Die genauen Mechanismen des Alterns sind nach wie vor in Diskussion. Um den Alterungsprozess besser zu verstehen, haben Forscher:innen zelluläre und molekulare Kennzeichen des Alterns identifiziert, die gemeinsam die sichtbaren Zeichen des Alterns bestimmen. Dazu zählen u. a. die genomische Instabilität, der Verschleiß der Telomere, epigenetische Veränderungen, mitochondriale Fehlfunktionen, die Erschöpfung der Stammzellen, veränderte Autophagieprozesse oder ein verändertes Darmmikrobiom.
Die Theorie der freien Radikale
Diese Theorie des Alterns stammt aus dem Jahre 1956 und stellt ein Erklärungsmodell für unsere Zellalterung dar. Die Theorie besagt, dass im Rahmen unserer Stoffwechselprozesse aus molekularem Sauerstoff laufend freie Radikale in den Zellen entstehen. Diese können u. a. die DNA und RNA sowie eine Vielzahl von Proteinen und Lipiden in der Zelle schädigen. Dies führt, so die These, zu einer stetig wachsenden Ansammlung von geschädigten Zellkomponenten und bewirkt u. a. den Alterungsprozess.
Zellschäden verursachen altersbedingte Erkrankungen
Während die Zellschäden bei jüngeren Personen reparabel sind, kommt es bei älteren Personen zu dauerhaften Beeinträchtigungen im Zell-Metabolismus. Die Folgen sind ein vermehrtes Absterben der Zellen bzw. Entartungen und mögliche Mutationen zu Krebszellen. So stehen rund 80 bis 90 % aller Degenerationskrankheiten in Zusammenhang mit freien Radikalen. Diese beginnen schleichend mit Entzündungsprozessen und Veränderungen an den Gefäßen, der Haut, den Nerven sowie den Knochen und Gelenken. Nicht selten entwickeln sich daraus altersbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, Arteriosklerose), Erkrankungen des Skeletts (Arthrose, Gelenkserkrankungen, Osteoporose), Erkrankungen des Nervensystems (Alzheimer, Demenz, Parkinson) sowie Krebs-Erkrankungen.
Endogene und exogene Antioxidantien
Die Zellen sind grundsätzlich in der Lage, antioxidative Substanzen zu produzieren und freie Radikale unschädlich zu machen. Dazu zählen beispielsweise Glutathion, Coenzym Q10, Liponsäure und Harnsäure sowie die antioxidativ wirkenden Enzyme Superoxiddismutase mit den Cofaktoren Zink, Kupfer, Mangan, die Glutathionperoxidase mit dem Cofaktor Selen sowie die Katalase mit den Cofaktoren Eisen und Mangan. Weitere Antioxidantien finden sich in der Nahrung, z. B. Ascorbinsäure, Tocopherol, Carotinoide, Polyphenole, Anthocyanidine oder Flavonoide.
Schutz vor oxidativem Stress
Ergänzungen mit Antioxidantien können den täglichen Balanceakt zwischen freien Radikalen und Antioxidantien positiv beeinflussen.
Vitamin C ist ein zentrales wasserlösliches Antioxidans mit vielfältigen Funktionen. Das Vitamin zeigt in zahlreichen Studien einen protektiven Effekt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Schlaganfall, die Bildung einer Katarakt-Erkrankung sowie Gefäßerkrankungen. Vitamin E ist wiederum das wichtigste lipophile Antioxidans und spielt im Alterungsprozess eine entscheidende Rolle. Studien haben gezeigt, dass hohe Serumkonzentrationen von Alpha-Tocopherol mit einer höheren Muskelkraft sowie Aufrechterhaltung der Knochengesundheit assoziiert sind. Umgekehrt stehen niedrige Vitamin-E-Konzentration mit dem Risiko für kognitive Störungen bei älteren Menschen in Zusammenhang. Ergänzend sind sekundäre Pflanzenstoffe zu empfehlen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen können.
Empfohlene Dosierung:
Vitamin C 250–500 mg
Vitamin E 20–30 mg
Polyphenole 50–100 mg
Zink und Selen als Cofaktoren
Zink ist ein essenzieller Bestandteil zahlreicher Enzyme und von zentraler Bedeutung für die Immunkompetenz. Eine altersabhängige Veränderung der Immunfunktionen ähnelt den Symptomen eines Zinkmangels. Tatsächlich zählt Zinkmangel zu den häufigen Mangelerkrankungen bei älteren Menschen. Selen ist ein weiteres antioxidatives Spurenelement, ein niedriger Selenstatus wird mit einem höheren Mortalitätsrisiko bei älteren Menschen assoziiert.
Empfohlene Dosierung
Zink 10–15 mg
Selen 50–60 µg
Coenzym Q10, der Anti-Aging-Faktor für das Herz
Das Vitaminoid Coenzym Q10 wird im Körper selbst produziert und gleichzeitig v. a. über tierische Lebensmittel zugeführt. Coenzym Q10 ist wichtig für die Energiegewinnung, hat direkten Einfluss auf die Herzmuskulatur, wirkt antioxidativ und regeneriert oxidierte Antioxidantien wie Vitamin E und Vitamin C. Da die körpereigene Produktion von Coenzym Q10 mit zunehmendem Alter abnimmt, steht es im Mittelpunkt der Anti-Aging-Forschung. Ein positiver Nebeneffekt von zusätzlichem Coenzym Q10 zeigt sich in einer effizienten Regeneration, in seiner entzündungshemmenden Wirkung sowie bei der Haut. Hier können Alterserscheinungen der Haut, speziell die Faltenbildung, positiv beeinflusst werden.
Empfohlene Dosierung:
Coenzym Q10 50–100 mg
Einfluss von Omega-3-Fettsäuren auf Zellalterung
Omega-3-Fettsäuren wie Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) zeigen eine entzündungshemmende Wirkung. Dieser Effekt ist gerade im Alter wichtig, da zahlreiche Alterserkrankungen auf langjährigen Entzündungsprozessen basieren. Wirksam sind Omega-3-Fettsäuren zum Beispiel bei Gefäßerkrankungen, koronaren Herzerkrankungen, Nervenerkrankungen wie Polyneuropathie oder Demenz, hohen Blutfetten, Diabetes, altersbedingter Makuladegeneration, Arthrose oder Rheuma.
Darüber hinaus wird vermutet, dass Omega-3-Fettsäuren die Alterung der Zellen verlangsamen, indem sie die Enden der Chromosomen (Telomere) schützen. Die Enden verkürzen sich bei jeder Zellteilung, bis die Chromosomen instabil werden und die Zellen sterben. Ergebnisse einer Beobachtungsstudie deuten darauf hin, dass die regelmäßige Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren die Länge der Telomere bewahren könnte.
Empfohlene Dosierung:
Omega-3-Fettsäuren 1.000–1.500 mg
Vitamin D als Anti-Aging-Vitamin
Vitamin D schützt vor altersbedingter Knochenentkalkung (Osteoporose) und Knochenbrüchen, unterstützt die Muskulatur, das Immunsystem, das Gefäßsystem, die psychische Befindlichkeit und die geistige Flexibilität. Umgekehrt ist bei zahlreichen altersbedingten Krankheiten ein Vitamin-D-Mangel zu beobachten, da die körpereigene Produktion und die Fähigkeit, Vitamin D in seine aktive Form umzuwandeln, mit dem Alter abnimmt. Auch die Rezeptoren an den Organen nehmen vermutlich ab und Vitamin D kann seine Wirkungen nicht entfalten. Insgesamt ist ein Vitamin-D-Mangel bei älteren Personen weit verbreitet und die Korrektur eines geringen Vitamin-D-Spiegels aufgrund der zahlreichen Funktionen zu empfehlen.
Empfohlene Dosierung:
Vitamin D 2.000 I.E./Tag
Dysbiose – gestörte Darmflora
Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms ist dynamisch und hängt von Umweltfaktoren wie Ernährung und Lebensstil, aber auch vom Alter ab. Diese ist mit zunehmendem Alter weniger komplex und durch die Anwesenheit von mehr pathogenen Bakterien gekennzeichnet. Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom eine ursächliche Rolle bei der Alterung spielen kann.
Probiotika als Anti-Aging-Maßnahme
Im Alter treten Verdauungsprobleme wie Verstopfung, Unverträglichkeiten oder vermehrte Blähungen bekanntlich häufiger auf. Dies kann einerseits auf Lebensstil und Ernährung, andererseits auf die vermehrte Einnahme von Medikamenten zurückgeführt werden. Gemeinsam mit einer Dysbiose kann es zu einer vermehrten Durchlässigkeit der Darmwand sowie resultierenden Entzündungsprozessen im Körper kommen. Studien lassen darauf schließen, dass ein gestörtes Darmmikrobiom u. a. zur Entwicklung altersbedingter Erkrankungen wie erhöhtem Blutzucker, erhöhten Fettwerten, erhöhtem Blutdruck und verminderter Knochendichte beitragen kann. Es wurde nachgewiesen, dass die körperliche Gebrechlichkeit eher mit der Zusammensetzung des Darmmikrobioms und deren bakterieller Vielfalt zusammenhängt als mit dem biologischen Alter. Umgekehrt konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Probiotika bei altersbedingten Erkrankungen helfen kann, metabolische Dysbalancen positiv zu beeinflussen. Nach derzeitigem Wissen sind Kombinationspräparate mit mehreren Stämmen besser geeignet, um eine langfristige Regeneration der Darmflora zu erzielen. Dabei sollten die Probiotika über einen längeren Zeitraum, mindestens drei Monate, regelmäßig eingenommen werden.
Empfohlene Dosierung
Probiotikum 10–20 x 109
koloniebildende Einheiten
Resistente Stärke als Präbiotikum
Als Ballaststoffquelle ist neben Leinsamen, Flohsamenschalen, Chiasamen, Vollkornprodukten oder faserreichem Gemüse resistente Stärke empfehlenswert. Ballaststoffe punkten endogen mit einer vermehrten Produktion an entzündungshemmenden kurzkettigen Fettsäuren (Acetat, Butyrat, Propionat), die wiederum positive Auswirkungen auf das Immunsystem, die Darmflora sowie metabolische Parameter zeigen. Pro Tag ist die Zufuhr von rund 25 Gramm Ballaststoffen sinnvoll. Es wird empfohlen, die Einnahme langsam einzuschleichen und bei beispielsweise 5 Gramm zu beginnen. Ist die Darmflora nach rund einer Woche an die höhere Ballaststoffzufuhr gewöhnt, kann die Dosis gesteigert werden. Resistente Stärke ist u. a. in gegarten und abgekühlten Hülsenfrüchten, Vollkornhaferflocken, Kartoffeln, Reis oder Teigwaren zu finden.
Empfohlene Dosierung:
Ballaststoffe/resistente Stärke 25 g
einschleichend beginnen
Weniger Essen, mehr Lebensjahre
Spannend ist die Erkenntnis, dass eine reduzierte Nahrungsaufnahme ohne Unterernährung (!) nicht nur in der Tierwelt, sondern auch beim Menschen nachweislich positive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensjahre zeigt. Ursprünglich wurde vermutet, dass die gesundheitlichen Vorteile auf eine verringerte Kalorienaufnahme zurückzuführen sind. Neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass das Reduzieren bestimmter Nahrungsbestandteile, insbesondere von Eiweiß, sowie das Einhalten von Fastenzeiten zwischen den Mahlzeiten entscheidender sind als der kalorische Aspekt. Schließlich bedeutet eine geringere Nahrungsaufnahme weniger oxidativen Stress sowie weniger radikalbedingte Zellschäden innerhalb der Zelle.
Fast Food erhöht Demenzrisiko
Apropos Ernährung: Dass der Lebensstil und die Ernährung auf unsere Gesundheit im Alter einen großen Einfluss nehmen, zeigt eine Metaanalyse aus Australien. Für diese Arbeit wurden 200 internationale Studien ausgewertet. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Je schlechter die Ernährung und je weniger Sport, umso höher das Risiko für eine Demenz und andere Anzeichen einer kognitiven Dysfunktion. Bis dato wurde ein erhöhter Blutzuckerspiegel für derartige Folgekrankheiten verantwortlich gemacht. Diesmal erkannten die Forscher:innen, dass die Neurodegeneration im Gehirn aufgrund der ungesunden Lebensführung bereits deutlich früher auftreten kann, noch ehe Symptome eines Diabetes Typ 2 zu erkennen sind. So kann insbesondere das kalorienreiche bzw. fett-, zucker- und salzhaltige Junk-Food das Demenzrisiko direkt erhöhen. Die ersten Anzeichen und degenerativen Veränderungen dafür sind bereits im mittleren Alter festzustellen.
Quellen
• Harman D: Free radical theory of aging. Mutat Res 1992; 275(3-6):257-266
• Lopez-Otin C et al.: Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell 2023; 186(2):243-278
• Ghosh TS et al.: The gut micorbiome as a modulator of healthy ageing. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2022; 19(9):565-584• Rizza W et al.: What are the roles of calorie restriction and diet quality in promoting healthy longevity? Ageing Res Rev 2014; 13:38-45
• Cherbuin N et al.: Sugar in mind: Untangling a sweet and sour relationsship beyond type 2 diabetes. Front Neuroendocrinol 2019; 54:100769
• Kiecolt-Glase JK et al.: Omega-3-supplementation lowers inflammation in healthy middle-aged and older adukts: a randomized controlled trial. Brain Behav Immun 2012;26(6):988-995