Influenza

Wiener Forscher wollen Grippe-Impfstoffe verbessern

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Grippe Impfung © Shutterstock
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Sie haben virusähnliche Partikel mit dem zweiten Hauptbestandteil der Virusoberfläche, der Neuraminidase, konstruiert. In einem zahlenmäßig beschränkten Tierversuch schützte die Kandidatvakzine Mäuse vor einer für sie tödlichen Grippe.

"Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass es jährlich noch immer zu einer Milliarde Erkrankungen durch die saisonale Influenza mit drei bis fünf Millionen schweren Verläufen und rund 500.000 Todesfällen kommt. (...) Die Impfung gegen das Influenza-Virus kann das Risiko um 40 bis 60 Prozent verringern, sie beruht auf der (körpereigenen; Anm.) Produktion von neutralisierenden Antikörpern gegen das Influenza-Hämagglutinin (HA), ignoriert aber die Neuraminidase (NA) als wichtiges Ziel an der (Virus-)Oberfläche", schrieben jetzt Leticia Guzman Ruiz vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien und ihre Co-Autoren, unter ihnen der Biotechnologe und Impfstoffforscher Florian Krammer (Icahn School of Medicine/New York), seit kurzem auch Professor für Infektionsmedizin an der MedUni Wien.

Influenza-Viren werden durch ihre beiden Oberflächenproteine - Hämagglutinin (HA oder H) und Neuraminidase (NA oder N) - charakterisiert. Die für Menschen als Krankheitserreger wichtigsten Influenza A-Viren besitzen an der Oberfläche H1 (z.B. A/H1N1), H2, H3, H5 (z.B. H5N1-"Vogelgrippe"), H7 oder H9. Bei der Neuraminidase kommen vor allem N1 und N2 als Varianten vor. Die bisherigen Impfstoffe aus Hühnerembryonen oder aus Zellkulturen werden jedes Jahr nach Empfehlungen der WHO auf die häufigsten Virus-Subtypen (Influenza A) abgestimmt. Derzeit sind in den Vakzinen zwei Hämagglutinin-Antigene (H1 und H3) für A/H1N1 und A/H3N2 enthalten. Den Neuraminidase-Antigenen (N1 und N2 für die beiden genannten Virusstämme; Anm.) widmete man bisher weniger Beachtung.

Die Wiener Wissenschafter produzierten deshalb auf gentechnischem Weg (Insektenzell-Systeme) N2-Antigene auf virusähnlichen Partikeln (VLPs). Solche Partikel - in diesem Fall auf der Basis des HIV-1-Strukturproteins (Gag) - werden seit längerer Zeit für mittlerweile weltweit bereits milliardenfach verwendete Vakzine als Antigenträger benutzt. Ein Beispiel sind die Impfstoffe gegen HPV (Gebärmutterhalskrebs, Genitalwarzen etc.). VLPs mit Antigenen rufen eine im Vergleich zu den Antigenen allein verstärkte Immunantwort mit der Bildung von Antikörpern hervor. Das beruht eben auf ihrem für die Erkennung durch das Immunsystem virusähnlichen "Aussehen".

Im Tierversuch erhielten schließlich Gruppen von je fünf Mäusen zweimal jeweils ein Mikrogramm der N2-VLP-Konstrukte, 0,3 Mikrogramm oder nur lösliches N2, VLPs ohne Neuraminidase an der Oberfläche oder ein gänzlich irrelevantes Protein. Nach vier Wochen erfolgte eine künstliche Infektion mit einem A/H3N2-Grippevirusstamm. "Mäuse, die eine Impfung mit einem Mikrogramm der N2-VLPs erhalten hatten, waren gänzlich vor einer tödlichen Erkrankung geschützt, verloren aber rund 15 Prozent an Körpergewicht", schrieben die Wissenschafter in "Frontiers in Immunology" (https://doi.org/10.3389/fimmu.2024.1425842). Dem gegenüber starben alle Tiere, die nur lösliche N2-Proteine ohne künstliche virusähnliche Partikel erhalten hatten. VLPs mit N2 in geringerer Dosis (0,3 Mikrogramm) pro Impfung überlebten zum größten Teil mit einem größeren Gewichtsverlust. Kleine Nagetiere wie Mäuse oder Frettchen werden seit Jahrzehnten als Modellorganismus für die Influenzaforschung inklusive Impfstoffentwicklung verwendet.

In der Diskussion ihrer Ergebnisse stellen die Wissenschafter fest, dass man in Zukunft jedenfalls für Influenza-Vakzine auch extra Neuraminidase-Proteine oder VLPs mit Neuraminidasen an der Oberfläche verwenden könnte, um eine stärkere Immunantwort zu erzielen. Die Neuraminidase-Antigene verändern sich offenbar auch langsamer als das Hämagglutinin als Hauptantigen der Grippeerreger. Solche Impfstoffe mit einer Antigen-Kombination könnten eventuell länger und breiter wirken. Die ursächlich wirksamen Influenzamedikamente wie Oseltamivir blockieren übrigens die Virus-Neuraminidase.

Bis zur möglichen Anwendung solcher Influenza-Impfstoffe ist allerdings noch ein weiter Weg vom Tierversuch bis zu erfolgreichen klinischen Studien über Wirksamkeit und Verträglichkeit. Seit Jahrzehnten wird an besseren Influenza-Vakzinen geforscht. Ein wirklicher Durchbruch im Vergleich zu den herkömmlichen Vakzinen ist aber bisher ausgeblieben.

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