Verhütungsmethoden

Viele Wege, ein Ziel

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Die Verwendung der Pille ist rückläufig. Gaben im österreichischen Verhütungsreport 2012 noch 54 % der Teilnehmerinnen an, mit der Pille zu verhüten, so waren es 2015 nur noch 38 % und 2019 lediglich 34 %. Hochrechnungen zufolge erwartet man für das Jahr 2023 einen weiteren Rückgang auf nunmehr 30 %. 

Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Blick auf die Altersverteilung verrät, dass vor allem jüngere Frauen hormonell verhüten. Gleichzeitig ist aber auch der Rückgang in dieser Gruppe am stärksten ausgeprägt. Die Ergebnisse einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch­geführten Untersuchung zum Verhütungsverhalten erwachsener Menschen in Deutschland bestätigen diesen Trend. Auch hier ergab sich eine signifikante Abnahme der Pillen-Nutzerinnen.

abstecher
Notfall-
kontrazeption

Notfallverhütung nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr ist in Österreich apotheken-, jedoch nicht rezeptpflichtig. Entsprechende Präparate dürfen nach angemessener Aufklärung an Patientinnen frei abgegeben werden. Der Erfolg hängt wesentlich vom Zeitpunkt der Anwendung ab. Diese sollte keinesfalls später als 72 Stunden (Levonorgestrel) bzw. 120 Stunden (Ulipristalacetat) erfolgen. Wird innerhalb von drei Stunden erbrochen, ist die Einnahme einer neuen Dosis notwendig.

Kasten 1


Wirksamkeitskriterium Pearl-Index

Ein in Bezug auf die Effektivität einer kontrazeptiven Maßnahme essenzieller Punkt ist deren Wirksamkeit. Denn: Nicht alle Verhütungsmethoden sind gleich verlässlich, wenn es darum geht, eine Schwangerschaft zu verhindern. Um die verschiedenen Optionen miteinander zu vergleichen und eine Entscheidungshilfe anzubieten, wurde der Pearl-Index eingeführt. Diese Zahl, benannt nach dem amerikanischen Wissenschaftler Raymond Pearl, erlaubt eine objektive Beurteilung, wie sicher ein Verhütungsmittel ist. Grundlage der Berechnung sind 100 Frauen im gebärfähigen Alter, die über ein Jahr hinweg die jeweilige Verhütungsmethode benutzen. Ein Pearl-Index von 0 bedeutet, dass keine der 100 Frauen schwanger wurde, ein Pearl-Index von 1, dass eine der 100 Frauen trotz Verhütung schwanger wurde, usw. Je niedriger die Zahl, desto effektiver die Methode.

Theorie vs. Praxis

Ein einschränkendes Kriterium des Pearl-Index ist, dass er eine optimale Adhärenz voraussetzt. Verhütungsmethoden wirken aber logischerweise nur dann, wenn sie auch zuverlässig eingesetzt werden. 

Die Anzahl der Schwangerschaften, die im Rahmen einer bestimmten Methode auftreten, wird aus diesem Grund als „praktischer Pearl-Index“ bezeichnet. Er sagt aus, welche Verhütungsmethode sich im Alltag bewährt, und spiegelt damit das reale Leben wider. 

Demgegenüber beschreibt der theoretische Pearl-Index, wie gut die Methode bei fehlerfreier Anwendung funktioniert. Liegen die Werte nahe beisammen, dann ist sie praxistauglich und man kann wenig falsch machen. Liegen die Werte weit auseinander, so ist es für einen wirksamen Empfängnisschutz wichtig, eine konstante und konsequente Anwendung durchzuführen (siehe Tabelle).

Tabelle - gereiht nach praktischem Pearl-Index, aufsteigend

Pearl-Index ausgewählter Verhütungsmethoden
VerhütungsmethodePearl-Index
Verhütungsstäbchen (Implantat)0-0,08
Sterilisation des Mannes0,1
Hormonspirale0,16
Sterilisation der Frau0,2-0,3
Vaginalring0,65
Kupferspirale/Kupferkette bzw. Goldspirale0,3-0,8
Drei-Monats-Spritze0,3-0,88
Pille0,1-0,9
Verhütungspflaster0,72-0,9
Rötzer-Methode (bei erfahrenen Frauen)0,4-1,8
Minipille0,5-3
Kondom2-12
Diaphragma (inkl. Spermizid)1-20
Temperaturmethode3,8-20
Kalendermethode9-20
Coitus interruptus18-27

1. Die Klassiker

Das Kondom ist eines der ältesten Verhütungsmittel. Es handelt sich um eine aus einer dünnen Latex- oder latexfreien Hülle bestehenden Barriere­methode. Auch wenn der Pearl-Index höher als bei anderen Kontrazeptiva ist, stellt das Kondom die bisher einzige Maßnahme dar, welche relativ zuverlässig vor sexuell übertragenen Erkrankungen schützt. 

Das Diaphragma ist als Barrieremethode der Frau gewissermaßen das Gegenstück zum Kondom. Diaphragmen werden vor dem Geschlechtsverkehr in die Scheide eingeführt und verhindern, dass Spermien in die Gebärmutter eindringen. Die auch als Scheidenpessar bezeichnete Methode wirkt allerdings nur dann verlässlich, wenn sie gemeinsam mit einem Spermizid verwendet wird.

2. Die Natürlichen

Eine natürliche Verhütungsmethode, die auf täglichen Messungen der morgendlichen Aufwachtemperatur beruht, ist die Temperaturmethode. Da die Körpertemperatur nach dem Follikelsprung (Aufnahme einer befruchtungsfähigen Eizelle in den Eileiter) geringfügig ansteigt, lässt sich der damit verbundene Temperaturanstieg zur Verhütung nutzen. Die alleinige Verwendung wird nicht empfohlen. Zu viele Faktoren wie Alkohol, Medikamente, Schlafmangel und Stress können die physiologische Körpertemperatur beeinflussen. Die symptothermale bzw. Rötzer-Methode kombiniert die tägliche Temperaturmessung mit dem Abtasten des Gebärmutterhalses (ist in der fruchtbaren Zeit weicher und leicht geöffnet) und der Kontrolle der Beschaffenheit und Farbe des Gebärmutterschleims. Die Rötzer-Methode ist für das Konzept der natürlichen Familienplanung von zentraler Bedeutung.

3. Die Unbestechlichen

Eine dauerhafte Kontrazeption für Frauen und Männer, deren Familienplanung abgeschlossen ist, ermöglicht die Sterilisation. In einer minimalinvasiven Operation durchtrennt die Ärztin oder 
der Arzt den Eileiter der Frau bzw. die beiden Samenleiter des Mannes und damit den Transportweg von Eizelle und Spermien.

4. Die Glänzenden

Intrauterinpessare (IUP) wie Kupfer- und Goldspiralen werden bis zu fünf Jahre in der Gebärmutter platziert und wirken über die Freisetzung von Kupferionen kontrazeptiv. Sie bestehen aus einem kleinen T-förmigen Kunststoffträger und, im Fall von Kupferspiralen, einem Kupferdraht. Bei Goldspiralen ist dieser Draht im Kern aus Gold oder von einer Gold-Legierung umgeben.

5. Die durch den Magen Gehenden

Für die kontrazeptive Wirkung hormoneller Präparate ist vor allem die Gestagen-Komponente verantwortlich. Sie verändert die Viskosität des Gebärmuttersekrets, unterdrückt den Eisprung und täuscht dem Körper eine Schwangerschaft vor. Kombinationspillen enthalten zusätzlich ein Östrogen, was Zwischenblutungen verringert und die Fehlertoleranz erhöht, jedoch auch zu einem erhöhten Thromboserisiko führt. Einphasenpräparate geben über den gesamten Einnahmezyklus von 21 Tagen eine konstante Östrogen- und Gestagendosis ab, danach folgt eine siebentägige Einnahmepause mit Hormonentzugsblutung. Zweiphasenpräparate enthalten in der ersten Zyklushälfte nur Östrogene und in der zweiten zusätzlich Gestagene, um sie besser an die weibliche Physiologie anzupassen. Sie sind zwar besser verträglich, haben jedoch einen etwas höheren Pearl-Index. Dreiphasenpräparate sind dem weiblichen Zyklus noch stärker nachempfunden. Weichen Patientinnen vom festgelegten Schema ab, ist die kontrazeptive Wirksamkeit rasch eingeschränkt. Anforderungen an die Adhärenz sind demnach höher. Gestagenmonopräparate enthalten lediglich ein Gestagen und werden durchgehend ohne Pause eingenommen. Es gibt niedrig (Minipillen, erhöhen Viskosität des Gebärmutterschleims) und höher dosierte Präparate (hemmen darüber hinaus die Ovulation).  

6. Die Nadlige

Ebenfalls ein Gestagenmonopräparat, allerdings eines mit Depotwirkung, ist die Drei-Monats-Spritze. Sie wird durch eine Ärztin oder einen Arzt intramuskulär injiziert. Frauen, die eine längere Depotwirkung bevorzugen, können auf das Stäbchen zurückgreifen. Dieses längliche, röntgendichte, biologisch nicht abbaubare und flexible Trägermaterial enthält ein Gestagen, das mithilfe eines sterilen Einmalapplikators in den Oberarm implantiert wird und dort drei bis fünf Jahre verbleibt.

7. Die Klebenden

Eine nicht permanente Verhütungsmethode sind Verhütungspflaster. Sie sind Einphasenpräparate, bei denen die Hormone in einer Matrix suspendiert vorliegen und nach dem Aufkleben über die Haut in den systemischen Kreislauf gelangen. Die Anwendung gliedert sich in vier Zyklen zu je einer Woche. Nach drei Wochen mit Pflaster folgt ein pflasterfreies Intervall von sieben Tagen, bevor ein neuer Zyklus beginnt. Vaginalringe werden spätestens bis zum fünften Zyklustag in die Vagina eingeführt. Diese verformbaren Gummiringe setzen dort für insgesamt drei Wochen Etonogestrel und Ethinylestradiol frei, die über die Vaginalschleimhaut resorbiert werden. Aufgrund der relativ niedrigen Hormonmengen empfiehlt es sich, den Vaginalring am gleichen Wochentag und ungefähr zur selben Uhrzeit zu wechseln.

8. Die Unsichtbare

Das hormonhaltige Pendant zur Kupfer- oder Goldspirale ist ein gestagenhaltiges Intrauterinpessar, welches das Hormon über einen langen Zeitraum an das umgebende Gewebe abgibt.

SOS: Einnahme vergessen!

Das Vorgehen bei verspäteter Pilleneinnahme hängt vom jeweiligen Präparat ab. Klassische Minipillen sollten innerhalb eines Zeitfensters von drei Stunden eingenommen werden. Wird diese Karenzzeit überschritten, empfiehlt sich für die kommenden sieben Tage ergänzend eine Barrieremethode. Bei hoch dosierten Gestagenen und Kombinationspräparaten kann die Einnahme in den nächsten zwölf Stunden nachgeholt werden. Andernfalls wäre auch hier eine Barrieremethode für die kommenden sieben Tage angebracht. Vergessen Kundinnen kombinierte Präparate hingegen in der zweiten Einnahmewoche, sind keine weiteren Maßnahmen nötig. In der dritten Einnahmewoche ist es empfehlenswert, die nächste Packung ohne Unterbrechung weiter zu nehmen. Sollten Kundinnen mehr als eine Einnahme vergessen, ist im gesamten Pillenzyklus kein ausreichender Empfängnisschutz mehr gegeben. Die Karenzzeit für Verhütungspflaster beläuft sich auf mehr als 24 Stunden, bei der Drei-Monats-Spritze sind es zwei Wochen. Wird es verabsäumt, den Vaginalring zu entfernen, ist das zunächst kein Problem. Er kann bis zu vier Wochen in der Scheide ­verbleiben, ohne dass die Verhütung beeinträchtigt ist. Wird der Ring nach der ringfreien Woche allerdings zu spät eingeführt, sollte dies möglichst bald nachgeholt und für die nächsten sieben Tage mit einer Barrieremethode verhütet werden.

Quellen

• Colquitt CW, Martin TS. Contraceptive Methods. J Pharm Pract. 2017; 30(1):130-135.
• Österreichischer Verhütungsreport 2012. Abrufbar unter: www.verhuetungsreport.at/2012 
• Österreichischer Verhütungsreport 2015. Abrufbar unter: www.verhuetungsreport.at/2015 
• Österreichischer Verhütungsreport 2019. Abrufbar unter: www.verhuetungsreport.at/2019 
• Pro-Familia. Pearl-Index. Abrufbar unter: www.profamilia.de/themen/verhuetung/pearl-index.

Weitere Literatur auf Anfrage

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