Das Schwerpunktthema in diesem Jahr lautete „Darm und Leber im Fokus – Wissenstransfer für eine optimierte Versorgung“ und lockte insgesamt 1.700 Teilnehmer:innen an – 500 in Salzburg und 1.200 in Wien. Mit 93 Ausstellern in Wien war auch die Fachausstellung so groß wie nie zuvor und bot viel Möglichkeit zum Austausch und Netzwerken.
Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi, Präsidiumsmitglied und Vizepräsidentin der Landesgeschäftsstelle Wien, betonte in ihrer Eröffnungsrede die vielfältigen Aspekte, die es für Apotheker:innen bei Lebererkrankungen zu berücksichtigen gilt: „Wir haben für Sie eine gute Melange an praxisrelevanten Themen zusammengestellt. Und ich kann Ihnen versprechen, es ist viel Spannendes und Neues dabei, und auch viel, worüber Sie nach dem Kongress noch diskutieren werden.“ Auch Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, Leiter der Abteilung für Innere Medizin I am Klinikum Wels-Grieskirchen und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie, betonte die hohe Relevanz des Themas für die Apothekerschaft. „Lebererkrankungen werden oft stiefmütterlich behandelt und sind mit einer Stigmatisierung verbunden, denn oft spielt Alkohol eine Rolle. Tatsächlich handelt es sich aber um eine heterogene Krankheitsgruppe, viele davon sind nicht alltäglich und das Wissen darüber ist nicht so weit verbreitet.“
Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, 2. Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer, nützte seine Eröffnungsrede aber auch, um über einige Themen zu sprechen, die den Apotheker:innen in den letzten Monaten sprichwörtlich „über die Leber gelaufen sind“. Die sinkenden Spannen im Kassenbereich sind ein anhaltendes Problem: „Wir sind mittlerweile bei 11,9 % angelangt. Dass damit alles abgegolten wäre, von Nachtdiensten bis hin zur Betreuung von Substitutionspatient:innen, ist schlichtweg nicht wahr“, machte Kobinger deutlich. „Ärztliche Notabgabestellen, sprich Hausapotheken, mögen zwar sehr bequem sein, das ist aber auch schon alles.“ Kobinger brachte auch einige Lösungsvorschläge mit: „Wir möchten zukünftig als eine Art stationäre 1450 eine Triage-Funktion übernehmen. Eine Studie ergab, dass von 1.000 Gesundheitsproblemen 900 keinen Arzt/keine Ärztin und schon gar keine spezialisierte Spezialambulanz benötigen. In der betreuten Selbstmedikation kann hier sehr viel abgefangen werden.“ Außerdem forderte er eine faire Abgeltung des Aufwands bei Lieferengpässen sowie bezahlte Präventionsdienstleistungen bei Screenings und Medikationsanalyse.
Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Take-Home-Messages ausgewählter Fachvorträge.
Abklärung und Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf Lebererkrankungen
Chronische Lebererkrankungen sind oft über Jahre hinweg asymptomatisch, und das ist auch ihr größtes Problem. „Die Leber leidet leise. Wenn sich Symptome bemerkbar machen, ist die Erkrankung oft schon weit fortgeschritten“, warnte Hofer. Die größten Chancen auf eine erfolgreiche Therapie bestehen in den frühen Phasen der Erkrankung, dementsprechend wichtig ist eine Früherkennung. „Hier kommt Ihnen eine wesentliche Rolle zu – im Sinne der Bewusstseinsbildung“, wandte sich Hofer an die Apotheker:innen.
Doch wie lässt sich eine Lebererkrankung erkennen? „Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit“, erklärte Hofer die unspezifischen Symptome, die eine Diagnose erschweren. Laborparameter spielen hier eine wichtige Rolle, die richtige Interpretation ist dabei entscheidend.
Leberwerte vs. Leberfunktion
Die klassischen Leberwerte wie Transaminasen (ALT/AST) sowie Cholestaseparameter (AP, γ-GT und Bilirubin) zeigen an, ob eine Schädigung, Entzündung oder ein Gallenstau vorliegt. „Sie sagen aber nichts über die Syntheseleistung der Leber aus“, erläuterte Hofer in seinem Vortrag.
Die Leberfunktion wird mittels Syntheseparametern wie Gerinnung (INR) und Albumin beurteilt. „Sind die klassischen Leberwerte erhöht, die Syntheseparameter aber normal, deutet das auf eine akute Hepatitis hin, während bei chronischen Erkrankungen die Transaminasen oft nur leicht erhöht sind.“
Hepatitisches vs. cholestatisches Bild
Ein weiterer wichtiger Unterschied: In einem hepatitischen Laborbild findet man stark erhöhte Transaminasen – diese deuten auf eine akute Schädigung der Hepatozyten hin. Ein cholestatisches Bild mit erhöhten Cholestasewerte (AP, γ-GT und Bilirubin) weist hingegen auf eine Störung des Gallenflusses hin, wie z.B. bei Gallengangsobstruktionen. „Fragen Sie Ihre Kund:innen in diesem Fall nach dunklem Harn und entfärbtem Stuhl – diese können wichtige zusätzliche Hinweise sein.“
Therapie der chronischen Virushepatitis
Chronische Virushepatitiden werden durch verschiedene Erreger ausgelöst, wobei Hepatitis B (HBV) und C (HCV) weltweit die größte Bedeutung haben. Diese Infektionen können, wenn sie unbehandelt bleiben, zu schweren Komplikationen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs führen.
HCV ist heute heilbar
„Zur Therapie der Hepatitis C steht uns seit etwa 10 Jahren ein völlig neues Therapiekonzept zur Verfügung und wir sind froh, dass wir PEG-Interferone heute nicht mehr brauchen“, erläuterte Gschwantler die bahnbrechenden Entwicklungen der letzten Jahre. Die neuen Substanzen werden unter dem Begriff „direct acting antivirals“ (DAA) zusammengefasst und ermöglichen nach 8- bis 12-wöchiger Therapie eine virologische Heilung - und das bei praktisch allen Patient:innen.
Hepatitis B: 100-mal infektiöser als HIV
HBV stellt hingegen weiterhin eine große Herausforderung dar. Bislang existiert keine Therapie, um das Virus nachhaltig zu eliminieren. HBV wird vorwiegend durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen, ist 100-mal infektiöser als HIV und verursacht weltweit 60 bis 80 % aller Leberzellkarzinome. Die chronische HBV-Infektion verläuft in mehreren Phasen, die Therapieindikation ist komplex. Die Wirkstoffe Entecavir und Tenofovir unterdrücken
die Virusreplikation und das Fortschreiten der Erkrankung.
Mehr dazu in der aktuellen Folge von „ÖAZ im Ohr“
mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler.
Diagnose und Management der Leberzirrhose und
portaler Hypertension
„Das Thema Leberzirrhose betrifft jede Lebererkrankung“, eröffnete Aigner seinen Vortrag. Wenn sie lang genug fortbesteht, kann jede Lebererkrankung zu Zirrhose und Krebs führen. Eine Fettleber gleich welcher Genese ist dabei einer der Hauptrisikofaktoren für eine Zirrhose.
Varizenbildung verhindern
Durch Lebensstil und Erkrankungen kann es zu Leberschädigungen und damit zur Ablagerung von Kollagen kommen, durch die sich das Lebergewebe diffus verändert (Fibrose). Schreitet die Fibrose fort, geht die Architektur der Leberläppchen verloren: Die Leber wird zirrhotisch. Folgen der Zirrhose sind neben einer Veränderung der Gefäßversorgung die Ausbildung intrahepatischer Shunts und Druckerhöhung im portalen Kreislauf. Dadurch treten eine Bauchwassersucht (Aszites) und Ösophagusvarizen auf. Die Varizenbildung gilt es unbedingt zu vermeiden, da die Sterblichkeit aufgrund der Ruptionsgefahr deutlich erhöht ist. Um die Mechanismen der portalen Hypertension weitestgehend zu antagonisieren, wird vorwiegend Carvedilol eingesetzt.
Stellenwert des Leber-Screenings
Weitere Folgen der Zirrhose sind Gerinnungsstörungen, die hepatische Enzephalopathie (HE) und das hepatozelluläre Karzinom (HCC). „Jede Leberzirrhose ist eine obligate Präkanzerose, wird also irgendwann maligne“, erklärte Aigner. Die gute Nachricht: Das HCC ist screenbar. Zirrhosepatient:innen sollten daher alle sechs Monate einen Leberultraschall durchführen lassen. In frühen Stadien ist eine kurative Behandlung durch Leberteilresektion oder -transplantation möglich, in fortgeschrittenen Stadien kann jedoch nur noch palliativ behandelt werden.
Auswirkungen auf das Gehirn
Die hepatische Enzephalopathie (HE) als weitere schwerwiegende Komplikation der Leberzirrhose beruht auf einer Reduktion der Ammoniakmetabolisierungsaktivität. Dadurch reichert sich Glutamin in den Astrozyten des Gehirns an, was dessen Funktion beeinträchtigt und auch Auswirkungen auf die Compliance hat. Aigner rief den Behandlungsansatz der HE in Erinnerung, der darauf abzielt, die Ammoniaktoxizität zu minimieren. Das gelingt durch die Einnahme von Lactulose oder Rifaximin, die das intestinale Milieu verändern und dadurch letzten Endes zu einer verringerten Ammoniakproduktion bzw. -aufnahme führen. Auch die Aminosäuren L-Ornithin und L-Aspartat als Substrate des Harnstoffzyklus werden eingesetzt. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie ein normaler Elektrolythaushalt sind wichtige Cofaktoren, die die HE im Frühstadium positiv beeinflussen können.
Auswirkungen auf Pharmakokinetik und -dynamik
Die Leberzirrhose hat jedoch auch mannigfaltige Auswirkungen auf Pharmakokinetik und -dynamik von Arzneistoffen: Absorption, First-pass-Effekt, Verteilung, Metabolisierung und Elimination werden durch die Schäden in der Leber beeinflusst. Daher sind Zirrhosepatient:innen für Nebenwirkungen anfälliger als andere Patient:innen. So kommt es aufgrund der erhöhten Anfälligkeit der Niere öfter zu Nebenwirkungen nach NSAR-Einnahme oder bei der Einnahme von RAAS-Inhibitoren, aber auch zu neurologischen Manifestationen bei Benzodiazepin-Einnahme. Bei schweren Lebererkrankungen sollten daher u. a. keine Benzodiazepine eingenommen werden.
Nicht zu viel salzen und bitte nicht fasten
Zum Abschluss wies der Experte auf die Wichtigkeit der richtigen Ernährung bei Lebererkrankungen hin und gab diesbezüglich konkrete Empfehlungen. Patient:innen mit einem Aszites im Frühstadium sollten wenig Natrium konsumieren und daher auf Fertigprodukte verzichten. Fasten ist bei fortgeschrittener Lebererkrankung keinesfalls anzuraten, da in der Leber keine Glykogenreserven mehr verfügbar sind. Mehrere kleine proteinreiche Mahlzeiten über den Tag verteilt sind besonders empfehlenswert, lange Nüchternphasen hingegen nicht. Auch einer adäquaten Ernährungsberatung kommt also ein hoher Stellenwert zu. „Praktisch ist das jedoch noch ein Problem“, schloss Aigner seinen Vortrag – ein Großteil der Patient:innen ist in dieser Hinsicht unzureichend betreut.
Fettleber: medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapiemöglichkeiten
Die metabolisch-assoziierte Fettlebererkrankung (MASLD, vormals NAFLD) ist eine chronische Erkrankung, die durch Fetteinlagerungen in der Leber gekennzeichnet ist und weltweit Millionen betrifft. Im Verlauf kann eine Entzündung (MASH, früher NASH) auftreten, die zu Vernarbungen (Fibrose) und letztlich zur Leberzirrhose führen kann. In seltenen Fällen entwickelt sich daraus ein Leberzellkarzinom. Daher sind eine frühzeitige Diagnose und Behandlung essenziell.
Wie wird eine Fettleber diagnostiziert?
Eine wichtige nicht-invasive Methode in der Diagnostik ist FibroScan® – eine Ultraschallmethode, die zeigt, wie hart die Leber ist und wie viel Fett eingelagert ist. Damit lässt sich der Fibrosegrad bestimmen – ein wichtiger Parameter für die Prognose. Zudem werden in der klinischen Praxis auch biochemische Scores eingesetzt. „Hier hat sich der FIB-4 durchgesetzt. Mit vier Parametern – nämlich Alter, Thrombozyten, ALT und AST – erhält man damit schon eine gewisse Information zur Leberfunktion und zum Fibrosegrad. Der FIB-4 sollte bei allen metabolischen Risikopatient:innen (Typ-2-Diabetes, Adipositas, kardiometabolische Risikofaktoren, dauerhaft erhöhte Leberenzyme) erhoben werden, so wird es auch in den aktuellen Leitlinien empfohlen.1
Lifestyle-Modifikation unumgänglich
„Das Rückgrat jeder Therapie ist die Lifestyle-Modifikation“, betonte Scherzer. Eine Gewichtsreduktion von mindestens 7–10 %, idealerweise 15 %, ist erforderlich, um Entzündungen zu reduzieren und die Fibrose zu verbessern. Als besonders effektiv hat sich die mediterrane Ernährung erwiesen2: reich an Proteinen, Gemüse und Ballaststoffen, mit begrenztem Kohlenhydratanteil. Der Fructosekonsum sollte minimiert werden, da Fructose die Fetteinlagerung in der Leber fördert. Spezielle Formula-Diäten wie Hepafast® und Optifast® konnten in Studien eine deutliche Reduktion des Leberfettgehalts erzielen.3,4 Sie kombinieren proteinreiche Shakes mit kalorienarmer Ernährung und eignen sich besonders für Patient:innen mit Adipositas. Entscheidend ist jedoch, dass die Betroffenen auch nach der Diät langfristig motiviert bleiben. Regelmäßige Bewegung reduziert nachweislich den Leberfettgehalt und verbessert die Insulinsensitivität – unabhängig vom Gewichtsverlust.5 „Jede Bewegung ist besser als keine. Bereits die erste Sporteinheit wirkt“, so Scherzer. Bereits moderate Trainingseinheiten zeigen deutliche Effekte, zwischen Ausdauer- und Krafttraining gab es keine signifikanten Unterschiede.6
Medikamentöse Therapie
„An dieser Stelle könnte ich meinen Vortrag beenden“, meinte Scherzer. Denn aktuell gibt es kein einziges zugelassenes Medikament für die MASLD. Allerdings ist einiges in Entwicklung. Ein interessanter Wirkstoff ist Resmetirom. Es handelt sich dabei um einen selektiven Thyroidrezeptor-β-Agonisten, der den Fettstoffwechsel in der Leber reguliert. Phase-III-Studien haben gezeigt, dass Resmetirom signifikante Verbesserungen bei MASH-Patient:innen mit Leberfibrose bewirkt, einschließlich einer Verringerung des Fibrosegrads und einer Verbesserung des MASH-Scores.7 Ob die Substanz in der EU zugelassen wird, bleibt abzuwarten.
Eine wichtige Rolle in der Therapie der MASLD könnten zukünftig auch die GLP-1-Rezeptor-Agonisten spielen. „Um Effekte auf die Leber zu sehen, benötigen wir eine Gewichtsreduktion von 15 %, und das schaffen diese Präparate eigentlich alle“, demonstrierte Scherzer mit Daten einer aktuellen Übersichtsarbeit.8 GLP-1-Agonisten reduzieren aber nicht nur das Körpergewicht, sie zeigen auch positive Effekte auf den Leberfettgehalt sowie auf Entzündungsmarker bei MASLD. Studiendaten zu Effekten auf die Leber gibt es hier bereits zu Semaglutid9, Tirzepatid (GLP-1/GIP Co-Agonist)10, Survodutid (GLP-1/Glucagon Co-Agonist)11 und Retatrutid (GLP-1/GIP/Glucagon Triagonist)12. Besonders die Ergebnisse von Tirzepatid sind erstaunlich gut: Bei bis zu 62,5 % der Patient:innen konnte
der primäre Endpunkt erreicht werden.
Arzneimittelnebenwirkungen auf die Leber
Arzneimittelinduzierte Leberschäden (Drug-Induced Liver Injury, DILI) sind in den USA und Europa die häufigste Ursache für ein akutes Leberversagen. Zudem sind DILI die häufigste Ursache für den vorzeitigen Entwicklungsstopp von neuen Arzneistoffen und einer der zwei häufigen Gründe für die Marktrücknahme von zugelassenen Medikamenten. Die Leberschädigung kann Tage, aber auch erst Monate nach der AM-Einnahme auftreten, die Ausprägungen reichen von milden Erhöhungen der Leberenzyme bis hin zu akutem Leberversagen.
Immer eine Ausschlussdiagnose
Die Symptome eines DILI sind unspezifisch und reichen von Müdigkeit und leichtem Fieber bis hin zu Gelbsucht und Oberbauchschmerzen. Häufig handelt es sich um Zufallsbefunde, die aufgrund von erhöhten Leberwerten (ALT/AST, AP) gestellt werden. Ein DILI ist immer eine Ausschlussdiagnose, wenn alle anderen Ursachen wie virale Hepatitiden, ischämische und cholestatische Leberschädigungen ausgeschlossen wurden. „In Anbetracht der vielen anderen potentiellen Ursachen ist eine umfassende Arzneimittelanamnese essentiell“, appellierte Stemer an die Pharmazeut:innen.
Kausalitätsbewertung
Die Kausalitätsbewertung eines DILI erfolgt anhand der Roussel-Uclaf Causality Assessment Methode (RUCAM), die verschieden Aspekte berücksichtigt: Gibt es eine zeitliche Korrelation? Was passiert bei Absetzen des verdächtigen Arzneimittels? Bestehen Risikofaktoren wie Alkoholabusus? Gibt es andere potenzielle Ursachen für den Leberschaden? Ist bereits etwas zum hepatotoxischen Potenzial des AM bekannt? Je höher die Punktezahl, desto wahrscheinlicher ist ein kausaler Zusammenhang.
Häufige Auslöser & begünstigende Faktoren
In Hinblick auf die Arzneimittelklassen, die ein DILI verursachen, gibt es interessanterweise geografische Unterschiede. Während in Asien und Afrika v. a. antiretrovirale Therapien und pflanzliche Präparate verantwortlich gemacht werden, dominieren in Europa und den USA Antibiotika.13 Substanzeigenschaften wie hohe Lipophilie, hohe Dosierungen (über 50–100 mg/Tag) und extensive hepatische Metabolisierung erhöhen das Risiko eines DILI. Patientenspezifische Risikofaktoren umfassen höheres Alter, weibliches Geschlecht, Polypharmazie und Begleiterkrankungen.14
Paracetamol: bekanntes Risiko
Paracetamol birgt bei Überdosierung ein hohes Risiko für Leberschäden. Die TMD für Erwachsene liegen bei 3 g (p.o.) bzw. 4 g (i.v.). „Bereits nach drei bis sieben Tagen kann es unter Therapie zu Leberenzymerhöhungen kommen, die jedoch asymptomatisch und nach Therapieende reversibel sind“, so Stemer. Dosen von mehr als 7,5 g können schwere Leberschäden verursachen, die sich innerhalb von 24–72 Stunden in erhöhten Leberwerten und nach 48–96 Stunden durch Symptome wie Ikterus oder akutes Leber- und Nierenversagen äußern. Risikofaktoren wie Alkohol, Fasten oder CYP-Induktoren verstärken die Bildung des toxischen Metaboliten N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI) und damit die Toxizität.
Phytopharmaka
„Ich begebe mich hier auf dünnes Eis, da wir sehr wenig Daten zu Phytopharmaka haben“, so Stemer. Laut US-Daten sind 16 % der DILI-Fälle auf Phytopharmaka oder NEM zurückzuführen – Tendenz steigend. Besonders problematisch ist der unregulierte Vertrieb von Präparaten über das Internet. Kürzlich wieder in die Medien geraten ist Kurkuma – hier gibt es Fallberichte, die auf eine mögliche dosisabhängige Hepatotoxizität hinweisen.16 Die EFSA empfiehlt, eine tägliche Aufnahme von 3 mg Curcumin pro kg Körpergewicht nicht zu überschreiten.
Management eines DILI
Das Wichtigste bei DILI-Verdacht ist das sofortige Absetzen des auslösenden Medikaments. Häufig bildet sich der Schaden innerhalb von Wochen zurück. Schwere Verläufen erfordern jedoch oft intensivmedizinische Maßnahmen.
Eisenmangel und Eisenüberladung
Eisenmangel ist der weltweit häufigste Nährstoffmangel und betrifft etwa 25 % der Weltbevölkerung. In Österreich sind schätzungsweise 800.000 Personen betroffen. Die Symptome sind unspezifisch und reichen von Müdigkeit, Konzentrationsstörungen bis hin zu Haarausfall und brüchigen Nägeln. Die Diagnostik eines Eisenmangels stützt sich auf die Messung von Ferritin (< 30 µg/L) und der Transferrinsättigung (< 20 %). „Das Serum-Eisen zu bestimmen, ist wenig sinnvoll, da es kein sehr verlässlicher Parameter ist und stark von einer zirkadianen Rhythmik sowie von der Nahrungsaufnahme abhängig ist“, so Stättermayer.
Ursachen
Zu den häufigsten Ursachen eines Eisenmangels zählen eine verminderte Eisenaufnahme (z. B. durch PPI-Einnahme, Zöliakie oder vegane Ernährung) sowie erhöhte Verluste (z. B. durch Menstruation oder gastrointestinale Blutungen). Ein erhöhter Bedarf, etwa während der Schwangerschaft oder im Wachstum, kann ebenfalls zum Mangel beitragen. Bei unklarer Ursache sollte IMMER eine gastrointestinale Abklärung erfolgen.
Eisenbedarf
Der Eisenbedarf ist abhängig von Alter und Geschlecht. Für gesunde Erwachsene liegt er bei 15 mg (Frauen) bzw. 10 mg (Männer). Dabei handelt es sich um die empfohlene Zufuhr, nicht um die Aufnahme. Einen erhöhten Bedarf haben Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende. Eine ausreichende Versorgung über die Ernährung gestaltet sich oft schwierig. Die Resorption von Eisen erfolgt im proximalen Dünndarm, wobei tierisches Häm-Eisen leichter aufgenommen wird als pflanzliches Non-Häm-Eisen. Die Eisenaufnahme und -freisetzung wird durch Hepcidin reguliert, das in der Leber gebildet wird. Ein erhöhter Hepcidin-Spiegel (z. B. bei hohem Serumeisengehalt oder bei Entzündungen) hemmt die Eisenresorption, während ein niedriger Spiegel (z. B. bei Anämie, Alkoholabusus) diese steigert.
Orale Eisenpräparate sind die Therapie der Wahl. Hier sollte mit einer niedrigen Dosis begonnen werden (z. B. 100 mg Eisen pro Tag). Davon werden etwa 10 mg/d resorbiert und 90 mg über den Darm ausgeschieden. „Wenn Sie 500 mg/d geben, werden weiterhin 10 mg resorbiert und 490 mg/d ausgeschieden, da die Resorption durch Hepcidin begrenzt ist und höhere Dosen nicht effizienter aufgenommen werden“, erläuterte der Experte. Um die Aufnahme zu steigern, empfiehlt sich die Kombination mit Ascorbinsäure, während Kaffee, Tee, Milch sowie PPI und Antazida die Resorption hemmen können. Eine Kontrolle des Therapieerfolgs sollte nach 4 bis 6 Wochen erfolgen. Therapielimitierende Nebenwirkungen sind oft gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation, Übelkeit oder Abdominalschmerzen. Eine Schwarzfärbung des Stuhls durch Eisen ist häufig, darauf sollten die Patient:innen unbedingt aufmerksam gemacht werden, da dies oft zu Verunsicherungen führt.
Die Einnahme erfolgt idealerweise morgens, nüchtern und nur einmal täglich. Wird Eisen mehrmals täglich appliziert, wird Hepcidin erhöht, und in der Folge die Eisenresorption vermindert. „Das ist also sogar kontraproduktiv“, so Stättermayer. Auch eine Gabe nur jeden zweiten Tag ist zu erwägen. Es sollten keine Slow-Release-Formulierungen verwendet werden, da die Resorption v. a. im Duodenum und im oberen Jejunum stattfindet. Retardierte Präparate sollten daher nur bei Unverträglichkeiten zum Einsatz kommen.
Bei Unverträglichkeiten oder unzureichendem Ansprechen kann eine i. v. Substitution erforderlich sein. Dabei kann es zu Übelkeit, Flush, Blutdruckabfall oder Kopfschmerzen kommen – also anaphylaktoiden Reaktionen, die aber keine anaphylaktische Reaktion per se darstellen. Dies tritt besonders bei zu starker Verdünnung auf. „Dieser Fehler passiert oft im niedergelassenen Bereich aus Übervorsicht. Ideal ist eine Verdünnung in max. 250 ml, in einem größeren Volumen wird der Eisenkomplex instabil. Die Lösung sollte über 15 bis max. 30 min infundiert werden.“
Aderlass bei Eisenüberladung
Eisenüberladungen sind genetisch bedingt, wie bei der Hämochromatose, oder erworben, etwa durch häufige Bluttransfusionen. Die Aderlasstherapie ist Standard bei Hämochromatosen, bei einer metabolischen Eisenüberladung ist ein Aderlass sinnlos. Bei sekundären Eisenüberladungen, etwa durch Transfusionen, steht die Vermeidung weiterer Eisenzufuhr im Vordergrund.
Probiotika & Mikrobiom: Was ist die Evidenz?
„Den wahrscheinlich größten Einfluss auf das Mikrobiom hat die Nahrung“, betonte ao. Univ.-Prof. Dr. Christoph Högenauer und präsentierte gleich zu Anfang ein Studienergebnis, das beim Publikum für Verblüffung sorgte.
Verlängerte Erholungsdauer
Eine Forschungsgruppe untersuchte, ob Probiotika zum Schutz oder Wiederaufbau des Mikrobioms nach Antibiotikatherapie eingesetzt werden können.17 Die Proband:innen erhielten entweder keine Behandlung, ein Probiotikum oder eine autologe Stuhlimplantation (aFMT). Das erstaunliche Ergebnis: Während sich das Mikrobiom bei der aFMT-Gruppe bereits an Tag 1 nach Ende der Antibiotikatherapie erholt hatte, dauerte dieser Vorgang in der Probiotika-Gruppe 180 Tage – länger noch als bei keiner Behandlung. Darüber hinaus kam es bei Probiotika-Einnahme zur Vermehrung von Antibiotikaresistenzgenen in den Bakterien des Mikrobioms.
Äpfel und Birnen
Bei den vielen potenziellen Indikationen für Probiotika im Gastrointestinaltrakt besteht laut Högenauer das Problem, dass zwar viele Studien vorliegen, diese jedoch meist sehr klein sind. Zudem variieren die verwendeten Probiotika in ihrer Zusammensetzung, was die Vergleichbarkeit der Untersuchungen erschwert. Rückschlüsse von einem Produkt auf das andere sind daher nicht möglich. Auch die Deklaration ist nicht immer ausreichend; die Subspezies der zum Einsatz kommenden Bakterienstämme müssen genau angeführt werden.
Probiotika bei AAD und Clostridioides difficile
Bei 5 bis 25 % der Patient:innen tritt nach der Einnahme von Antibiotika Durchfall auf (Antibiotika-assoziierte Diarrhoe, AAD). Dieser ist meistens mild und selbstlimitierend. Die größte Multicenter Doppelblindstudie zur Prophylaxe von AAD mit Probiotika stellte keinen signifikanten Unterschied zur Placebogruppe fest.18
Die Clostridioides-difficile-Infektion (CDI) ist österreichweit die häufigste Ursache bakterieller Darmentzündungen. Sie verursacht eine pseudomembranöse Colitis mit schweren Durchfällen, Fieber und hohen Entzündungsparametern. Die Mortalität ist mit 1 bis 10 % recht hoch. Behandelt wird die CDI mit Metronidazol, Vancomycin oder Fidaxomicin. Stuhltransplantationen weisen in diesem Zusammenhang hohe Heilungsraten auf. Hinsichtlich der Prävention einer CDI durch Probiotikagabe im Spital zeigten Studien keine Auswirkungen auf die Infektionsrate.18 Ein bewusster Einsatz von Antibiotika, die häufig eine CDI auslösen können (Fluorochinolone, Clindamycin, Co-Amoxiclav, Cephalosporine), ist zur Prävention deutlich besser geeignet.
Großer Placeboeffekt bei RDS
Beim Reizdarmsyndrom (RDS) haben Probiotika einen großen Placeboeffekt, wobei nicht alle Präparate gleich wirksam sind. Europäische Fachgesellschaften empfehlen den Einsatz von Probiotika beim RDS trotz limitierter Daten. Auch darmbezogene Hypnose und Amitriptylin können die beim RDS vorliegende viszerale Hypersensitivität senken.
Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wird die Anwendung von Probiotika jedoch meist nicht bzw. nur sehr eingeschränkt empfohlen. Bei Colitis ulcerosa und Pouchitis – einer Entzündung des chirurgisch erzeugten Ileumbeutels bei Colitis-ulcerosa-Betroffenenen – liegen Hinweise auf einen positiven Effekt in der Rezidivprophylaxe vor.
Mikrobiomanalysen und Zukunftsmusik
Högenauer äußerte sich kritisch gegenüber Mikrobiomanalysen für Einzelpersonen. Interindividuelle Unterschiede im Mikrobiom sind zu groß, ein Mangel an gesunden bzw. ein Überschuss an krankmachenden Keimen ist nicht exakt definiert.
„Grundsätzlich sind Probiotika sicher im Einsatz“, erklärte der Experte. Bei Patient:innen mit akuter schwerer Pankreatitis ist jedoch Vorsicht geboten. Im Einzelfall können sie bei schwer erkrankten Patient:innen Infektionen auslösen. Als problematisch sieht Högenauer, dass viele Aussagen zur Wirksamkeit von Probiotika in der Praxis vermischt dargestellt werden, und schloss seinen Vortrag daher mit einem Rat: „Lassen Sie sich die Studiendaten zeigen und bilden Sie sich Ihre Meinung dazu.“
Quellen
Literatur auf Anfrage