Vulvitis und Kolpitis

Reden über das Tabu: Jucken, Brennen, Ausfluss

MAG. PHARM.  René  GERSTBAUER
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 bakterielle Vaginose © shutterstock
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Eine bakterielle Vaginose (BV) ist ein häufiger Grund für einen Apothekenbesuch von Frauen. Die Prävalenz der BV liegt zwischen 23 und 29 % bei sexuell aktiven Frauen. Wurde eine BV ordnungsgemäß diagnostiziert, so steht eine gut etablierte Therapie mittels der Antibiotika Metronidazol oder Clindamycin zur Auswahl. Oral verabreichtes Metronidazol 500 mg soll 2 x tgl. über einen Zeitraum von 7 Tagen eingenommen werden. Auch bei Clindamycin 300 mg wird eine 2 x tgl. Verabreichung für 7 Tage empfohlen. Für die vaginale Anwendung ist eine 2%ige Clindamycin-Creme (1 x tgl. abends/7 Tage) im Handel verfügbar.

Bakterielle Vaginose: Amsel-Kriterien

Die Diagnose einer bakteriellen Vaginose wird gestellt, wenn drei der folgenden vier Kriterien erfüllt sind:

  • Typischer grauweißer, homogener und dünnflüssiger oder schaumiger Fluor
  • Typischer fischiger Geruch (nach Auftropfen von 10%iger Kalilauge nimmt Geruch zu → positiver Amintest
  • Vaginaler pH-Wert > 4,5
  • Mikroskopischer Nachweis 
    von Schlüsselzellen (Clue celles)

Problematisch ist die hohe Versagerquote einer First-Line-Metronidazolgabe, die in den Resistenzmechanismen von Gardnerella spp. begründet liegt. Studien belegen, dass die zusätzliche Anwendung von Antiseptika, wie beispielsweise Dequaliniumchlorid, Octenidin und Povidon-Jod zielführend ist. Ungeachtet dessen führen bis zu 90 % der betroffenen Frauen eine Selbsttherapie durch, wodurch – abgesehen von der fehlenden Diagnose – die Erkrankung nicht effizient therapiert werden kann. 

Bazillen – Grundlage für vaginale Gesundheit

Die gesunde Scheidenflora beinhaltet verschiedene Arten von Laktobazillen (v. a. L. acidophilus, L. crispatus, L. iners, L. gasseri und L. jensenii). Diese grampositiven, fakultativ anaeroben Bakterien produzieren Milchsäure aus dem Glykogen abgeschilferter Vaginalepithelzellen. Weiters sind sie für den sauren pH-Wert (3,8–4,4) in der Vagina verantwortlich. Laktobazillen haben eine natürliche Abwehrfunktion gegen potenziell pathogene Erreger, welche sich in kleiner Zahl zwar ebenfalls in der Vagina befinden, deren Reproduktion jedoch durch ebenjene Laktobazillen inhibiert wird.  Estrogene können über die Freisetzung von Glykogen aus dem Plattenepithel die Besiedlung mit Laktobakterien fördern und die Vagina durch das entstehende saure Milieu zusätzlich vor Infektion schützen.

Weibliches Geschlechtsorgan © iStock
Erkrankungen im Intimbereich sind für viele Frauen ein absolutes Tabuthema. Deshalb schieben sie klärende Arztgespräche oft auf. © iStock

Bestimmte Umstände, wie genetische Prädisposition, Schwangerschaft, veränderte Hormonlage (post-menopau­sal), psychosozialer Stress, Geschlechtsverkehr, Arzneimittel (z. B. ­Antibiotika) oder vermeintlich „falsche“ Intim­hygiene werden als Störfaktoren für das saure Mikromilieu der Vagina angenommen – manche möglichen Ursachen sind jedoch nicht gänzlich evidenzbasiert geklärt. In der Folge vermehren sich pathogene Keime und nehmen überhand. 

BV-Syndrom mit Biofilm

Seit mehr als 50 Jahren wird versucht, die Pathogenese der BV aufzuklären. Forscher:innen identifizierten mehrere mögliche Ursachen: Störungen im Sinne einer Dysbiose bzw. Dysbalance in der Scheidenflora, generelle Identifi­kation als sexuell übertragbare Infektionskrankheit oder bei asymptomatischen Frauen gar ein Normalzustand. Konsens wurde inzwischen gefunden, indem eine BV als Syndrom betrachtet wird, zu welchem Biofilme und nicht weiter charakterisierte Dysbiosen der Scheidenflora gehören. 

Gesichert ist jedoch der Einfluss von Bakterien der Spezies Gardnerella: ein generell wenig pathogenes, kurzes, unbewegliches, grampositives Stäbchen, welches bei ca. 40 % aller Frauen in geringer Zahl die Vagina besiedelt, ohne jedoch Symptome zu verursachen. Bei steigender Keimzahl (bakterielle Dysbiose) werden die Laktobazillen verdrängt und der pH-Wert nimmt weiter zu. Zusätzlich fördern die Stoffwechselprodukte von Gardnerella die Proliferation von Anaerobiern (z. B. Bacteroides). Die Bakterien bilden einen Biofilm an der Vaginalwand, wodurch sich das Vaginalsekret verändert. Der typische fischige Geruch des Fluors genitalis wird durch die von Gardnerella freigesetzten Amine verursacht. Daher wurde früher auch von einer Aminkolpitis gesprochen. 

Infektionen Aus dem Gleich­gewicht

Definition

Vulvitis

  • Entzündliche Erkrankung der äußeren Genitalorgane (Vulva)

Kolpitis (Vaginitis)

  • Entzündliche Veränderungen der Vagina

Vulvovaginiti

  • Entzündliche Veränderungen der Vulva und der Vagina

Vaginose 

  • Atypische Besiedelung (Dysbiose) des Mikrobioms der 
    Scheidenflora → anaerobe Bakterien ↑, Laktobazillen ↓
  • Die bakterielle Vaginose (BV) ist die häufigste Ursache einer Kolpitis

Fluor genitalis

  • Vaginaler Ausfluss → vermehrt produzierter, meist 
    unblutiger Sekretabgang 

Ursachen für Vulvitis und Kolpitis

  • Gardnerella spp. (oder Bakteriengemisch mit Anaerobiern)
  • Trichomonaden
  • A-Streptokokken
  • Herpes genitalis (nur Vulvitis, höchst selten Kolpitis)
  • Papillomaviren
  • Candida-Arten
  • Estrogenmangel

Prävention: Milchsäure und Probiotika

Komplementäre Therapieoptionen finden vor allem durch OTC-Präparate an der Tara ihren Anklang. Tatsächlich zeigen Studien auch einen positiven Nutzen in der Anwendung von Probiotika und Milchsäure bei der Therapie sowie der Rezidivprophylaxe einer BV:

Milchsäure

  • Antimikrobielle Eigenschaften
  • Begrenzt das Wachstum von fakultativ pathogenen Bakterien
  • Hat viruzide Aktivität
  • Eine manifestierte oder chronisch rezidivierende BV kann mit Milchsäure oder Laktobazillus-Präparaten allein nicht geheilt werden.
  • Beste Ergebnisse lt. Studien in Kombination von Metronidazol mit Laktatgel
  • Lt. einigen Studien keine klare Empfehlung für oder gegen eine Prophylaxe
Unterstützende Therapie
Antiseptika bei bakterieller Vaginose

AntiseptikumApplikationDosierungTherapiedauer
DequaliniumchloridVaginal1 x tgl. 10  mg6 Tage
OctenidinVaginalErster Tag: 
2 Sprühstöße, Folgetage jeweils 1 x tgl.
7 Tage
Povidon-Jod
(lt. Leitlinie nur eingeschränkte Wirksamkeit und KI während Schwangerschaft
Vaginal1 x tgl. eine 
Applikatorfüllung
6–7 Tage

Laktobazillen

  • Produzieren D- und L-Laktat, H2O2, Biosurfactants und Koaggre­gationsmoleküle zum Schutz vor Adhäsion pathogener Bakterien
  • Kontroverse Beurteilung beim Einsatz zur Prophylaxe oder Therapie bei BV (Studien zeigen aber zum Teil positiven Effekt: nach Therapie nur bei 15,8 % ein Rezidiv bei BV, in der Placebogruppe lag die Rezidivrate bei 45 %)

Ob eine Partnerbehandlung sinnvoll ist, wird kontroversiell diskutiert. Bei chronisch rezidivierenden Verläufen einer BV liegt nur begrenzte Evidenz für eine Partnerbehandlung vor. Epidemiologisch betrachtet haben Frauen mit konstantem Sexualpartner ein 3–4 x so hohes Risiko für eine rezidivierende BV-Infektion. Trotzdem wird pauschal keine routinemäßige Partnerbehandlung empfohlen. Dennoch wird die kombinierte orale und topische Behandlung männlicher Partner von Frauen mit BV als gut verträglich eingestuft, Datenlage und Sinnhaftigkeit sind aber wenig repräsentativ, größere Studien werden daher benötigt.

Die Leitlinie empfiehlt als vorbeugende Maßnahmen Stressvermeidung, einen gesunden Lebensstil und normales Körpergewicht. Zur „richtigen“ Vaginalhygiene existiert keine eindeutige Datenlage, es gibt jedoch Hinweise, dass bestimmte Sexualpraktiken mit Vaginal- und Analverkehr (negative Auswirkung auf normalerweise saures Scheidenmilieu) eine BV begünstigen.

Schwangerschaft – heikle Situation

Besonderes Augenmerk in der Beratung sollte bei Schwangeren mit Verdacht auf eine bakterielle Vaginose gelegt werden. Sollten an der Tara typische Symptome genannt werden, so ist hier der Selbstmedikation ein Limit gesetzt und ein folgender Arztbesuch dringend empfohlen, um mögliche Schwangerschafts- und Wochenbettkomplikationen zu vermeiden. Laut aktueller Leitlinie zur BV sollte nach gesicherter Diagnose eine Therapie mit bevorzugt Clindamycin erfolgen, wobei auch Antiseptika zur Anwendung kommen können – hierbei ist wiederum zu beachten, dass Povidon-Jod in der Schwangerschaft nicht angewendet werden darf.

Eine pauschale Aussage betreffend Prophylaxe in der Schwangerschaft lässt sich nicht mit Sicherheit tätigen. Gesichert ist, dass eine bei Auffälligkeiten der Vaginalflora eingeleitete Korrektur bzw. Behandlung das Frühgeburtenrisiko senkt. Jedoch sind Studien hierzu aufgrund fehlender randomisierter Kontrollgruppen kritisch zu sehen.

Quellen

  • S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
  • Peebles K et al.: High Global Burden and Costs of Bacterial Vaginosis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sex Transm Dis 2019; 46: 304–311
  • Verstraelen H, et al.: Gene polymorphisms of Toll-like and related recognition receptors in relation to the vaginal carriage of Gardnerella vaginalis and Atopobium vaginae. J Reprod Immunol 2009; 79: 163–173
  • Kenfack-Zanguim J, et al: Systematic review and meta-analysis of maternal and fetal outcomes among pregnant women with bacterial vaginosis. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2023; 289: 9–18 

Weitere Literatur beim Autor

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