Doping mit Betamimetika

Asthmasprays im Sport

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Asthmaspray © Shutterstock
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Bei den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea sorgte die Wintersportnation Norwegen für großes Aufsehen. Die Delegation war mit einer unglaublichen Menge von 6.000 Asthmasprays im Gepäck angereist – für nur 121 AthletInnen. Die norwegische Teamleitung hatte damals dem gesamten Langlauf-Weltcup-Team die Inhalation von Salbutamol in erlaubten Mengen nahegelegt.

Mehr als nur Bronchien erweitern

Hinter solchen – wenn auch fragwürdigen – Empfehlungen stecken natürlich gewisse Erwartungshaltungen. Wer nun glaubt, es drehe sich bei der missbräuchlichen Anwendung von Asthmasprays ausschließlich darum, „länger Luft zu haben“, der irrt. Viele Menschen erhoffen sich von den Substanzen eine Zunahme der Kraftentwicklung, eine Verbesserung des maximalen Herzzeitvolumens sowie eine kreislaufanregende Wirkung. Postuliert wird auch immer wieder, dass höhere Dosen von Betamimetika das Muskelwachstum stimulieren könnten.

Clenbuterol und Dopingskandale

Explizit nachgewiesen sind die genannten Effekte nur für den β2-Agonisten Clenbuterol (Mucospas®). Die Substanz wirkt in höheren Dosierungen anabol: Eine Zunahme der Muskelmasse und ein Abbau von Körperfett wurde mehrfach bestätigt.1,2 Der Wirkstoff erlangte 1992 rund um den Dopingskandal der deutschen Leichtathletin Katrin Krabbe große mediale Aufmerksamkeit. Auch Alberto Contador – Gewinner der Tour de France 2010 – benutzte Clenbuterol zur Leistungssteigerung. Heute steht die Substanz ohne Angabe eines Schwellenwertes auf der Doping-Verbotsliste. Das bedeutet, dass jeder positive Befund in der Urinprobe als Regelverstoß bewertet wird.

Unterschiedliche Effekte im aeroben und anaeroben Bereich

Für alle anderen β2-Mimetika konnten die bislang verfügbaren Studien keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz für leistungssteigernde Effekte bei gesunden Personen liefern.3 Neue Erkenntnisse brachten zwei große Metaanalysen, die im vergangenen Jahr von einem norwegischen Forscherteam publiziert wurden. Die WissenschaftlerInnen untersuchten systematisch die Effekte dieser Wirkstoffklasse auf die sportliche Performance – und zwar einerseits auf den aeroben und andererseits auf den anaeroben Bereich. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede.

In der ersten Metaanalyse legten die AutorInnen das Hauptaugenmerk auf die anaerobe Leistung. Beim Training im anaeroben Bereich benötigt der Körper innerhalb kürzester Zeit sehr viel Energie. Dies ist bei Disziplinen mit hoher Belastungsintensität erforderlich, wie z. B. bei Sprints oder beim Gewichteheben. Die Effekte der Betamimetika waren hier durchaus bemerkenswert. Nicht-AsthmatikerInnen konnten ihre Leistung im anaeroben Bereich signifikant verbessern: in der Sprint-Performance um 3 % und bei der Kraft sogar um 6 %. Außerdem ergab die Studie, dass das Ausmaß der Leistungssteigerung von der Dosis und Applikationsform abhängig war: Orale Zubereitungen zeigten größere Effekte als Inhalativa.4

In der zweiten Metaanalyse untersuchten dieselben AutorInnen gezielt den aeroben Trainingsbereich, der v. a. für Ausdauersportarten relevant ist. Hier waren die Effekte allerdings gering.5 Im Vergleich zu Placebo waren die ProbandInnen nach der Anwendung von β2-Sympathomimetika weder schneller noch hielten sie länger durch. Auch die Sauerstoffkapazität konnte nicht gesteigert werden.

Risiken des Missbrauchs

Die größte Gefahr bei der missbräuchlichen Anwendung von β2-Sympatho-mimetika ist eine Überlastung des Herzens. Typische kardiale Nebenwirkungen sind Tachykardien, Angina pectoris und Arrhythmien. Die Zunahme der Herzfrequenz kommt einerseits durch eine direkte Wirkung an den β2-Rezeptoren am Herzen und andererseits reflektorisch durch eine Erweiterung der Blutgefäße – insbesondere in den Beinen – zustande. Außerdem haben die Substanzen eine Restwirkung auf β1-Rezeptoren. Unerwünschte Effekte sind v. a. bei systemischer Anwendung oder sehr hohen inhalativen Dosierungen zu befürchten. Eine weitere besonders häufig beobachtete Nebenwirkung ist Muskelzittern, ebenso kann es zu einer Hyperglykämie durch einen verstärken Glykogenabbau in der Leber kommen.6,7

Anti-Doping-Liste: Was ist erlaubt?

Der Gebrauch von Betamimetika im Spitzensport ist von der Anti-Doping-Agentur streng reglementiert. Alle β2-Mimetika sind generell im Training und im Wettkampf verboten (Gruppe S3 in der Verbotsliste). Die WADA gibt konkret 15 β2-Agonisten an (siehe Tabelle unten), das Verbot bezieht sich aber auf alle Wirkstoffe dieser Klasse, auch wenn sie namentlich nicht gelistet sind.

Ausnahmen werden für vier Wirkstoffe gemacht: nämlich Salbutamol, Formoterol und Salmeterol  sowie – neu seit 1.1.2021 – für Vilanterol. Diese Substanzen dürfen in therapeutisch üblichen Dosen verwendet werden, allerdings ausschließlich zur Inhalation. Die WADA hat für jeden Wirkstoff Grenzwerte in Form von inhalativen Tagesmaximaldosen definiert und basierend darauf maximal zulässige Harnstoffkonzentrationen festgelegt. Werden diese Werte überschritten, geht die Dopingagentur nicht mehr von einer therapeutischen Anwendung der Substanz aus, und der Gebrauch wird als Dopingverstoß geahndet.

Diese Regelung erscheint grundsätzlich sinnvoll, da für die vier genannten Inhalativa bislang kein ergogenes Potenzial nachgewiesen werden konnte und sie asthmakranken SportlerInnen eine uneingeschränkte Leistungsfähigkeit ermöglichen.10 Andererseits gibt es wohl auch spitzfindige AnwenderInnen, die durch geschickte Kombination der erlaubten Substanzen versuchen, ihre Leistungsgrenzen zu erweitern, ohne die Grenzen der Legalität zu überschreiten.

Tabelle, MD: Maximaldosis
β2-Agonisten auf der Anti-Doping-Liste
Wirkstoffe in der Verbotsliste (S3)Ausnahmeregelung 
Arformoterol (kein Präparat in AT)-
Fenoterol (Berotec®, in Berodual®, Berodualin®)-
Formoterol (Forair®, in Symbicort®, 
in Trimbow® in Foster®) 
MD: max. 54 µg/24 h
Higenamin (in Nahrungsergänzungsmitteln)-
Indacaterol (in Ultribro®)-
Levosalbutamol-
Olodaterol (Striverdi®, in Spiolto®)-
Procaterol (kein Präparat in AT)-
Reproterol (kein Präparat in AT)-
Salbutamol (Sultanol®, Novolizer Salbutamol®, in Combivent®)
MD: 1.600 µg/24 h (entspricht 
z. B.  8 Sprühstöße Sultanol®DA
max. 1.000 ng/mL Harn
Salmeterol (in Salmecomp®,  Seretide®, in Zoreeda®)
MD: 200 µg/24 h
max. 10 µg/L Harn
Terbutalin (Bricanyl®)-
Tretoquinol (in Nahrungsergänzungsmitteln)-
Tulobuterol (kein Präparat in AT)-
Vilanterol (in Anoro®, in Relvar®, in Trelegy Ellipta®)MD: max. 25 µg/24 h

Belastungsasthma im Spitzensport

Immer wieder wird gemutmaßt, dass AthletInnen eine asthmatische Erkrankung vortäuschen, um sich eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu sichern. Studien zufolge leiden LeistungssportlerInnen jedoch tatsächlich besonders häufig an anstrengungs-induziertem Asthma, bronchialer Hyperreagibilität und anderen Atemwegssymptomen. Schätzungen zufolge sind bis zu 15 % im Spitzensport betroffen.11,12 Dies gilt insbesondere für Ausdauersportarten wie Langlauf, Biathlon oder Schwimmen. 

Einige LeistungssportlerInnen leiden bereits seit ihrer Kindheit daran, andere entwickeln das Asthma erst im Zuge ihrer sportlichen Karriere.

Die exakten Gründe für diese hohe Prävalenz sind nach wie vor nicht geklärt. Entscheidend könnten das Trainingsumfeld und die Trainingsintensität sein. So werden bei Wintersportarten die Atemwege durch das ständige Ein- und Ausatmen von kalter Luft die mit hoher Frequenz ständig gereizt. SchwimmerInnen sind stundenlang chlorhaltigen Dämpfen ausgesetzt. Und bei Hallensportarten wie Eishockey werden laufend die Dieselabgase von Präparierfahrzeugen eingeatmet. Man vermutet, dass es durch die wiederholte Austrocknung der Schleimhäute zu Remodeling-Prozessen in den Atemwegen kommt und dadurch die Entwicklung einer bronchialen Hyperreagibilität begünstigt wird.13 

Medizinische Ausnahmeregelungen

Die Asthmatherapie von LeistungssportlerInnen unterscheidet sich grundsätzlich nicht von einer klassischen Asthmatherapie.14 Dementsprechend sind β2-Agonisten als Bronchodilatoren ein unverzichtbares Behandlungselement. Salbutamol, Formoterol, Salmeterol und Vilanterol dürfen wie bereits erwähnt ohne Beantragung einer medizinischen Ausnahmeregelung (therapeutic use exemption, TUE) verwendet werden. Dass einige dieser β2-Mimetika nur in Kombinationspräparaten auf dem Markt sind, ist im Hinblick auf die Doping-Regeln kein Problem. Anticholinergika dürfen ohne Einschränkung verwendet werden, und auch Glucocorticoide sind zur inhalativen Anwendung erlaubt. Die Verwendung aller anderen β1-Agonisten bedarf hingegen zwingend einer Bewilligung.

Bei einer anstrengungsinduzierten Bronchokonstriktion empfehlen mehrere internationale Leitlinien die Anwendung eines kurz wirksamen β2-Agonisten direkt vor einer sportlichen Aktivität. Die Bronchien-erweiternde Wirkung zu Beginn einer Belastung soll eine verbesserte respiratorische Adaption mit sich bringen. Jedoch verweisen die Leitlinien auch auf die Gefahr der Toleranzentwicklung.15

GUTER ÜBERBLICK
Verbotsliste der Anti-Doping-Agentur

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA veröffentlicht jährlich – mit Gültigkeit ab dem 1. Januar – eine aktualisierte Liste der verbotenen Substanzen. Die Verbotsliste gilt weltweit und ist in verschiedene Sub-stanzklassen gegliedert. Abrufbar ist sie für jedermann auf der Website der WADA8 bzw. der NADA Austria (Nationale Anti-Doping Agentur).9 Die NADA bietet zusätzlich eine Online-Medikamentendatenbank an: Dort findet man sehr schnell Informationen zur Dopingrelevanz verschiedener Präparate. Die Datenbank steht auch als kostenlose App für Apple und Android zur Verfügung.



Quellen
1   Kim K.H. et al.: The muscle-hypertrophic effect of clenbuterol is additive to the hypertrophic effect of myostatin suppression. Muscle Nerve 2011;43(5):700-7
2   Guldner N.W. et al.: Clenbuterol-supported dynamic training of skeletal muscle ventricles against systemic load: a key for powerful circulatory assist? Circulation 2000;101(18): 2213-9
3   Carlsen K.H. et al.: Treatment of exercise-induced asthma, respiratory and allergic disorders in sports and the relationship to doping. Allergy 2008;63(5):492-505
4   Riiser A. et al.: Can β2-agonists have an ergogenic effect on strength, sprint or power performance? Brit J Sports Med 2020;54(22):1351-59
5   Riiser A. et al.: Aerobic performance among healthy (non-asthmatic) adults using beta2-agonists. Brit J  Sports Med 2021;55(17):975-83
6   Riedl T.: Arzneimittel und Doping: Sportler sicher beraten. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft mbH, Wien 2020

Weitere Literatur auf Anfrage

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