Wurmerkrankungen

Wenn der Wurm drin ist …

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Typisch für den Befall mit Madenwürmern ist ein starker analer Juckreiz, da die weiblichen Madenwürmer ihre Eier im Bereich des Afters ablegen. © Shutterstock
Typisch für den Befall mit Madenwürmern ist ein starker analer Juckreiz, da die weiblichen Madenwürmer ihre Eier im Bereich des Afters ablegen. © Shutterstock

Gemäß WHO sind derzeit mehr als 1,5 Milliarden Menschen von einer Wurminfektion betroffen – die Lebenszeitprä-valenz liegt bei rund 50 %. Besonders häufig treten Wurmerkrankungen (Helminthiasis) in Gegenden mit niedrigem hygienischen Standard bzw. schlechter Sanitärversorgung auf. Doch auch in Österreich sind Helminthen gar nicht so selten, wie man vielleicht denken könnte. Vor allem (Klein-)Kinder nehmen die Wurmlarven und -eier unbewusst beim Spielen oder über verunreinigte Gegenstände und Lebensmittel zu sich. So fungieren u. a. Sandkasten, Gartenerde, dreckige Wäsche, schmutzige Finger und Rohkost als ergiebiges Erregerreservoir.

In Mitteleuropa nehmen Infektionen mit Nematoden (Rundwürmer) oder Zestoden (Bandwürmer) eine Vorrangstellung ein. Bei außereuropäischen Reisen spielen darüber hinaus andere Wurmspezies eine Rolle. Erste Beschwerden äußern sich oftmals unspezifisch in Form von z. B. Juckreiz, eingeschränktem Wohlbefinden, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Die Diagnostik basiert auf der klinischen Symptomatik und dem Erregernachweis. Im Optimalfall gelingt eine Bestätigung der Wurmeier im Stuhlausstrich, respektive peri-analen Abklatsch (bei Madenwürmern). Im Blutbild sollte bei Eosinophilie mit gleichzeitig erhöhtem IgE immer eine Wurminfektion in Betracht gezogen werden. Ganz wesentlich für einen Behandlungserfolg ist die Einhaltung strikter Hygienemaßnahmen (siehe Kasten Seite 62).

Allgemeine Empfehlungen:
Hygiene ist das A & O
  • Aftergegend für die Dauer von acht Tagen nach der
    Einnahme der Medikamente mit warmem Wasser und Seife waschen
  • Unterwäsche täglich wechseln und bei 60 °C wasche
  • Bettwäsche und Leibwäsche für die Dauer von acht Tagen nach der Einnahme der Medikamente besonders häufig wechseln und bei 60 °C wasche
  • Hände – auch unter den Fingernägeln – mehrmal täglich sowie nach jedem Stuhlgang gründlich mit Seife waschen
  • Fingernägel sollten zur Vermeidung von Reinfektionen kurz geschnitten werden
  • gründliche Reinigung aller Lebensbereich
  • Gemüse, Salat und Obst sollen vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden
    Fußboden möglichst staubfrei halten, da sich die Eier der Würmer über den Staub verteilen
  • Auslöser vermeiden (z. B. Fleisch ordentlich durchgaren oder im Zweifelsfall entsorgen)
  • für Tropenreisende gilt: auf Leitungswasser, rohes/halbrohes Fleisch, rohen/halbrohen Fisch, rohes Gemüse und Salat besser verzichten; frisches Obst vor Verzehr schälen; Kontakt mit stehenden Gewässern meiden; auf Barfußlaufen im Freien verzichten; Moskitonetz und Insektenabwehrmittel benutzen

Madenwürmer – am häufigsten

Enterobiose, eine Infektion mit Madenwürmern (Enterobius vermicularis), ist in Österreich am häufigsten anzutreffen. Die Erstinfektion erfolgt meist mittels Schmierinfektion. Typisch für die Enterobiose ist ein zum Teil starker analer Juckreiz, da die weiblichen Madenwürmer ihre Eier im Bereich des Afters ablegen. Beim Kratzen gelangen diese unter die Fingernägel, was bei Hand-Mund-Kontakt Reinfektionen begünstigt. Aufgrund der räumlichen Nähe ist bei Mädchen bzw. Frauen zudem ein Befall der äußeren Geschlechtsorgane möglich (Vulvovaginitis). Im Zuge der medikamentösen Behandlung mit Mebendazol oder Pyrantel sollten alle Bewohner:innen des Haushalts mitbehandelt werden, einschließlich einer Wiederholungsbehandlung nach zwei bis vier Wochen, da beide Wirkstoffe nur reife Würmer abtöten, nicht aber deren Larven. Auch Haustiere sind regelmäßig zu entwurmen.

Bandwürmer – am längsten

Bandwurmbefall kann verursacht werden durch den Schweine- (Taenia saginata) oder den Rinderbandwurm (Taenia solium). Diese Würmer können eine respektable Länge von vier bis zehn Metern erreichen, wobei der Mensch als Endwirt dient. Die Infektion geschieht durch Aufnahme der Larven in Form von rohem Rinder- oder Schweinefleisch. Ausreichend langes Erhitzen tötet die Erreger zuverlässig ab. Generell stehen bei Bandwurmbefall gastro-intestinale Symptome wie Gewichtsverlust oder Heißhunger im Vordergrund.

Die Larven des Schweinebandwurms neigen ferner dazu, sich in anderen Organsystemen niederzulassen. In diesem Fall sind ebenso organspezifische Beschwerden möglich – etwa Muskelschmerzen bei einem Befall der Skelettmuskulatur. Mittel der Wahl ist Mebendazol.

Rundwurminfektion – heimisch

Ähnlich dem Bandwurmbefall kann der Verzehr von rohem, von Fadenwürmer (Trichinella spiralis)-Larven befallenem Fleisch eine sog. Trichinose auslösen. Dabei handelt es sich um eine Rundwurminfektion. In der anfänglichen intestinalen Phase sind Übelkeit und Erbrechen möglich, wobei die Larven den Magen-Darm-Trakt schon bald verlassen und weiter Richtung Muskeln wandern, um sich dort anschließend einzukapseln. Die Einwanderung der Erreger ins Muskelgewebe geht oft mit generalisierten Symptomen wie Fieber, Myalgien und Eosinophilie einher (extraintestinale Phase). Komplikationen wie Herzmuskel- oder Gehirnentzündung sind zwar selten, aber potenziell lebensbedrohlich. Trichinosen sprechen gut auf Anthelminthika wie Albendazol an.

Spulwürmer von Hund und Katz‘

Klinisch relevante Spulwurminfektionen beschränken sich in unseren Breiten auf den Hundespulwurm (Toxocara canis), den Katzenspulwurm (Toxocara mystax) sowie die Ascariasis, eine Infektion mit dem Spulwurm Ascaris lumbricoides. Letzteren nehmen wir überwiegend über kontaminierte Nahrungsmittel zu uns (u. a. schlecht gewaschenes Gemüse), erstere hingegen durch kontaminierten Hunde- oder Katzenkot (nicht entwurmte Haustiere!).

Nach der per oralen Aufnahme durchdringen die Larven von Ascaris lumbricoides die Dünndarmwand und werden auf diese Weise in den Blutkreislauf aufgenommen. Ihre bevorzugte Endstation ist die Lunge, wo sie eine lokale Entzündung triggern, die wiederum zu Reizhusten mit/ohne blutigem Auswurf führt. Der Befall mit dem Hunde- oder Katzenspulwurm verläuft weniger komplikationsreich; aber auch hier werden unspezifische Symptome wie Fieber, Lungenentzündung und Bauchschmerzen beobachtet. Die Behandlung erfolgt vorzugsweise durch Einnahme von Albendazol oder Mebendazol.

Eingeschleppte Hakenwürmer

Hakenwurminfektionen mit Ancylostoma duodenale oder Necator americanus bezeichnet man als Ankylostomatidose. Die Würmer fühlen sich in tropischen bis subtropischen Gebieten sowie Bergwerken ausgesprochen wohl und dringen − im Gegensatz zu anderen heimischen Würmern − über die Haut in den Körper ein. Symptomatisch äußert sich dies primär als Juckreiz und Rötung an der Eindringstelle; später gesellen sich bei schwerer Infektion Reizhusten mit/ohne blutigem Auswurf (Lungenbefall) oder Bauchschmerzen, Anämie und Gewichtsverlust (Darmbefall) hinzu. Hakenwurminfektionen werden im Allgemeinen mit Mebendazol therapiert, im Fall von Ancylostoma duodenale und Necator americanus auch mit Pyrantel.

Außereuropäisch: Schistosomiasis

Schistosomiasis (syn. Bilharziose) ist eine weit verbreitete Wurmerkrankung, die durch Larven von Saugwürmern aus der Gattung der Pärchenegel (Schistosoma) verursacht wird. Der Übertragungsweg beginnt mit dem Befall von Süßwasserschnecken, welche die infektiösen Zerkarien (Larvenform) ins Wasser ausscheiden. Diese dringen daraufhin in die Haut von im stillen Wasser badenden Menschen ein und gelangen somit über das Blut oder die Lymphe in den Dickdarm, Dünndarm oder die Harnblase. Adulte Pärchenegel heften sich dort an die Schleimhaut und beginnen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung.Lokale Reaktionen an der Einstichstelle sind unter dem Begriff „Zerkariendermatitis“ bekannt. Die für gewöhnlich einige Wochen nach der Infektion beginnende akute Schistosomiasis (Katayama-Syndrom) ist im Prinzip eine Hypersensitivitätsreaktion des Körpers auf die Erreger und ihre Eier, die mit Beschwerden wie Fieber, Müdigkeit und Husten einhergeht. Ohne Therapie kann die akute Schistosomiasis mit der Zeit in eine chronische, Granulome bildende, Form übergehen. Die Krankheit zählt zu den Top 5 der vernachlässigten tropischen Krankheiten (NTDs) der WHO. Zur Behandlung eignet sich das in Österreich nicht registrierte Praziquantel (Biltricide®), das aus dem Ausland importiert werden muss.

Überblick der im Arzneispezialitätenregister
gelisteten humanen Anthelminthika
WirkstoffeINDNormdosis1 SS/SZKinder
Albendazol
(Eskazole®)
Zystische Echinokokkose
Alveoläre Echinokokkose
Trichinose
Strongyloidiasis
2 x 1 Tabletten/Tag zum Essen an zwei, sechs oder 28 aufeinanderfolgenden Tagen ± Wiederholungbei behandlungs-
pflichtiger Echinokok-
kose; ansonsten sollte auf besser erprobte Mittel ausgewichen werden
zugelassen ab 
6 Jahren
Mebendazol
(Pantelmin®)
Enterobiasis
Ascariasis
Trichuriasis
Ankylostomiasis
Strongyloidiasis
Taeniasis
2 x 1−2 Tabletten/Tag oder 2 x 2 Tabletten zum Essen an drei aufeinanderfolgenden Tagen ± WiederholungBei behandlungs-
pflichtiger Wurmerkrankung ist eine Anwendung in der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit möglich.
Mittel der Wahl
zugelassen ab 
2 Jahren
Pyrantel
(Combantrin®)
Enterobius vermicularis (Madenwurm)
Ascaris lumbricoides (Spulwurm)
Ancylostoma duodenale (Hakenwurm)
Necator americanus (Amerikanischer Hakenwurm)
Trichostrongylus colubriformis und orientalis (Fadenwurm)
10–20 mg/kg Körpergewicht als Suspension oder Kautablette in Form einer Einzeldosis oder an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ± Wiederholungsollte in der Schwangerschaft und Stillzeit gemieden werden, da es besser erprobte Mittel gibt; ist eine Therapie dennoch erforderlich, scheint das fetotoxische Risiko aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit gering zu sein.
Es kann bei guter Beobachtung des Säuglings gestillt werden.
zugelassen ab 
6 Monaten
Ivermectin
(Ivergelan®, 
Scabioral®)
Strongyloidiasis
Lymphatische Filiarose
Skabies
200 µg/kg Körpergewicht auf leeren Magen als einmalige orale Gabe ± Wiederholungstrenge Nutzen-
Risiko-Abwägung, da nur begrenzt Daten vorliegen
zugelassen ab 
15 kg KG

Quellen:

  • Colley DG et al. Human schistosomiasis. Lancet. 2014; 383(9936):2253−64
  • Enk CD. Onchocerciasis- river blindness. Clin Dermatol. 2006;24(3):176−80
  • Geisslinger G et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen – Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020
  • Jourdan PM et al. Soil-transmitted helminth infections. Lancet. 2018 Jan 20; 391(10117):252−265
  • Lennecke K, Hagel K: Selbstmedikation für die Kitteltasche, Deutscher Apotheker Verlag, 7. Auflage, 2021, S. 376−78
  • Weitere Literatur auf Anfrage

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