
In den USA wurden die Hersteller bereits zu Aufzeichnungen über Schwangerschaften unter dieser Substanzklasse aufgefordert, um mehr Daten zu diesem Phänomen zu gewinnen.
Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) gilt als häufigster Grund für Unfruchtbarkeit bei Frauen und weist sowohl klinisch als auch biochemisch eine gewisse Heterogenität auf. Es zeichnet sich primär durch eine ovarielle Dysfunktion und Hyperandrogenämie aus, die beispielsweise zu Hirsutismus und Akne führen kann. Auch menstruelle Unregelmäßigkeiten wie Oligo- oder Amenorrhoe sowie die namensgebenden einseitig oder beidseitig vorliegenden polyzystischen Ovarien sind klinische Manifestationen. Für die eindeutige Diagnose werden meistens die Rotterdam-Kriterien verwendet. Dabei müssen mindestens zwei der drei Kriterien (1) Oligo- oder Anovulation, (2) Hyperandrogenämie (biochemisch oder klinisch) sowie (3) im Ultraschall festgestellte polyzystische Ovarien vorliegen.
Metabolisch ist das PCOS durch eine Neigung zu Adipositas und Insulinresistenz gekennzeichnet, die mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, das metabolische Syndrom, Schlafapnoe, Endometriumhyperplasie und möglicherweise auch kardiovaskuläre Erkrankungen einhergehen. Während bis zu 75 % der normalgewichtigen PCOS-Patientinnen eine Insulinresistenz aufweisen, ist der Anteil bei adipösen Betroffenen mit bis zu 95 % nochmals höher.
Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und Infertilität
Die Insulinresistenz kann sich klinisch unterschiedlich zeigen und ist äußerlich bspw. mit der Acanthosis nigricans assoziiert, einer Hyperpigmentierung und Hyperkeratose der Haut in der Leisten- und Achselregion sowie am Hals. Man geht davon aus, dass erhöhte Insulinspiegel über eine Interaktion mit dem IGFR1 (Insulin-like growth factor 1) die Proliferation von Keratinozyten und Fibroblasten stimulieren, wodurch die charakteristische plaqueartige Oberfläche entsteht.

Die Hyperinsulinämie trägt außerdem direkt und indirekt zur Hyperandrogenämie bei, indem sie die Androgensynthese in den ovariellen Theca-Zellen stimuliert und die Produktion des SHBG (sex-hormone binding globuline) in der Leber supprimiert, wodurch sowohl der Androgenspiegel an sich als auch der Anteil an freien Androgenen steigt. Das komplexe Zusammenspiel aus metabolischen und hormonellen Prozessen führt zu der erhöhten Infertilitätsrate bei PCOS-Patientinnen und zum häufig schlechteren Ansprechen auf künstliche Reproduktionstechniken.
Auch Frauen mit wiederholten Fehlgeburten zeigen eine höhere Prävalenz für Insulinresistenz, unabhängig vom Vorliegen eines PCOS. Ursächlich dürften neben der hormonellen Beeinflussung auch die Induktion von oxidativem Stress, Veränderungen im mitochondrialen Energiemetabolismus, Einflüsse auf die Oocyten-Entwicklung, die Embyroqualität sowie auf die Implantationswahrscheinlichkeit und das Endometrium sein. Studien zum Einfluss von Metformin auf die Reproduktionsfähigkeit zeigten mitunter positive Ergebnisse, zum Teil aber auch einen fehlenden Benefit im Vergleich zur Therapie mit Clomifen. Daher ist der tatsächliche isolierte Stellenwert der Insulinresistenz in Bezug auf Infertilität noch nicht restlos geklärt.
Übergewicht als Risikofaktor
Wie bereits beschrieben, steigt mit dem Körpergewicht das Risiko für eine Insulinresistenz zusätzlich an und Adipositas ist auch durch andere Prozesse mit Fertilitätsproblemen assoziiert. Obwohl Fettgewebe als Energiespeicher essenziell für die Reproduktion und eine normale Entwicklung des Kindes ist, kann ein Überschuss negative Auswirkungen haben. Bei PCOS-Patientinnen ist der Spiegel von proinflammatorischen Adipokinen wie TNF-α erhöht und jener von Adiponektin erniedrigt. Dieses „positive Adipokin“ fördert unter anderem die hepatische Glucoseaufnahme und vermindert gleichzeitig die Gluconeogenese. Auch Leptin, welches über den Hypothalamus die GnRH-Freisetzung reguliert, kann bei unter Adipositas erhöhten Spiegeln zu einer beeinträchtigten Fruchtbarkeit führen. Ein Einfluss auf die HPG-Achse (Hypothalamus-Hypophyse-Gonaden) liegt auch durch die erhöhte Konversion von Androgenen zu Östrogen im Fettgewebe vor. Über einen negativen Feedbackmechanismus kommt es zu einer verminderten GnRH-Freisetzung und einem erhöhten Auftreten von irregulären oder anovulatorischen Zyklen.
Der Stellenwert antihyperglykämischer und gewichtsmodulierender Therapien
Eine deutsche Leitlinie zu PCOS existierte bisher nicht, befindet sich jedoch in Arbeit und soll noch 2025 veröffentlicht werden. Die internationale Guideline verschiedener Fachgesellschaften und des „International PCOS Network“ von 2023 empfiehlt neben Lifestyle-Modifikationen den Einsatz von Metformin für PCOS-Patientinnen mit einem BMI > 25 kg/m2 im Hinblick auf eine verbessertes metabolisches Outcome und weist auf die mögliche Anwendung bei Jugendlichen zur Zyklusregulation hin, wofür jedoch nur eine limitierte Evidenz besteht. Für die Anwendung in der Schwangerschaft wird der Einsatz unter speziellen Umständen wie einem erhöhten Frühgeburtsrisiko erwähnt, um eine zusätzliche Gewichtszunahme und das Risiko einer vorzeitigen Entbindung zu reduzieren. Zu erwähnen ist hierbei, dass die Anwendung von Metformin bei PCOS außerhalb der Therapie eines Diabetes mellitus aufgrund der fehlenden Zulassung off-label erfolgt.
Hinsichtlich der Anwendung von GLP-1-Agonisten wird in der Leitlinie auf den Stellenwert zukünftiger Forschungsbemühungen im Bereich PCOS hingewiesen und als Konsensusempfehlung, basierend auf Leitlinien für die Allgemeinbevölkerung, auf die mögliche Anwendung bei adipösen PCOS-Patientinnen hingewiesen. In diesem Zusammenhang wird jedoch auch erwähnt, dass beim Einsatz eine effektive Verhütungsmethode gesichert sein solle, da es an Sicherheitsdaten in der Schwangerschaft noch fehle.

Aufgrund der durch GLP-1-Agonisten verursachten Verzögerung der Magenentleerung wird dabei teilweise die Frage nach einer beeinträchtigten Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva laut. Für Liraglutid, Semaglutid und Dulaglutid gibt es dahingehend Entwarnung in den Fachinformationen, bei Tirzepatid stellt sich die Situation etwas komplexer dar. Die europäische Fachinformation erwähnt zwar Studien zum Einfluss auf pharmakokinetische Parameter kombinierter oraler Kontrazeptiva, eine Therapieanpassung wird jedoch als nicht erforderlich angesehen. Die „Prescribing Information“ des Arzneimittels aus den USA gibt hingegen auf Basis derselben Studienergebnisse an, dass Patientinnen nach der Therapieeinleitung und nach Dosissteigerungen von Tirzepatid für eine Dauer von vier Wochen zusätzliche Barrieremethoden anwenden oder auf andere, nicht orale Verhütungsmethoden umsteigen sollten. Hier bietet sich im Bedarfsfall also eine Rücksprache mit dem/der behandelnden Gynäkologen/Gynäkologin an.
Datenlage zu GLP-1-Agonisten
Die meisten Daten aus randomisierten kontrollierten Studien zum Einsatz von GLP-1-Agonisten bei PCOS stehen für Liraglutid zur Verfügung. Dabei konnten in einigen Studien neben einer Reduktion des Körpergewichts erhöhte SHBG-Spiegel, verminderte Testosteronspiegel, eine erhöhte Regelmäßigkeit des Menstruationszyklus sowie eine morphologische Veränderung der Ovarien festgestellt werden. In einer Studie, die die Kombination von Liraglutid mit Metformin untersuchte, war die Erfolgsrate nach einem Embryotransfer im Vergleich zur Metformin-Monotherapie sowohl nach 12 Wochen als auch nach 12 Monaten signifikant erhöht. Auch für Semaglutid werden ähnliche Wirkungen postuliert und mit dem „Wegovy Pregnancy Registry“ in den USA nun Daten zu übergewichtigen und adipösen Schwangeren mit oder ohne Semaglutid-Therapie sowie zur Gesundheit ihrer Kinder im ersten Lebensjahr gesammelt.
Tirzepatid, das erst kürzlich zugelassene „Twinkretin“, könnte durch den dualen Wirkmechanismus noch zusätzliche Benefits in Bezug auf PCOS bieten. GIP hat im Vergleich zu GLP-1 einen noch stärkeren Einfluss auf die Insulinsekretion, reguliert unter anderem die Aktivität der Lipoproteinlipase, und die Kombination von GLP-1-und GIP-Agonisten zeigt zudem synergistische Effekte.
Was außerhalb von pharmakologischen Interventionen für übergewichtige PCOS-Patientinnen empfohlen wird, ist eine Reduktion des Gewichts im Rahmen von Ernährungsumstellungen und körperlicher Betätigung. Gelingt dies, ist auch mit einer Verbesserung der Insulinresistenz und der allgemeinen metabolischen Situation zu rechnen, was sich positiv auf die Fertilität auswirken kann. Da der Erfolg mit den genannten Maßnahmen individuell sehr variabel und von vielen Faktoren abhängig ist, könnten Arzneimittel wie GLP-1- und GIP-Agonisten in Zukunft eine sinnvolle Ergänzung der Therapie darstellen. Eine Hürde werden dahingehend sicher Zulassungs- und Erstattungsthemen spielen, wie man sie bereits von anderen Indikationen kennt.
Quellen
1 Anala, A. D. et al.: The Potential Utility of Tirzepatide for the
Management of Polycystic Ovary Syndrome. J Clin Med. 2023; 12(14):4575.
2 Azziz, R. et al.: The Prevalence and Features of
the Polycystic Ovary Syndrome in an Unselected Population.
J Clin Endocrinol Metab. 2004; 89(6):2745-9.
3 Dağ, Z. Ö. et al.: Impact of Obesity on Infertility in Women.
J Turk Ger Gynecol Assoc. 2015; 16(2):111-7.
4 Glueck, C. J. et al.: Continuing Metformin Throughout Pregnancy in Women with Polycystic Ovary Syndrome Appears to Safely Reduce First-Trimester Spontaneous Abortion: A Pilot Study. Fertil Steril. 2001 Jan; 75(1):46-52.
5 Helena Teede, H. J. et al.: International Evidence-based Guideline
for the Assessment and Management of Polycystic Ovary Syndrome 2023.