APOkongress Pörtschach

Den ökologischen Handabdruck erhöhen

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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APOKongress © www.kaerntenphoto.at/ assam
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Es ist sehr tief in der DNA von uns Apotheker:innen verwurzelt, dass wir einen positiven Beitrag zur Gesundheit der Menschen leisten wollen. Eng damit verbunden ist das nachhaltige Handeln“, begrüßte Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi die über 250 Kongressteilnehmer:innen am Freitagnachmittag in Pörtschach. Im Fokus stand dieses Jahr das Thema „Umweltmedizin – im Zeichen des Klimawandels“. 

Geleitet wurde der APOkongress vom Tagungspräsidium, bestehend aus dem Kärtner „Hausherrn“ und Apotheker Mag. pharm. Hans Bachitsch, Präsident der Landesgeschäftsstelle Kärnten, und dem renommierten Umweltmediziner Dr. med. Heinz Fuchsig aus Innsbruck. Ihr genanntes Ziel war es, sich im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung mit den weitreichenden Effekten des Klimawandels auf unsere Gesundheit auseinanderzusetzen. „Wir Apotheker:innen müssen wissen, was hier in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird und uns entsprechend vorbereiten. Und: Wir müssen uns damit beschäftigen, welchen Beitrag wir dabei leisten können, den Klimawandel einzubremsen“, richtete sich Bachitsch in seiner Eröffnungsrede an das Publikum.

Die beiden Tagungspräsidenten Dr. med. Heinz Fuchsig (l.) und Mag. pharm. Hans Bachitsch (r.) im Austausch. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Die beiden Tagungspräsidenten Dr. med. Heinz Fuchsig (l.) und Mag. pharm. Hans Bachitsch (r.) im Austausch. © www.kaerntenphoto.at/ assam

Die Fachvorträge boten den Teilnehmer:innen vielseitige Perspektiven auf die Herausforderungen der Zukunft. „Wir haben ein Programm zusammengestellt, das sicher viele erschütternde und dramatische Themen behandeln wird. Aber wir haben auch darauf geachtet, dass Sie positive Dinge hören werden. Wir wollen, dass Sie am Ende dieser drei Tage mit einem Lächeln nach Hause gehen, das Umweltbewusstsein mitnehmen und erkennen, dass wir viele Chancen haben und vieles in die richtige Richtung geht“, ließ Fuchsig Optimismus spüren. Eines wurde jedenfalls in allen Beiträgen sehr deutlich: Wir müssen jetzt aktiv werden und die Apothekerschaft kann dazu auf vielfältige Weise einen Beitrag leisten. Denn Apotheker:innen genießen großes Vertrauen bei Gesundheitsfragen und haben jeden Tag unzählige Kundenkontakte. Es gehe nicht nur darum, den viel zitierten ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, sondern auch den Handabdruck zu erhöhen, also das Bewusstsein für Umweltthemen zu verstärken und nachhaltige Praktiken zu fördern. 

Beim gemütlichen Cocktailabend auf der Kongressterrasse  bot sich reichlich Gelegenheit zum kollegialen Austausch. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Beim gemütlichen Cocktailabend auf der Kongressterrasse bot sich reichlich Gelegenheit zum kollegialen Austausch. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi eröffnete stellver­tretend für die krankheitsbedingt entschuldigte Präsidentin Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr den Kongress. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi eröffnete stellver­tretend für die krankheitsbedingt entschuldigte Präsidentin Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr den Kongress. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Nach dem Jubiläumskongress vergangenes Jahr in Wien fand der APOkongress dieses Jahr wieder in gewohnter Weise in Pörtschach statt. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Nach dem Jubiläumskongress vergangenes Jahr in Wien fand der APOkongress dieses Jahr wieder in gewohnter Weise in Pörtschach statt. © www.kaerntenphoto.at/ assam

Eine Zusammenfassung ausgewählter Vorträge 

Der Mensch ist teil der Umwelt

 Helga Kromp-Kolb, Wien

Die emeritierte Univ.-Prof. Dr. Dr. hc Helga Kromp-Kolb zählt zu den prominentesten akademischen Klimaforscher:innen Österreichs und brachte es gleich zu Beginn des Kongresses auf den Punkt: „Wir leben auf einem begrenzten Planeten. Von diesem müssen wir einerseits alles gewinnen, was wir zum Leben brauchen – und andererseits muss der Planet auch das, was wir nicht mehr brauchen, irgendwie wieder aufnehmen können.“ Das Ökosystem ist also gleichzeitig Quelle und Senke für unser Leben, wir überfordern es heute aber in sehr vielen Bereichen. Die Gesundheit der Menschheit und die Gesundheit unseres Planeten hängen sehr eng zusammen. „Wenn das ökologische System der Erde krank ist, kann auf Dauer kein gesunder Mensch darin leben“, machte die Expertin deutlich.

Katastrophenszenario: hot house earth

In den vergangenen 800.000 Jahren hat sich das Klima immer wieder zwischen Eiszeiten und Warmzeiten hin und her bewegt. „Derzeit bewegen wir uns jedoch in noch wärmere Temperaturbereiche, und es ist nicht zu erwarten, dass sich diese stabilisieren werden“, so die renommierte Meteorologin. Vielmehr wird es zu selbstverstärkenden Prozessen kommen. Diese werden unter dem Begriff „hot house earth“ zusammengefasst und beschreiben ein potenziell katastrophales Klimaszenario der Zukunft, in welchem die Erwärmung solche Ausmaße erreichen könnte, die nicht mehr mit dem menschlichen Leben vereinbar sind. „Wo genau wir auf diesem Weg stehen, ist jedoch selbst in der Wissenschaft umstritten“, ordnete Kromp-Kolb ein. 

Die Entscheidung, vor der wir heute stehen, ist, ob wir uns bei + 1,5 °C stabilisieren wollen und damit einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft blicken können oder akzeptieren, dass wir in das „hot house earth“ Szenario eintreten (falls dies nicht schon passiert sein sollte). „Die + 1,5 °C werden in den frühen 2030ern überschritten“, prognostizierte Kromp-Kolb. „Wenn wir eine Erderwärmung über diesen Grenzwert verhindern wollen, müssen wir Maßnahmen ergreifen, die in dieser Dekade wirksam werden. 
Das ist schaffbar, wenn die Weltgemeinschaft zusammenhilft“, zeigte sich die Expertin optimistisch.

 Was können wir tun? 

Kurzfristig können und müssen wir uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. Das wird wesentlich sein, da wir die klimatischen Veränderungen nicht mehr rückgängig machen können. Allerdings entspreche das Prinzip „Anpassung“ in etwa der symptomatischen Behandlung mit einem Schmerzmittel, erläuterte die Klimaexpertin der Apothekerschaft. 

Im Bereich Placebo ordnete sie „Geoengineering“ ein. Man versteht darunter verschiedene Maßnahmen zur Klimamanipulation, wie bspw. das Abschirmen der Sonne mittels Spiegel im Weltall oder das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre mit verschiedenen Technologien. „Es führt nichts daran vorbei, dass wir Treibhausgasemissionen reduzieren müssen“, machte sie klar. Bis 2030 müssen wir unsere Emissionen auf die Hälfte reduzieren und bis 2050 bei Netto-Null sein. Österreich will schon 2040 bei Netto-Null sein, und das macht durchaus Sinn. Unsere Ziele sind schon gut, wir müssen sie nur noch umsetzen.“

Wenn wir wollen, dass in den kommenden Jahren etwas passiert, dann brauchen wir politisches Engagement – sowohl auf der zivilgesellschaftlichen Ebene als auch auf der Ebene der Wirtschaftsvertretung, ist Kromp-Kolb überzeugt. © www.kaerntenphoto.at/ assam
Wenn wir wollen, dass in den kommenden Jahren etwas passiert, dann brauchen wir politisches Engagement – sowohl auf der zivilgesellschaftlichen Ebene als auch auf der Ebene der Wirtschaftsvertretung, ist Kromp-Kolb überzeugt. © www.kaerntenphoto.at/ assam

Lebensqualität statt Lebensstandard

„Als Heilung sehe ich, dass wir nicht länger von einer Aufrechterhaltung von Lebensstandards sprechen, sondern Lebensqualität in den Vordergrund stellen. Das kostet wesentlich weniger Ressourcen. Ein gutes und zufriedenes Leben zu führen, ist nicht davon abhängig, wie viele Autos vor der Tür stehen“, so der Vorschlag der Expertin für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft.


Gesundheitsfolgen aus Public Health-Sicht

Der prominente Public Health-Experte OA Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dipl-Ing. Dr. med. Peter Hutter unterstrich ebenfalls die Dringlichkeit des Themas: „Es braucht Druck von unten – von oben wird nichts kommen.“

Public Health-Experte OA Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dipl-Ing. Dr. med. Peter Hutter © APOVERLAG/ Irene Senn
© APOVERLAG/ Irene Senn

Die zukünftige Entwicklung hänge maßgeblich von unserem Handeln ab. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir bis Ende des Jahrhunderts auf etwa + 3 °C“, stellte Hutter in Aussicht. Ein besonders kritischer Punkt seien die sogenannten „Tipping Points“, ab denen irreversible Prozesse einsetzen, wie bspw. kollabierende Eisflächen. „Das große Problem ist, dass niemand weiß, was die Folgen davon sein werden“, so Hutter.

Eine weitere Herausforderung sei die Kommunikation über den Klimawandel: „Es ist alles irrsinnig gut dokumentiert, wir kennen die Kurven und Berichte und trotzdem muss man sich immer erklären. In der Bevölkerung wird die Klimaerwärmung zudem oft mit Wetterereignissen vermischt.“ Diese Missverständnisse müssen klargestellt werden: „Es geht hier um die durchschnittliche Oberflächentemperatur und das hat absolut gar nichts mit der individuellen Wahrnehmung des Wetters zu tun.“

Für viele Bereiche unserer Gesellschaft wird es anstrengend werden, stellte Hutter in Aussicht. Es sei zukünftig vermehrt mit Hitzetagen (> 30 °C) und Wüstentagen (> 35 °C) zu rechnen. Auch Extremwettereignisse wie Überschwemmungen, Vermurungen und Sturmereignisse werden häufiger auftreten – und all das werde uns vor große gesundheitliche Herausforderungen stellen. Dabei sind immer zwei Dinge zu beachten: einerseits die akuten Folgen wie Verletzungen, Todesfälle oder eine eingeschränkte Wasserversorgung – andererseits aber auch die Langzeitfolgen. So hat man beispielsweise gesehen, dass viele Menschen in NÖ noch 20 Jahre nach den massiven Überschwemmungen im Jahr 2002 an den Folgen leiden. „Wenn es regnet, haben diese Leute Angst – ein typischer Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung“, berichtete Hutter. Doch es gibt Hoffnung, denn wir wissen wirklich viel – und wir wissen auch, wo wir anpacken müssen, so Hutter. Es brauche jedoch eine extreme Solidarität und die sei im Moment sehr angeschlagen.


Pills and the Planet

Sharon Pfleger, Inverness (Schottland)

„Primum non nocere“, also „zuerst einmal nicht schaden", gilt als zentrales Prinzip der Heilkunde. „Wir denken dabei vor allem an unsere Patient:innen, aber dasselbe gilt für unsere Umwelt“, eröffnete Pfleger ihren kurzweiligen Vortrag.

Was kommt nach „LADME“?

Die Pharmazeutin entführte das Auditorium „jenseits von LADME“ in das Forschungsfeld der Ecotoxikologie. Dieses beschäftigt sich mit den Auswirkungen von chemischen Substanzen auf Ökosysteme. „Denn die biologischen Effekte unserer Arzneimittel stoppen nicht plötzlich, nur weil wir sie aus unserem Körper ausscheiden“, brachte es Pfleger auf den Punkt. Und das wird zunehmend zum Problem. Je nach Wirkstoff werden zwischen 30 und 100 % des Arzneistoffes selbst bzw. seiner Metaboliten wieder ausgeschieden. Diese chemischen Verbindungen können meist von Kläranlagen nicht vollständig aus unserem Abwasser entfernt werden und gelangen so in unsere Umwelt. Tatsächlich stammen ganze 90 % der Arzneimittel, die wir in unserer Umwelt finden, von menschlichen Ausscheidungen. Etwa 5 % sind auf Altmedikamente, die über die Toilette entsorgt werden, zurückzuführen und weitere 5 % auf die pharmazeutische Industrie.

 52 Wirkstoffe in Donau detektiert

Erschreckende Evidenz dazu, wie weit verbreitet Arzneistoffe bereits in unserer Umwelt zu finden sind, lieferte eine internationale Studie der Universität York (UK).1 Sie untersuchte die Schadstoffbelastung von 258 Flüssen in 104 Ländern. Hohe Konzentrationen an Analgetika (Codein, Hydrocodon, Naproxen, Paracetamol), Antibiotika (Erythromycin, Sulfadiazin, Ciprofloxazin), Antikonvulsiva (Pregabalin, Gabapentin, Carbamazepin) und Antidepressiva (Amitriptylin, Citalopram, Venlafaxin) wurden gefunden. Und das sind längst nicht alle Wirkstoffe. Im Wasser der Donau bei Wien wurden insgesamt 52 pharmazeutisch aktive Substanzen detektiert. Sie alle befinden sich auf der EU-Watch List – und wurden als „basically safe for water supply“ eingestuft.

Die schottische Pharmazeutin und Mitbegründerin  des One Health Breakthrough Partnerships (OHBP) Vis.-Prof. Sharon Pfleger, MPH, erläuterte die Umweltwirkung von Arzneistoffen und demonstrierte eindrücklich, wie massiv unsere Umwelt bereits belastet ist. © APOVERLAG/ Irene Senn
Die schottische Pharmazeutin und Mitbegründerin des One Health Breakthrough Partnerships (OHBP) Vis.-Prof. Sharon Pfleger, MPH, erläuterte die Umweltwirkung von Arzneistoffen und demonstrierte eindrücklich, wie massiv unsere Umwelt bereits belastet ist. © APOVERLAG/ Irene Senn

Viele offene Fragen

„Wie sicher es tatsächlich ist, werden wir in 30 bis 40 Jahren sehen, wenn wir mehr Evidenz haben“, so die Ansicht von Pfleger. Denn es gibt jede Menge Fragen, auf die wir heute noch keine Antwort haben: Welche Auswirkungen hat die tägliche Exposition gegenüber subtherapeutischen Dosen verschiedener Arzneistoffe auf die menschliche Gesundheit? Wie interagieren die verschiedenen Chemikalien? Welche biologischen Effekte haben diverse Metaboliten und sind sie persistent bzw. bioakkumulativ?

Strategien für die Zukunft 

Wirkstoffe aus dem Trinkwasser zu entfernen, ist eine komplizierte Angelegenheit. Die beste Zukunftsstrategie ist laut der Expertin daher zu verhindern, dass sie überhaupt erst dorthin gelangen. Dafür müsse es zukünftig ein großes Umdenken geben und hier könne die Apothekerschaft einiges beitragen. Denn so wie wir derzeit agieren, sei unser Gesundheitssystem nicht effektiv. So werden laut einem Bericht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) bis zu 20 % der Arzneimittelausgaben verschwendet, weil die Medikamente entweder unnötig verschrieben werden oder keinen nachweisbaren gesundheitlichen Nutzen haben. Dieser ineffektive Einsatz von Arzneistoffen trägt enorm zur Gesamtbelastung der Gesundheitssysteme bei, ohne die Gesundheit der Patient:innen zu verbessern. Hier können Apotheken viel Aufklärungsarbeit leisten.

Quelle 

1   Wilkinson JL, et al.: Pharmaceutical pollution of the world's rivers. Proc Natl Acad Sci USA 2022; 119(8): e2113947119


Einfluss von Mikroplastik 

Lukas Kenner, Wien

Der Pathologe Univ.-Prof. Dr. med. Lukas Kenner ist wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojekts „microOne“, das den Zusammenhang von Mikroplastik und Darmkrebs untersucht. © APOVERLAG/ Irene Senn
Der Pathologe Univ.-Prof. Dr. med. Lukas Kenner ist wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojekts „microOne“, das den Zusammenhang von Mikroplastik und Darmkrebs untersucht. © APOVERLAG/ Irene Senn

Mikroplastik- (< 5.000 µm) und Nanoplastikpartikel (< 0,1 µm) entstehen größtenteils durch den Abbau und Zerfall unserer Kunststoffprodukte und sind mittlerweile zu einem massiven Umweltproblem geworden.

Übeltäter: AUTOREIFEN 

Der Frage, woher das Mikroplastik in unserer Umwelt stammt, ging eine Studie der Universität Zürich nach – und fand, dass 97 % (!) des Mikro- und Nanoplastiks aus dem Abrieb von Autoreifen stammt. „Ganze 1,5 kg Mikroplastik produziert ein einziger Autoreifen. Kosmetika sind dagegen ein verhältnismäßig kleines Thema“, ordnete Univ.-Prof. Dr. med. Lukas Kenner vom AKH in Wien ein.

Mikroplastik in der Umwelt

Über verschiedene Wege gelangt Mikroplastik in unsere Ozeane, Flüsse und Böden und hat tiefgreifende Auswirkungen auf Ökosysteme. Zahlreiche wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass Mikroplastik nicht nur in marinen Lebensräumen, sondern auch in unserer Nahrungskette nachweisbar ist. „Erschreckend wenig ist allerdings zu den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bekannt“, berichtete Kenner. „Was wir wissen, ist, dass die Biodiversität des Mikrobioms abnimmt und lokale Entzündungs- und Immunreaktionen ausgelöst werden. Außerdem kann Mikroplastik als Transporter für Krankheitserreger dienen.“ Eine Studie des National Cancer Instituts aus dem Jahr 2022 fand zudem einen möglichen Zusammenhang mit der massiven Zunahme (bis zu 70 %) von Tumorerkrankungen bei Patient:innen unter 50 Jahren.1

Mikroplastik & Darmkrebs

Prof. Lukas Kenner präsentierte am APOkongress rezente Forschungsergebnisse aus dem Projekt „microOne“, dem er als wissenschaftlicher Leiter vorsteht. Im Rahmen des Projekts werden die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik auf die Entstehung von Dickdarmkrebs untersucht. Das Forscherteam verfütterte hierzu Polystyrolpartikel in drei definierten Größen (0.25, 1 und 10 µm) an Mäuse. „Schockierend war für uns, dass die Partikel bereits nach zwei Stunden in allen Organen nachweisbar waren. Zudem kam es zu einem drastischen Biodiversitätsrückgang im Mikrobiom“, so die besorgniserregenden Ergebnisse. Die Mäuse entwickelten zudem eine verstärkte Entzündungsreaktion im Darm, insbesondere bei Vorliegen einer experimentell induzierten Colitis.2 

Plastikfreie Diät

Wie viel Plastik wir tagtäglich aufnehmen, ist schwer abzuschätzen. Man geht davon aus, dass jeder Mensch pro Woche etwa 5 g Plastik zu sich nimmt – das 
entspricht einer Scheckkarte. Über die Lebenszeit entspricht dies 20 kg. 80 % davon stammen aus Nahrung und Getränken. In einem weiterführenden Teil des „microOne“-Projekts wird derzeit untersucht, welche positiven Effekte durch eine plastikfreie Ernährung erreicht werden können. Mit Ergebnissen ist bis Ende des Jahres zu rechnen. Praktische Ansätze für eine plastikfreie Diät sind der vermehrte Einkauf von unverpackten Lebensmitteln, das Verbannen von Plastikgeschirr aus der Küche (z. B. Schneidbretter aus Plastik) sowie die Vermeidung von hochprozessierten Lebensmitteln.

Quellen

  1.  Ugai T, et al.: Is early-onset cancer an emerging global epidemic? Nat Rev Clin Oncol 2022;19(10):656-673
  2. Brynzak-Schreiber E, et al.: Microplastics role in cell migration and distribution during cancer cell division. Chemosphere 2024;353:141463


CO2-Fussabdruck von Lebensmitteln

Lorenz Bodner, Wien

Jede Person in Österreich produziert im Durchschnitt knapp 10 Tonnen CO2 pro Jahr. Etwa ein Viertel davon entfällt auf unsere Ernährung. Der größte Anteil davon stammt dabei aus der Landwirtschaft – fällt also bei der Produktion der Lebensmittel selbst an. „Bemerkenswert ist, dass tierische Nahrungsmittel zwar nur 20 % unserer konsumierten Lebensmittel ausmachen, aber für 70 % unseres CO2-Fußabdrucks verantwortlich sind“, berichtete Dr. med. Lorenz Bodner. Der Grund für die schlechte CO2-Bilanz von tierischen Produkten liegt im hohen Energie- und Ressourcenverbrauch. Die Viehhaltung zur Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Eiern erfordert große Mengen an Futtermitteln, die oft in Monokulturen angebaut und intensiv bewirtschaftet werden. Insgesamt werden dabei erhebliche Mengen an Treibhausgasen frei – neben CO2 auch das besonders klimaschädliche Methan und Lachgas. Zusätzlich werden beim Transport und der Verarbeitung von tierischen Produkten weitere Emissionen verursacht. 

Dr. med. Lorenz Bodner beschäftigt sich  seit etwa 7 Jahren mit der Gesundheit unseres  Planeten und engagiert sich international  bei der Planetary Health Alliance (PHA). © APOVERLAG/ Irene Senn
Dr. med. Lorenz Bodner beschäftigt sich seit etwa 7 Jahren mit der Gesundheit unseres Planeten und engagiert sich international bei der Planetary Health Alliance (PHA). © APOVERLAG/ Irene Senn

Pflanzenbetonte Ernährung = Klimaschutz

Durch eine vegane Ernährung kann der CO2-Fußabdruck um etwa 1 Tonne pro Jahr reduziert werden. Bezieht man in die Berechnung auch die indirekten Treibhausgase ein, sind es sogar 2 Tonnen pro Jahr – und das allein durch eine pflanzenbetonte Ernährung. Schon eine Halbierung des Fleischkonsums würde enorme Mengen an CO2 einsparen.

Den Vorwurf, „Veganer:innen würden mit ihrem Sojabedarf den Regenwald aufessen“, entkräftete Bodner. Das vielfach auf illegal gerodeten Flächen angebaute Soja geht größtenteils in Futtermittel für die Nutztierhaltung. 91 % der Zerstörung des Amazonasgebiets seien darauf zurückzuführen. 

Wie geht nachhaltige Ernährung?

Auf die Frage, was jede/r Einzelne beitragen kann, hatte Bodner klare Vorschläge: Eine pflanzenzentrierte Ernährung ist Klimaschutz, insbesondere wenn die indirekten Treibhausgase mit eingerechnet werden. „Natürlich kann niemand allein die Welt retten, aber wir sind mittlerweile nicht mehr allein“, berichtete der engagierte Mediziner. In der Generation Z ernähren sich bereits 13 % vegan oder vegetarisch, 26 % sind Flexitarier, und 44 % wollen ihren Fleischkonsum reduzieren. Ein Drittel ist erst im vergangenen Jahr fleischlos geworden.

Saisonal – regional – Bio 

Der Kauf von regionalen und saisonalen Produkten reduziert die Transportwege und den damit verbundenen CO2-Ausstoß. Europäisches Obst und Gemüse aus saisonaler Ernte hat fast immer eine gute CO2-Bilanz. In Hinblick auf die Emissionen beim Transport nimmt der CO2-Ausstoß in folgender Reihenfolge ab: Flugzeug > LKW > Bahn > Hochseeschifffahrt. Ansonsten gilt: saisonal schlägt regional, da ein gewärmtes Gewächshaus wesentlich mehr CO2-Emissionen verursacht als ein LKW-Transport. 

Für die konkrete Wahl, was auf den Teller kommt, empfahl Bodner regionale und saisonale Bio-Produkte. Auch nicht-biologische, aber regionale und saisonale Produkte (wie Erdbeeren) sowie saisonale Produkte aus Nachbarländern (wie Trauben aus Italien) schneiden gut ab. Ebenso regionale Produkte, die gelagert werden (wie Äpfel). Im Mittelfeld sind Früchte, die per Frachtschiff zu uns kommen, wie Bananen und Kiwis. Hochintensiv hinsichtlich CO2 sind Tropenfrüchte wie Mango oder Papaya.  


Hitzebedingte Gesundheitsprobleme

Michael Freissmuth, Wien

Univ.-Prof. Dr. Michael Freissmuth © APOVERLAG/ Irene Senn
© APOVERLAG/ Irene Senn

Univ.-Prof. Dr. Michael Freissmuth sprach über die weitreichenden Gesundheitsfolgen von Hitze. Als wichtige Risikofaktoren für einen 
hitzebedingten Tod nannte Freissmuth fortgeschrittenes Alter (über 75 Jahre) und weibliches Geschlecht. 

Ältere Menschen und Kinder besonders gefährdet

Hohes Lebensalter ist u. a. deshalb mit einer erhöhten Gefährdung assoziiert, weil die thermoregulatorischen Mechanismen nicht mehr so gut funktionieren. Ein wesentlicher Mechanismus, mit dem der Körper auf Hitze reagiert, ist eine verstärkte Hautdurchblutung zur Schweißproduktion und Wärmeabgabe. „Will man die Hautdurchblutung steigern, muss das Herzminutenvolumen erhöht werden. Für Menschen mit einer Herzinsuffizienz ist das ein Problem, sie können ihren Körper nicht so gut kühlen“, erläuterte Freissmuth die physiologischen Zusammenhänge. Auch viele Medikamente interferieren mit der Temperaturregulation. So verringern alle Arzneistoffe mit einer anticholinergen Wirkkomponente die Schweißproduktion und damit die Fähigkeit des Körpers, sich durch Schwitzen zu kühlen. 

Besonders gefährdet von großer Hitze sind aber auch kleine Kinder. Denn ihre Kerntemperatur erhöht sich etwa drei- bis fünfmal schneller als die von Erwachsenen. Für Kinder, die bei Hitze im Auto zurückgelassen werden, kann die Situation daher sehr rasch lebensbedrohlich werden, warnte der Mediziner nachdrücklich. Als wichtigste Maßnahme bei Hitze empfahl Freissmuth: Trinken, trinken, Trinken. Denn das Mortalitätsrisiko erhöhe sich drastisch bei eingeschränktem Flüssigkeitskonsum.



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