Denn sie treten häufig vielseitiger in Erscheinung als bei somatischen Krankheitsbildern und zeigen oft eine unberechenbare Entwicklung. Teilweise sind sie sogar mit einer erheblichen Gefährdung für das versorgende Personal und die Betroffenen selbst verbunden.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Eine Studie des Uniklinikums Ulm hat erstmals gezeigt, dass es statistisch signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede bei der prähospitalen Behandlung psychiatrischer Notfälle gibt.
Für die retrospektive Kohortenstudie wurden insgesamt 2.882 Protokolle von Notarzteinsätzen mit psychiatrischer Indikation zwischen 2015 bis 2021 analysiert. Die Einsätze wurden kategorisiert und quantifiziert: Rund 47 % der Fälle waren auf eine Intoxikation mit Alkohol oder anderen Drogen zurückzuführen, 17 % auf suizidales Verhalten, 10 % befanden sich in einer psychischen Ausnahmesituation, der Rest zeigte Anzeichen einer motorischen Hyperaktivität, einer Angst- oder Panikstörung bzw. „sonstige psychiatrische Erkrankungen“. Insgesamt 68 % der Notfallpatient:innen wurden nach der notärztlichen Intervention stationär aufgenommen, und von diesen kam ein Fünftel direkt in die psychiatrische Akutbehandlung.
Empathischere Kommunikation von Ärztinnen
Bei der statistischen Auswertung zeigte sich, dass Notärzte in psychiatrischen Notfallsituationen mehr als doppelt so häufig intravenöse Hypnotika verabreicht hatten als ihre weiblichen Kolleginnen. Gerade bei Angst- oder Panikstörungen gelang es den Notärztinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen signifikant häufiger, auf weniger invasive Maßnahmen zurückzugreifen. Während die Notärzte also eher auf die Wirkung einer Spritze setzten, zeigten die Daten, dass die Notärztinnen den Fokus mehr auf eine empathische Patientenansprache legten.
Keine geschlechterbedingten Unterschiede gab es bei der Häufigkeit der Durchsetzung einer indizierten Krankenhausaufnahme gegen den Willen der Patient:innen. Doch die männlichen Notärzte griffen auch dabei häufiger zur Spritze und verabreichten ein Hypnotikum. Solche Maximalinterventionen waren bei den Notärztinnen seltener. Der entscheidende Faktor scheinen dabei die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Kommunikation zu sein. Ärztinnen pflegen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen einen empathischeren Kommunikationsstil. Durch aktives Zuhören und positiven Zuspruch gelingt es ihnen besser, eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung auf Augenhöhe aufzubauen.
Quelle
Schick B et al. Does the gender of emergency physicians have an impact on the prehospital care of psychiatric emergencies? A retrospective cohort analysis. In: BMC Emergency Medicine (2024) 24:201