Wirtschaftsverhandlungen – Update der Verbandspräsidenten

Essenziell für den Apothekerstand

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Ein Marathon mit Hindernissen, so könnte man die Wirtschaftsverhandlungen mit dem Dachverband, die nun schon seit einigen Jahren andauern, bezeichnen. Nun aber haben die Gespräche endlich wieder Fahrt aufgenommen; seit Jänner 2025 wird wieder ganz konkret mit dem Dachverband verhandelt. 
Das Team, das die österreichischen Apotheker:innen vertritt, ist breit aufgestellt und setzt sich sowohl aus Vertreter:innen der beiden Verbände und der Apothekerkammer als auch der Pharmazeutischen Gehaltskasse sowie Expert:innen des Apothekerhauses zusammen. Wir haben zwei der „Chefverhandler“, Mag. pharm. Raimund Podroschko, 1. Vizepräsident der Apothekerkammer und VAAÖ-Präsident, und Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger, Präsident des Österreichischen Apothekerverbands, zum Stand der Gespräche befragt.

ÖAZ Die verhandelten Punkte sind sehr breit angesetzt und betreffen quasi fast das gesamte Berufsbild und damit die Zukunft der Apotheker:innen. Wie darf man sich solche Gespräche vorstellen?

Mag. pharm. Raimund Podroschko Es ist ein Riesenpaket, das wir verhandeln, und dennoch muss alles bis ins kleinste Detail ausverhandelt werden. Die Corona-Pandemie mit ihren „Nachwirkungen“ und die politischen Veränderungen haben die Gespräche zusätzlich erschwert und den Fokus ständig verschoben. Das Wichtigste in dieser Zeit war dranzubleiben und unsere Forderungen und Angebote immer wieder zu kommunizieren. Jetzt sind wir mitten in strukturierten Verhandlungen und hier, denke ich, auf einem guten Weg. Derzeit setzen wir uns mit essenziellen Themen wie dem Gesamtvertrag, den neuen Dienstleistungen sowie der wirtschaftlichen Situation der Betriebe auseinander. Dabei geht es z. B. um Aspekte wie Abrechnungsgarantie und die Dauer der Verrechenbarkeit von e-Rezepten oder um chefärztliche Bewilligungen, die es übrigens in fast keinem Land mehr gibt. Ein weiterer vordringlicher Aspekt betrifft die neue Verordnung zu den Parallelimporten und der unfairen Nullretaxierung. Diese Probleme müssen so rasch wie möglich gelöst werden.

Mag. pharm. Raimund Podroschko Präsident des VAAÖ Verband Angestellter Apotheker Österreichs © Martin Hörmandinger
Mag. pharm. Raimund Podroschko Präsident des VAAÖ Verband Angestellter Apotheker Österreichs © Martin Hörmandinger
“„Unsere Botschaft:  Wir Apotheker:innen habe eine hohe Kompetenz, Wissen und Erfahrung. Politik und Kostenträger sollten sich diese Expertise zunutze machen.““
Mag. pharm. Raimund Podroschko Präsident des VAAÖ/Verband Angestellter Apotheker Österreichs

ÖAZ Die Verhandlungen mit dem Dachverband laufen nun sehr intensiv. Können Sie uns kurz schildern, vor welchem Hintergrund sie stattfinden?

Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger Grundsätzlich muss man sagen, dass wir es mit einer angespannten ökonomischen Ausgangssituation zu tun haben. Die Apotheken sind in den letzten Jahren wirtschaftlich stark unter Druck geraten, gleichzeitig konfrontiert uns unser Gegenüber in den Verhandlungen mit dem eigenen Budgetdefizit. Unsere Aufgabe ist es, in dieser Situation zu belegen, wie es unseren Betrieben geht. Der Kostendruck ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Ob Mieten, Energie, Dienstleistungen oder Gehälter – die Apotheken sind von der hohen Inflation natürlich nicht verschont geblieben. Zudem reißen die Bereitschaftsdienste nach wie vor Löcher in die jährlichen Bilanzen. Im Durchschnitt verursachen sie in Städten und Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohner:innen einen jährlichen Verlust von über 36.000 Euro in jeder einzelnen Apotheke. Und wir haben mit einem massiv erhöhten bürokratischen Aufwand und der Vorfinanzierung von hochpreisigen Medikamenten zu kämpfen, deren Anteil an den Verschreibungen stetig steigt. Daher ist es besonders wichtig, im ständigen Austausch zu bleiben und mit belastbaren Daten zu argumentieren. 

Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger Präsident des Österreichischen  Apothekerverbands © Renée Del Missier
Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger Präsident des Österreichischen Apothekerverbands © Renée Del Missier
“„Der Kostendruck auf die  Betriebe ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Wollen wir die gute Versorgung der Bevölkerung aufrechterhalten, brauchen wir Maßnahmen, die diesen Druck abfedern.“ “
Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger Präsident des Österreichischen Apothekerverbands

ÖAZ Herr Mag. Podroschko, zu Ihrem Aufgabenbereich zählt jene Arbeitsgruppe, in der die neuen Dienstleistungen diskutiert werden. Ein großer, nicht einfacher Bereich, oder? 

Podroschko Ja, und ein harter Brocken! Denn selbstverständlich stöhnt auch der Dachverband, dass kein Geld zur Verfügung steht. Wir müssen also mit sehr gut belegten Daten in die Verhandlungen gehen, um den Benefit unseres neuen Dienstleistungsangebotes und v. a. mögliche Einsparungen zu dokumentieren. Aber wir sind gut gerüstet. Die Apotheker:innen können insbesondere in Bezug auf Prävention und gezielte Patientenstromlenkung – Stichwort Versorgungspfade – einen essenziellen Beitrag zur Verbesserung der derzeit eher suboptimalen Situation leisten. Das führt automatisch zu mehr Lebensqualität für die Patient:innen und zu Einsparungen im Gesundheitssystem. Mit dem Pilotprojekt zur Medikationsanalyse konnten wir das unter Beweis stellen; dessen Ergebnisse liegen weit über den Erwartungen. 

Deshalb umfassen unsere Forderungen auch den honorierten österreichweiten Rollout der Medikationsanalyse sowie die Abgeltung bestimmter Screenings und Point-of-Care-Testungen und des Verblisterns in Form eines Taxansatzes. Wir können viel tun und sind optimal vorbereitet; man muss uns nur lassen.

ÖAZ Herr Mag. Veitschegger, wo braucht es am dringendsten eine Nachbesserung bzw. Unterstützung oder vielleicht auch einen neuen Ansatz?

Veitschegger Was wir aktuell dringend brauchen, ist ein Ansatz für die „Akutbehandlung“ der Probleme bei den Parallelimporten. Es geht darum, ein System zu etablieren, das eine lückenlose Versorgung der Patient:innen sicherstellt und gleichzeitig für die Betriebe in der Praxis lebbar ist – bei einem möglichst geringen bürokratischen Aufwand und der Sicherheit, dass die Vergütung garantiert ist. Ganz konkret müssen wir die Situation der Apotheken auch verbessern, wenn es um die Vorfinanzierung von Arzneimitteln geht – besonders bei Hochpreisern. Hier schultern die Betriebe mehr, als wirtschaftlich machbar ist. Und das gilt auch für die Bereitschaftsdienste, die ich ja bereits angesprochen habe. Uns ist klar, dass es sich gerade bei diesem Thema um das vielzitierte „Bohren harter Bretter“ handelt – dennoch müssen wir konsequent dranbleiben und ein entsprechendes Problembewusstsein beim Gegenüber schaffen.

ÖAZ Statt nur zu jammern und zu fordern, sind die österreichischen Apotheker:innen immer mit sinnvollen Angeboten und Lösungsansätzen an die Politik und die Öffentlichkeit herangetreten. Dafür werden sie geschätzt. Wo liegt diesmal Ihr Ansatz?

Podroschko Es geht darum, die einzelnen Versorgungsschritte zu optimieren, überbordende Maßnahmen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und gleichzeitig die Kostenstrukturen im Auge zu behalten. Je höher die Versorgung des einzelnen Patienten bzw. der einzelnen Patientin in der Kaskade von der niederschwellig zugänglichen Apotheke bis hin zur Intensivstation im Krankenhaus angesiedelt ist, desto teurer wird es. D. h., dass die Versorgung auf einer angemessenen Stufe und innerhalb einer transparenten, effizienten Struktur passieren muss. Und die Maßnahmen müssen dokumentiert und in einem praktikablen digitalen Netzwerk zugänglich sein. 

Unser Angebot: Pharmacy First mit Etablierung der Apotheker:innen als „1450-Lotsen“. Telemedizinische Konsultation mit anschließender Arzneimittel-Versorgung. Gängige Auffrischungsimpfungen für Erwachsene wie Influenza, COVID-19 oder FSME. New Medicine Services, konzertierte Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen etc. Essenziell sind dabei die Vernetzung und der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Stufen und Disziplinen, wobei die Apotheke als Datendrehscheibe fungieren kann. Selbstverständlich können wir das alles nicht gratis anbieten. Aber jeder Cent, den die Versicherungen hier in unser Angebotsportfolio investieren, spart Euros in den kostenintensiven Bereichen der erwähnten Kaskade. Und nicht zu vergessen: Auch die Lebensqualität der Patient:innen verbessert sich massiv. Kurz gesagt, wir Apotheker:innen haben eine hohe Kompetenz, Wissen und Erfahrung. Politik und Kostenträger sollten sich diese Expertise zunutze machen. Das ist unsere zentrale Botschaft in den Verhandlungen.

ÖAZ Auch in Bezug auf den Gesamtvertrag bringen die Verhandler Forderungen und Vorschläge ein, die das Prozedere vereinfachen und bürokratische Umwege verhindern sollen. Was sind hier die Hauptpunkte?

Veitschegger Ganz grundsätzlich streben wir möglichst einfache und effiziente Prozesse zwischen den Betrieben und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger an. Die Anforderungen an die Betriebe steigen und steigen, sodass man sie von unnötigem bürokratischem Ballast befreien muss. Kollege Podroschko hat die chefärztlichen Bewilligungen bereits angesprochen. 
Hier besteht ein System, das einen hohen Verwaltungsaufwand verursacht, der aber keinen Beitrag zu einer guten Versorgung der Patient:innen leistet. Daneben existieren unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern, etwa beim Austausch nicht lieferbarer Arzneimittel. Warum sollte eine Apotheke in Vorarlberg hier anderen Vorgaben unterliegen als eine Apotheke in Wien? Und diese Liste ließe sich noch länger fortsetzen. Entscheidend ist – und da sind sich alle Standesvertreter:innen einig – dass wir Regelungen finden, die sich in den Apothekenalltag integrieren lassen, kostenschonend sind und die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung zulassen. 

ÖAZ Danke für das Gespräch.

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