Rheumatoide Arthritis

Was 2025 in Diagnostik und Therapie wichtig ist

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Für Apotheker:innen ist es daher essenziell, stets auf dem neuesten Wissensstand zu bleiben, um Patient:innen bestmöglich begleiten zu können.

Epidemiologie & Pathogenese

Die Prävalenz der RA bleibt mit etwa 1 % der Bevölkerung bemerkenswert stabil, während andere Autoimmunerkrankungen zunehmen. Betroffen sind vorwiegend Frauen (ca. 2/3 der Fälle). Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, mit leicht ansteigender Inzidenz ab dem 50. Lebensjahr. Bei der Entstehung der RA sind folgende drei Hauptfaktoren von Bedeutung:

• Genetische Prädisposition: Besonders relevant ist das sogenannte „Shared Epitope“ im HLA-DRB1-Gen auf Chromosom 6, das bei etwa einem Drittel der österreichischen Bevölkerung vorkommt.

• Umweltfaktoren: Rauchen erhöht das Risiko für die Entwicklung einer RA drastisch – bei Träger:innen des HLA-Risikotyps um das 20-Fache (!). Auch schlechte Zahnhygiene bzw. Parodontitis stellen bedeutende Risikofaktoren dar.

• Second Hit: Ein zusätzlicher Auslöser, z. B. eine Infektion oder anderer Stressfaktor, der die Immuntoleranz bricht und die Erkrankung manifestieren lässt.

Aktuelle Forschungen zeigen, dass die RA eine extrem heterogene Erkrankung ist. Eine in Nature publizierte Studie identifizierte in Synovialbiopsien von RA-Patient:innen über 77 verschiedene Zelllinien, die an der Entzündungsreaktion beteiligt sind. Dies erklärt, warum Betroffene so unterschiedlich auf Therapien ansprechen und weshalb die Erkrankung verschiedene Verläufe nehmen kann. „Es sind quasi unterschiedliche Voraussetzungen, die alle in derselben Endstrecke, nämlich der Gelenkentzündung, kanalisiert werden.“
Eine Besonderheit der RA ist die sogenannte Citrullinierung – eine post-translationale Modifikation von Proteinen, bei der die Aminosäure Arginin in Citrullin umgewandelt wird. Dieser Prozess ist stark immunogen und wird bei Menschen mit dem genetischen HLA-DRB1-Hintergrund verstärkt ausgelöst.

Diagnostik & Autoantikörper

Die Diagnosestellung erfolgt nach den ACR/EULAR-Klassifikationskriterien aus dem Jahr 2010, die verschiedene Laborparameter, klinische Befunde (Gelenkbeteiligung) und Symptomdauer (+/- 6 Wochen) berücksichtigen. Bei mindestens 6 Punkten gilt eine RA als klassifiziert. Im Labor sind zwei Parameter von besonderer Bedeutung:

• Rheumafaktor (RF): Ein gegen das Fc-Fragment des IgG gerichteter Antikörper (meist IgM), der bei etwa 70 % der RA-Patient:innen positiv ist. Holak bezeichnete die Namensgebung als unglücklich, da der RF keineswegs ein „Schwangerschaftstest für Rheuma“ ist. Er kommt bei vielen anderen Erkrankungen und selbst bei Gesunden mit zunehmendem Alter vor.

• Anti-CCP-Antikörper (ACPA): Antikörper gegen citrullinierte Peptide sind ebenfalls bei ca. 70 % der Patient:innen nachweisbar. Im Gegensatz zum RF sind sie mit einer Spezifität von 90–95 % hochspezifisch für RA.
Seronegative Patient:innen werden oft später diagnostiziert, wobei etwa 15 % einen aggressiven Krankheitsverlauf zeigen. Obwohl es Hinweise auf unterschiedliches therapeutisches Ansprechen gibt, empfehlen die aktuellen EULAR-Guidelines keine unterschiedliche Behandlung.

Das Treat-to-Target-Konzept

Der Treat-to-Target-Ansatz (T2T) hat die Rheumatologie revolutioniert. Dabei wird zu Therapiebeginn ein konkretes Ziel (meist Remission) festgelegt, die Krankheitsaktivität regelmäßig überwacht und die Therapie angepasst, falls das Ziel nicht erreicht wird. Die Wahrscheinlichkeit einer Remission ist mit diesem Konzept signifikant erhöht. Entscheidend sind dabei die Zeitfenster: Nach 3 Monaten sollte eine Besserung eingetreten sein, nach 6 Monaten das Therapieziel erreicht sein – sonst ist ein Therapiewechsel nötig. Die Zieldefinition erfolgt durch „shared decision making“, wobei es hier zwischen Ärzt:innen und Patient:innen oft „Meinungsverschiedenheiten“ gibt. Während Ärzt:innen eine klinische Remission anstreben, haben für Patient:innen eher alltagsbezogene Verbesserungen wie mehr Energie oder wiedergewonnene Aktivitäten (Gartenarbeit, Treppensteigen) höchste Priorität.

Glucocorticoide

Cortison revolutionierte ab 1948 die Rheumatherapie, wird aber heute wesentlich differenzierter eingesetzt. Holak betonte, wie wichtig das Verständnis der Potenzunterschiede sei: Die in der Rheumatologie eingesetzten Präparate (v. a. Prednisolon) haben die 5-fache Potenz des körpereigenen Cortisols. Bei einer Tagesdosis von 7,5 mg Prednisolon wird damit fast die gesamte Tagesproduktion des Körpers (umgerechnet 10–25 mg Cortisol) zusätzlich zugeführt. Das bedeutet, dass zwischen einer 7,5 mg- und einer 5 mg-Dosierung ein enormer Unterschied ist. Selbst kurze Cortison-Stoßtherapien sind nicht harmlos. Studien zeigen ein 4,8-fach erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen im Folgemonat, v. a. in Kombination mit NSAR. Zudem besteht bei Rheumapatient:innen die Gefahr einer Gewöhnung, da die schnelle Schmerzlinderung durch Cortison sie dazu verleiten kann, selbstständig und unkontrolliert auf ihre „Notfallreserven“ zurückzugreifen. Ein reflektierter und verantwortungsvoller Einsatz ist essenziell.

Biologika-Therapien: Vergleichbar effektiv

„Alle Biologika auf dem Markt sind ungefähr gleich effektiv und landen bei derselben Zahl von etwa 40 % Ansprechen“, so Holak. Dass verschiedene Patient:innen auf verschiedene Behandlungen unterschiedlich gut ansprechen, erklärte der Vortragende mit der großen Heterogenität der Erkrankung und betonte, dass bei Therapieversagen ein Wechsel auch innerhalb derselben Wirkstoffklasse sinnvoll sein kann.

Sicherheitsbedenken bei JAK-Inhibitoren?

Die ORAL Surveillance-Studie zeigte bei Hochrisikopatient:innen unter JAK-Inhibitor-Therapie ein erhöhtes Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse, Malignome und venöse Thromboembolien im Vergleich zu TNFα-Inhibitoren. Die EMA bestätigte diese Risiken später als Klasseneffekt aller JAK-Inhibitoren. In Beobachtungsstudien und Registerdaten konnten diese Befunde bisher nicht reproduziert werden. Dennoch gilt die Empfehlung, bei Risikopatient:innen (> 65 Jahre, kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Krebsanamnese, Raucher:innen) JAK-Inhibitoren erst nach Versagen alternativer Therapien einzusetzen (Rote-Hand-Briefe 2022/2023).

Perioperatives Management

Für elektive Eingriffe gibt es klare Empfehlungen zur Medikamentenpause (abh. von der HWZ des Biologikums, Goodman 2022).Der Neustart erfolgt nach Wundschluss, meist mit Nahtentfernung.

Text: OA Dr. Gregor Holak
Leiter der Rheumaambulanz an der Klinik Ottakring, Wien

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