen umfassten Hyperparathyreoidismus, verminderten Appetit, Anämie, das palmar-plantare Erythrodysästhesiesyndrom, trockene Haut, Alopezie, Nagelerkrankungen wie Onycholyse und Paronychie, Augenerkrankungen (z. B. Sehstörungen, Keratitis), erhöhte Kreatininwerte im Blut, erhöhte Leberenzymwerte, Nierenerkrankungen und Hyponatriämie. Nebenwirkungen, die eine Dosisreduktion erforderlich machten, traten bei 60 % der Patient:innen auf. Bei 20 % führten die Nebenwirkungen zum Abbruch der Behandlung.

LEBENSVERLÄNGERUNG UM 4,3 MONATE
In der zulassungsrelevanten, offenen Phase-III-Studie THOR wurden die Patient:innen im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder Erdafitinib oder eine Chemotherapie mit Docetaxel oder Vinflunin. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben, definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zum Tod. Hier zeigte sich Erdafitinib signifikant überlegen: Die Patient:innen überlebten im Median 12,1 Monate, verglichen mit 7,8 Monaten unter Chemotherapie. Sekundäre Endpunkte umfassten die Gesamtansprechrate und das progressionsfreie Überleben. Auch bei diesen Parametern schnitt Erdafitinib besser ab: Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 5,6 Monate (im Vergleich zu 2,7 Monaten unter Chemotherapie), und die Gesamtansprechrate lag bei 35,3 % gegenüber 8,5 %.

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