In der Diagnostik werden kleine Mengen radioaktiver Medikamente (sogenannte Radiopharmaka) in eine Armvene injiziert. Die Verteilung im Körper wird dann mit speziellen bildgebenden Geräten wie PET (Positronen-Emissions-Tomographie) und SPECT (Single-Photonen-Emissions-Computer-Tomographie) dargestellt.
Die Nuklearmedizin kann dabei helfen, den genauen Ort und das Ausmaß (=Befall) von Tumorerkrankungen zu bestimmen und so eine genauere Diagnose zu ermöglichen. Bei einzelnen personalisierten Anwendungen kommt eine Auswahl spezifischer Radiotracer in Abhängigkeit von der Tumorerkrankung zum Einsatz. Für die Therapie werden zielgerichtete Medikamente eingesetzt, die chemisch mit einem Radionuklid (früher sagte man Radioisotop) verbunden sind, dass eine Strahlenwirkung auf den Tumor ausübt.
Schilddrüsenkrebs
Nach der Schilddrüsenoperation sichert die Radiojodtherapie mit 131Jod bei hochdifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen die exzellente Überlebenschance nach 5 Jahren Nachbeobachtung von über 95%! Neben der Therapie mit 131Jod kann man dieses Isotop wie auch andere Jodisotope wie 123Jod und 124Jod zur nuklearmedizinischen Bildgebung einsetzen.
Die nuklearmedizinische Bildgebung bietet generell den großen Vorteil, dass man Ganzkörperuntersuchungen mit kurzer Aufnahmezeit durchführen kann. Darüber hinaus verwendet sie keine Kontrastmittel und kann daher bei eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden. Es besteht auch nur ein vernachlässigbares Risiko für allergische Reaktionen auf die radioaktiven Medikamente.
Neuroendokrine Tumore
Bei neuroendokrinen Tumoren des Gastrointestinaltraktes und des Pankreas konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl dieser seltenen Tumore Somatostatin-Rezeptoren an Ihrer Zelloberfläche exprimieren. Diese Rezeptoren sind mit > 95% Wahrscheinlichkeit bei hochdifferenzierten neuroendokrinen Tumoren am Primum und seinen Metastasen vorhanden und können mit der Somatostatin-Rezeptorszintigraphie sichtbar gemacht werden.
Zur palliativen Therapie stehen seit Jahrzehnten Somatostatin-Analoga wie Octreotide (Sandostatin®) und Lanreotide (Autogel®) zu Verfügung, welche nach dem "Schlüssel-Schloss"-Mechanismus an diese Rezeptoren der Tumorzellen andocken. Diese Somatostatinanaloga können einerseits mit Radionukliden ohne nennenswerte Strahlenbelastung für die Diagnostik, andererseits für die Therapie mit ß-Strahlern wie 177Lutetium radioaktiv markiert werden und zur zielgerichteten Therapie eingesetzt werden.
Aus diesem Modell leitet sich das Kofferwort "Theranostik" ab. In Phase 3 Studien (NETTER 1 und NETTER 2) konnte das weitere Tumorwachstum durch den Einsatz von Theranostik um bis zu 79% gesenkt werden.
Prostatakarzinom
Patienten mit Prostatakarzinom exprimieren in mehr als 95% das sogenannte Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) an Ihrer Tumorzelloberfläche. In den letzten Jahren konnte mittels PSMA-PET/CT gezeigt werden, dass vor allem bei einem biochemischen Rezidiv, also einem Anstieg des Tumormarkers PSA im Blut ohne dass man noch weiß, wo es herkommt,-im Vergleich zu CT und Skelettszintigraphie früher und genauer der Ort des Tumorrezidivs sichtbar gemacht werden kann.
Das bedeutet eine Behandlungsänderung in bis zu 60% der Patienten. Die 177Lu-PSMA-617 Radioligandentherapie (PluvictoTM) konnte in einer Phase 3 Studie bei fortgeschrittenen metastasierten kastrationsrefraktären Prostatakarzinom (Vision Trial) zeigen, dass die radiographisch nachweisbare Progression in 60% gesenkt und bei einem Einsatz im hormonempfindlichen Stadium eine komplette bildgebende Remission in 21% der Patienten erreicht werden konnte (PSMAfore Trial).
Zielgerichtete Behandlung von Skelettmetastasen
Rückenschmerzen und Hüftgelenksschmerzen sind häufige Vorboten von Knochenbeteiligungen im Rahmen eines Prostatakarzinoms. Ca. 80% der Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom weisen auch Knochenmetastasen auf, die schnell und einfach in einer Skelettszintigraphie oder PSMA PET/CT Untersuchung sichtbar gemacht werden können.
Um eine weitgehende Schmerzfreiheit des Patienten zu erreichen sind neben der gezielten Krebstherapie (Antihormone, Chemotherapie, Strahlentherapie) klassische Schmerzmittel (NSAR-Analgetika) und bei weiter anhaltenden Schmerzsymptomen eine Opiateinnahme notwendig. Die medikamentöse Schmerztherapie ist aber mit Nebenwirkungen wie Blutbildveränderungen, Leber- und Nierenfunktionstörungen, Magen- und Dünndarmgeschwüren, Verstopfung, etc. verbunden.
Im Vision Trial konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit 177Lu-PSMA eine weitere Intensivierung der Schmerzsymptome für mehr als 14,3 Monate im Vergleich zu 2,9 Monaten in der Kontrollgruppe stoppen konnte. Auch bei der Behandlung mit 223Radium-Dichlorid (XofigoTM)konnte im ALSYMPCA Trial gezeigt werden, dass der Bedarf an Opioiden in der Behandlungsgruppe mit 36% im Vergleich zur Kontrollgruppe mit 50% deutlich gesenkt werden konnte.
Nuklearmedizinische Behandlung des weißen Hautkrebses
Eine in Österreich seit 2014 sich etablierende nicht invasive nuklearmedizinische Therapie stellt die Behandlung des weißen Hautkrebses besonders an kosmetisch heiklen Lokalisationen mit 188Rhenium-SCT® dar. Dabei wird zielgenau die radioaktive Paste über den zu behandelnden Tumor auf eine zuvor aufgetragene Folie für einen Zeitraum von durchschnittlich 2 Stunden aufgetragen. Die Therapie ist schmerzfrei und führt in bis zu > 90% der Fälle zur nahezu narbenfreien Heilung des Hauttumors.
Der große Vorteil der nuklearmedizinischen Therapien ist, dass bis auf die Behandlung des Schilddrüsenkrebses alle anderen Anwendungen teilweise auch ambulant an den Nuklearmedizinischen Abteilungen und Instituten in Österreich angeboten werden können.
Zukünftige Therapieansätze
Industrie und Wissenschaft beschäftigen sich sehr intensiv mit der Weiterentwicklung der therapeutischen Konzepte und es gibt oft maßgeschneiderte Lösungen der Nuklearmedizin für einzelne Anwendungen, die von den oben genannten Konzepten abweichen.
Zögern Sie daher nicht, in individuellen Situationen nach den vielfältigen Methoden aus dem Bereich der nuklearmedizinischen Theranostik zu fragen!
APA