Allergien sind definiert als überschießende Immunreaktionen auf an sich harmlose Substanzen aus der Umwelt. Früher dienten diese Reaktionen zur Abwehr von Bakterien oder Parasiten, mit denen wir heute durch fortschreitende Hygiene nur noch selten in Kontakt kommen. Interessanterweise treten in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards bzw. bei Menschen, die sich in landwirtschaftlichen Betrieben aufhalten, weniger häufig Allergien auf als bei StadtbewohnerInnen. In Österreich leidet ca. ein Viertel der Bevölkerung an einer Allergie. Frauen berichteten etwas öfter über dieses Gesundheitsproblem als Männer (24 % bzw. 21 %). Im Gegensatz zu den meisten anderen chronischen Erkrankungen kommen Allergien häufiger bei jungen Menschen und im mittleren Erwachsenenalter vor.
Pollenallergie
Besonders beeinträchtigend ist die jährlich wiederkehrende Pollenallergie, da man sich zwangsläufig an der Luft aufhält und die Pollen durch den Wind auch in die Wohnungen getragen werden.
Auch eine leichte Pollenallergie sollte zumindest symptomatisch behandelt werden. Am Beginn der Therapie werden häufig Antihistaminika in Form von Tabletten, Augentropfen oder Nasensprays (z. B. Azelastin, Levocabastin) eingesetzt. Teilweise sind diese auch rezeptfrei erhältlich. Betroffene sollten jedenfalls unbedingt einen Allergietest durchführen lassen. Denn so können Allergene zukünftig gemieden und das Fortschreiten der Allergie möglichst verhindert werden. Hier erfolgt auch die Aufklärung über Kreuzallergien, und Betroffene erhalten Ratschläge über zusätzliche, nicht-medikamentöse Maßnahmen.
Glucocorticoide und Cromone
Glucocorticoide sind im Allergiemanagement unerlässlich. Sie werden bei stärkerem Heuschnupfen und Asthma verabreicht und lokal in Form von Nasensprays oder Inhalatoren angewandt. Dabei besteht kaum die Gefahr von systemischen Wirkungen, womit auch den PatientInnen die Bedenken genommen werden können. Bei Kontaktallergien mit Urticaria oder Ekzemen werden sie topisch auf die Haut aufgetragen. In schwerwiegenden Fällen oder im Notfall werden Glucocorticoide auch systemisch verabreicht.
Vorbeugend können Mastzellenstabilisatoren (Cromone) angewandt werden. Diese hemmen die Freisetzung des Botenstoffes Histamin aus den Mastzellen und stellen auch eine verträgliche Alternative für Schwangere dar. Meist werden sie in Form von Augentropfen oder Nasensprays appliziert, müssen allerdings regelmäßig eingenommen werden.
Wirkstoffklassen zur Behandlung von Allergien
- Antihistaminika
- Glucocorticoide
- Mastzellstabilisatoren (Cromone)
- Beta-2-Sympathomimetika
- Anticholinergika
- Dekongestiva
- Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
- Antikörpertherapien
- Adrenalin
- Allergene zur Hyposensibilisierung
Kasten 1
Beta-2-Sympathomimetika
Bei Atemnot und Bronchokonstriktion – insbesondere bei allergischem Asthma – bekommen PatientInnen häufig Beta-2-Sympathomimetika verschrieben. Eine Vielzahl von Präparaten ist in Kombination mit Glucocorticoiden oder Anticholinergika verfügbar. Anticholinergika werden zur Hemmung der Sekretbildung und zur Erweiterung der Bronchien eingesetzt. Außerdem können abschwellende Nasensprays für einen kurzen Zeitraum von maximal sieben Tagen eingesetzt werden, um das Durchatmen zu erleichtern.
Bei Asthma wird der Leukotrienrezeptor-Antagonist Montelukast als Dauertherapie verwendet. Er wirkt zwar nicht im Akutfall, allerdings können die Tabletten als Dauergabe eine Alternative zur Behandlung mit niedrig dosierten inhalativen Glucocorticoiden bei leicht persistierendem Asthma darstellen.
Antikörpertherapie
Wenn die reguläre Therapie mit hochdosierten, inhalativen Glucocorticoiden und lang wirksamen inhalativen Beta-2-Sympathomimetika bei schwerem allergischem Asthma versagt, kann Omalizumab eingesetzt werden. Dies ist ein Therapieantikörper, der sich gegen IgE richtet und dieses abfängt, bevor es an ein Allergen binden kann. Außerdem scheint es die Histaminausschüttung zu reduzieren. Omalizumab wird regelmäßig im Abstand von zwei oder vier Wochen subcutan injiziert. Nach vier Monaten sollte der Therapieverlauf evaluiert und eine weitere Gabe bei klarem Erfolg fortgesetzt werden. Leider sprechen nicht alle PatientInnen auf die Therapie an; doch neue ähnliche Wirkstoffe sind bereits in Entwicklung.
Allergenspezifische Immuntherapie (AIT)
Die Allergenspezifische Immuntherapie ist die einzige Therapieoption, die sich gegen die Ursache der Erkrankung richtet. Dabei wird der Körper mit dem Allergen konfrontiert und so das Immunsystem zur Toleranz „erzogen“ und auf eine normale Reaktion gegen das Allergen „zurückgesetzt“.
Obwohl der Mechanismus nicht restlos geklärt ist, geht man davon aus, dass eine Verschiebung von Th2- hin zu Th1-Helferzellen gefördert wird. Dadurch wird IgG gebildet, das dann Allergene vor IgE abfangen kann und somit die Allergiekaskade verhindert. In der Praxis stehen zwei Applikationsmöglichkeiten zur Verfügung: Die Subcutane Immuntherapie (SCIT) und die Sublinguale Immuntherapie (SLIT). SCIT verwendet entweder das Allergen selbst oder Allergoide, bei denen sich die genaue Zusammensetzung des Produktes sowie seine Wirksamkeit und Dosis besser reproduzieren lassen.
In der Regel wird SCIT entweder wöchentlich oder monatlich angewandt. SLIT hingegen arbeitet mit wässrigen Extrakten des Allergens selbst oder mit Allergoiden, die dann in eine oral verabreichbare Form wie Tabletten oder Tropfen gebracht werden.
Prick-Test und Hyposensibilisierung
Mittels Prick-Tests wird überprüft, ob spezifische IgE-Antikörper auf das Allergen vorliegen. AIT ist z. B. dann indiziert, wenn sich das Allergen schwer vermeiden lässt. Dies ist der Grund, warum Hyposensibilisierung gegen Haustiere – wenn auch oft gewünscht – nicht im gleichen Maße vorangetrieben wird, wie z. B. die AIT bei Pollenallergie. Die Dauer der Beschwerden muss zumindest zwei Jahre bestehen. Erwägungen für den Beginn einer Hyposensibilisierung sind meist unzureichende Wirksamkeit der vorhandenen Therapieoptionen oder der Versuch, einen Etagenwechsel der Allergie von allergischer Rhinitis (oberer Respirationstrakt) zu Asthma (unterer Respirationstrakt) zu verhindern.
Je früher mit der Therapie begonnen werden kann, umso effektiver ist sie. Bei Kindern wirkt diese am besten; allerdings können auch Erwachsene hyposensibilisiert werden. AIT wirkt der weiteren Sensibilisierung mit neuen Allergenen entgegen. In den letzten Jahren stehen immer mehr Präparate für die Therapie der unterschiedlichen Allergene zur Verfügung. Gegen die gängigen wie Gräser, Baumpollen (Frühblüher), Ragweed, Hausstaub, Bienen- und Wespengift wurden Fertigpräparate entwickelt. Eine AIT bei selteneren Allergenen ist individuell möglich.
Was tun bei einem anaphylaktischen Schock?
Bienen- und Wespengift sowie Bestandteile aus Erdnüssen sind besonders bekannt dafür, schwere allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock auszulösen.
Daher sollten Betroffene unbedingt ein Notfall-Set mitführen. Dieses beinhaltet
1. einen Adrenalin-Autoinjektor,
2. ein Antihistaminikum und
3. ein Glucocorticoid.
Bei Verdacht auf Anaphylaxie ist sofort die Rettung zu alarmieren, es handelt sich um einen Notfall! Bei Atemnot sollte der Oberkörper höher gelagert werden. Im Schockzustand müssen hingegen die Beine hochgelagert werden, um den Kreislauf zu unterstützen.
Kasten 2
Neue Option bei Erdnussallergie
Eine neues AIT-Präparat für AllergikerInnen mit einer Nahrungsmittelallergie gegen Erdnüsse wurde Ende 2020 in Europa zugelassen. Allerdings ist die AIT gegen Erdnüsse mit z. T. gravierenden Nebenwirkungen verbunden. Daher muss gleichzeitig ein Adrenalin-Autoinjektor verschrieben werden. In Anbetracht der Tatsache, dass AIT immer für zumindest drei Jahre empfohlen wird, bleibt gerade bei Präparaten, die mehr Nebenwirkungen hervorrufen, auch oft die Frage der Compliance.
Lutschtablette mit Beta-Lactoglobulin
Bauernhofkinder entwickeln erfahrungsgemäß weniger Allergien. Diese Beobachtung wurde in den letzten Jahren vermehrt beforscht, besonders im Hinblick auf mögliche neue Therapien. Eine neue „Kuhstallpille“ beinhaltet Beta-Lactoglobulin – ein Protein, das sowohl in der Rohmilch als auch im Urin von Kühen nachgewiesen wurde. In den Taschen des Proteins sitzen Eisen, Zink und Vitamin A, die bei der Pasteurisierung der Milch aus dem Protein verdrängt werden. Beta-Lactoglobulin in seiner beladenen und damit wirksamen Form ist nun als Lutschtablette erhältlich. Der Bauernhof-Effekt ist somit auch fernab von der Kuh für all jene zugänglich, die sich damit vor Allergien schützen bzw. bestehende Allergien lindern wollen. Die Linderung der Symptome bei Pollen- oder HausstauballergikerInnen beruht wahrscheinlich auf einer Versorgung mit Zink, Eisen und Vitamin A und auf einer ähnlichen Wirkung wie der AIT.
Während unbeladenes Beta-Lactoglobulin allergen wirken kann, werden mit dem natürlichen Beta-Lactoglobulin die Symptome von PollenallergikerInnen nach sechs Monaten um 33 % gelindert. Auch bei HausstauballergikerInnen wirken die Lutschtabletten – insbesondere auf nasale Beschwerden. Mit der Kuhstallpille wird der Körper also an das fremde Protein gewöhnt und zusätzlich mit immunstärkenden Nährstoffen versorgt. Die Lutschtabletten können auch Kindern ab drei Jahren gegeben werden. Einzig Menschen mit diagnostizierter Kuhmilchallergie dürfen die Tabletten nicht einnehmen. Laktoseintoleranz ist in diesem Fall keine Kontraindikation, da die Tabletten nur minimale Mengen an Laktose enthalten.
Text: Mag. pharm. Dr. Birgit Zonsics
Quellen
• https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/124630.html
• Wöhrl S.: Allergenspezifische Immuntherapie in Österreich. hautnah 2020; 19(4): 157-61
• Mahler V. et al.: Immuntherapien von Allergien: Aktueller Stand. Bundesgesundheitsblatt 2020; 63(11): 1341-56
• https://www.allergieinformationsdienst.de/therapie/medikamente/antikoerper-therapien.html
• Pfaar O. et al.: Guideline on allergen-specific immunotherapy in IgE-mediated allergic diseases. Allergo J Int 2014; 23(8): 282−319
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