Endometriose

Schmerzhafte Invasion

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Unterleibsschmerzen © Shutterstock
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Wer von Endometriose spricht, spricht von Schmerzen. Und zwar mitunter von unvorstellbar starken Schmerzen, die bis zu Ohnmachtsanfällen führen können. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 10 % der Frauen im gebärfähigen Alter unter Endometriose leiden. Sie ist damit nach Myomen die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung.

Das klinische Bild einer Endometriose zeigt sich typischerweise mit zyklischen oder azyklischen Unterleibsschmerzen und den „4D-Symptomen“ (Dysmenorrhoe, Dysurie, Dyschezie, Dyspareunie). Zudem zählt die Endometriose zu den häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit. 

Fehlplatzierte Gebärmutterschleimhaut

Verursacht werden die Schmerzen durch Wucherungen von Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) außerhalb der Gebärmutter. Die Zellen aus dem Endometrium siedeln sich auf dem Bauchfell, den Eileitern, den Eierstöcken oder anderen Organen – wie Harnblase, Harnleiter oder Darm – an. Und diese Ansiedelungen sind in mehrerlei Hinsicht problematisch, denn dieses Gewebe ist auch außerhalb der Gebärmutter hormonaktiv: Die Endometrioseherde können unter dem Einfluss weiblicher Geschlechtshormone wachsen, bluten, sich entzünden und schließlich vernarben. Interessanterweise besteht aber zwischen der Ausdehnung der Läsionen und der Intensität der Beschwerden keine Korrelation.1,2

Die Frage, wie und warum das Gewebe die Gebärmutterhöhle verlässt, stellt die Medizin bis heute vor ein Rätsel. Es gibt eine ganze Reihe von Erklärungsmodellen, die jedoch allesamt auch ihre Schwächen haben. Bislang kann keine der Theorien das komplexe Krankheitsgeschehen der Endometriose erklären. 

Diagnostik: Goldstandard Bauchspiegelung

Die bislang zuverlässigste Methode für den Nachweis einer Endometriose ist die Bauchspiegelung (Laparoskopie). Dabei wird in einem minimalinvasivem Eingriff unter Vollnarkose ein Endoskop in den Bauchraum eingeführt und nach Endometrioseherden gesucht. Der Eingriff hat auch eine therapeutische Bedeutung, da Wucherungen ggf. sofort entfernt werden können. Außerdem können Gewebeproben entnommen und histologisch untersucht werden. 

Die deutsche AWMF-Leitlinie sieht die Laparo­skopie nach wie vor als Goldstandard in der Endo­metriose-Diagnostik an.3 Viele internationale Leitlinien befürworten mittlerweile jedoch eine empirische Behandlung der Symptome, bevor ein invasiver Eingriff durchgeführt wird.4,5 Im Mittelpunkt steht zudem mehr und mehr eine umfassende Anamnese sowie eine sorgfältige gynäkologische Untersuchung. Bildgebende Verfahren (Ultraschall, MRT) und eine Darmspiegelung liefern wertvolle Zusatzinformationen.

Pharmakotherapie der Endometriose

Grundsätzlich kann eine Endometriose medikamentös oder operativ behandelt werden. Eine kausale ­Therapie existiert bislang nicht.3 In der Therapie der Endometriose hat sich in den vergangenen Jahren ein Wandel vollzogen. Während lange Zeit die komplette operative Entfernung der Herde als Therapie der ersten Wahl gesehen wurde, wird heute zunehmend eine primäre medikamentöse Therapie empfohlen.

Analgetika

Frauen, die unter einer leichten bis mittelschweren Dysmenorrhoe leiden, werden häufig zunächst empirisch – also ohne dass die zugrundliegende Erkrankung zuvor histologisch abgeklärt wurde – mit ­Analgetika behandelt.1 Da in Endometriosegewebe vermehrt COX-2 nachgewiesen wurde, kann die ­Einnahme von NSAR wie Naproxen, Ibuprofen und Diclofenac durchaus zielführend sein.

Ziwig Endotest®
Neuer Speicheltest am Markt

Im Herbst vergangenen Jahres ließ eine Presse­mitteilung aufhorchen, wonach ein neuer Speichel­test eine zuverlässige Endometriose-Diagnose liefern soll. Endotest® wurde vom französischen Unternehmen Ziwig entwickelt und wird über das Privatlabor Eluthia in Österreich und Deutschland vermarktet. 

Laut Auskunft von Eluthia handelt es sich um den weltweit ersten nicht-invasiven Test auf Endometriose. Er beruht auf dem Nachweis von Endometriose-spezifischer Mikro-RNA im Speichel, genauer gesagt von 109 verschiedenen miRNA-Molekülen. 

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz soll sich aus dem Muster ableiten lassen, ob eine Endometriose vorliegt oder nicht. Der Hersteller verspricht, dass alle Arten der Endometriose mit einer Zuverlässigkeit von über 95 % erkannt werden können.6 

Der Test wird unter ärztlicher Betreuung durchgeführt und zur Auswertung an Eluthia geschickt. Das Testkit wird direkt an die Ärztinnen und Ärzte ausgeliefert; es kann nicht von den Patientinnen selbst über die Apotheke bezogen werden. Die Kosten pro Test belaufen sich auf € 799. Da Endotest® bislang nicht erstattet wird, müssen diese Kosten von der Patientin privat bezahlt werden.7

Der konkrete Nutzen des Tests bleibt fraglich. Denn der Test sei nicht als Ersatz für die Bildgebung bzw. die Laparoskopie gedacht. Wenn der Test positiv ausfällt, muss zur Verifizierung des Ergebnisses ohnehin eine Laparoskopie durchgeführt werden.

Kasten

Hormontherapie

Östrogen gilt als entscheidender Wachstumsreiz für Endometrioseherde. Dementsprechend zielen hormonelle Therapien darauf ab, den Östrogenspiegel zu senken und eine „therapeutische Amenorrhoe“ herbeizuführen. In der Folge schrumpfen die vorhandenen Läsionen, und die durch sie verursachten Beschwerden werden weniger. 

Reine Gestagene

  • Dienogest ist als einziges Gestagen für die Therapie der Endometriose zugelassen und sollte bevorzugt eingesetzt werden.
  • Die Therapie kann so lange fortgeführt werden, bis erneut Beschwerden auftreten bzw. bis die Patientin einen Kinderwunsch hat.8
  • Ein Vorteil aller Gestagene gegenüber KOK ist das niedrigere Thromboserisiko.

Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK)

  • KOK sollten im Langzyklus (ohne Unterbrechung) eingenommen werden – zahlreiche Studien belegen eine höhere Effektivität dieser Einnahmemodalität.8
  • KOK werden v. a. bei jüngeren Patientinnen bevorzugt – insbesondere wenn auch der Wunsch nach Kontrazeption besteht.
  • KOK sind zur Behandlung der Endometriose nicht zugelassen und werden off-label eingesetzt. 

GnRH-Analoga

  • Sie verhindern die Ausschüttung von FSH aus der Hypophyse und senken so den Östrogenspiegel. Eine häufige und oft limitierende Begleiterscheinung sind klimakterische Beschwerden. 

Relugolix-Kombitherapie

  • Eine Fixkombination von 40 mg Relugolix, 1,0 mg Estradiol und 0,5 mg Norethisteronacetat erwies sich in zwei Phase-III-Studien als effektiv zur Behandlung von Endometriose-assoziierten Schmerzen – bei gleichzeitig günstigem Nebenwirkungsprofil.9
  • Die Kombination ist unter dem Handelsnamen Ryeqo® bereits zur Therapie von Uterusmyomen zugelassen. Eine Zulassungserweiterung für Endometriose-bedingte Schmerzen wird derzeit von der EMA geprüft. 

Ergänzende Therapieoptionen

Für Beschwerdefreiheit reichen die bislang verfügbaren Therapieoptionen oft nicht aus. Das Interesse an komplementären Behandlungsmöglichkeiten ist dementsprechend groß.

Resveratrol

Resveratrol zählt zu den am besten untersuchten Polyphenolen. Mehrfach konnte gezeigt werden, dass Resveratrol in Gebärmutterschleimhautzellen antioxidativ, antiproliferativ und entzündungshemmend wirkt und die Neubildung von Gefäßen eindämmt.10 Diese Effekte konnten in Tiermodellen bestätigt werden.11 Humanstudien gibt es bislang jedoch nur wenige. Die bisherigen klinischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Resveratrol als Add-on-Therapie die Wirkung von oralen Kontrazeptiva verstärkt – vermutlich indem es die Expression von Aromatase und COX-2 im Endometrium unterdrückt. In zwei klinischen Untersuchungen ließen sich durch die zusätzliche Einnahme von Resveratrol die Endometriose-bedingten Schmerzen signifikant reduzieren.12,13 Die Resveratrol-Dosis betrug in den Studien 30 bzw. 40 mg/d – eine Menge, die wohl nur mit einem Nahrungsergänzungsmittel realisierbar ist. Zum Vergleich: Ein Glas Rotwein enthält ca. 0,2–0,5 mg Resveratrol.

Vitamin D

Obwohl die biologischen Effekte von Vitamin D (­entzündungshemmend, immunmodulierend, antioxidativ) einen Einsatz bei Endometriose nahelegen, lassen die bislang publizierten Ergebnisse keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. So ergab eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 zwar, dass Frauen mit Endometriose einen niedrigeren Vitamin-D-Status aufwiesen als die gesunde Kontrollgruppe und dass zudem die Schwere der Symptome mit dem Vitamin-D-Wert korrelierte. Allerdings war keines der Ergebnisse statistisch signifikant.14 Eine doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie an 147 Endometriose-Patientinnen konnte nachweisen, dass sich Endometriose-bedingte Schmerzen durch die Einnahme von Vitamin D lindern ließen. Jedoch war ein vergleichbar großer Effekt in der Placebo-Gruppe beobachtet worden.15

N-Acetylcystein (NAC) 

NAC ist als schleimlösender Wirkstoff bei Atemwegserkrankungen bestens bekannt. Die Substanz wirkt zudem antioxidativ, fungiert als Radikalfänger und liefert die Aminosäure L-Cystein, welche für die Synthese von Glutathion benötigt wird. Aktuelle Forschungsarbeiten postulieren, dass NAC auch zur Therapie von Erkrankungen eingesetzt werden könnte, die in Zusammenhang mit oxidativem Stress stehen – darunter auch die Endometriose.16,17

In einer kleinen italienischen Kohortenstudie erhielten Frauen mit einer bestätigten Endometriose 3 x täglich 600 mg NAC (3 Tage Therapie, 4 Tage Pause). In der NAC-Gruppe waren die Läsionen nach 3 Monaten deutlich geschrumpft, während sie in der Placebogruppe sogar gewachsen waren. Auch die chronischen Unterleibsschmerzen besserten sich unter NAC-Therapie. Die Autoren schlussfolgern, dass NAC auf Grund des günstigen Sicherheitsprofils eine einfache und effektive Behandlungsoption darstellen könnte.18 Für klare Empfehlungen sind die vorhandenen Daten jedoch nicht ausreichend – weitere größere Studien wären wünschenswert.19

Antientzündliche Ernährung

Erfahrungsberichten zufolge lässt sich auch durch Ernährungsumstellung das Schmerzerleben positiv beeinflussen. Wissenschaftliche Studien zur Fragestellung, inwieweit eine Endometriose durch Ernährung beeinflusst werden kann, fehlen bislang allerdings.

Einen Versuch ist es dennoch wert. Prof. Dr. Sylvia Mechsner empfiehlt in ihrem Ratgeber, sich mindestens drei Monate lang überwiegend vegan zu ernähren.20 Diese Zeitspanne sei ausreichend, um positive Effekte zu spüren. Insbesondere Fertigprodukte und Milchprodukte sollten vermieden werden, um die Aufnahme von proinflammatorischen Prostaglandinen zu reduzieren.


Quellen

1 Giudice LC: Clinical practice. Endometriosis. N Engl J Med 2010;362(25):2389-2398.
2 Johnson NP, et al.: World Endometriosis Society consensus on the classification of endometriosis. Hum Reprod 2017;32:315-324.
3 AWMF: S2k Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Endometriose. S2k Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Endometriose: Reg-Nr 015/045 2020
4 Becker CM, et al.: ESHRE guideline: endometriosis. Hum Reprod Open 2022;2022(2):hoac009.
5 National Institute for Health and Care Excellence. Endometriosis: diagnosis and management. nice.org.uk/guidance/ng73

Weitere Literatur auf Anfrage

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