Rück- und Ausblick

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Mag. Andreas Feichtenberger
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„Die ökonomische Großwetterlage ist nicht rosig“

Mag. pharm. Thomas Veitschegger, Präsident des Österreichischen Apothekerverbands © Renée Del Missier
Mag. pharm. Thomas Veitschegger, Präsident des Österreichischen Apothekerverbands © Renée Del Missier

ÖAZ "Wenn Sie 2024 Revue passieren lassen – wo lagen die größten Herausforderungen der Branche?"

Mag. pharm. Thomas Veitschegger "Was uns heuer sehr beschäftigt hat, war die wirtschaftliche Lage der Betriebe. Die ökonomische Großwetterlage in Österreich ist generell alles andere als rosig und das spüren auch die Apotheken. Die Kostensteigerungen der letzten Jahre wirken immer noch nach und kommen in den Betrieben direkt an. Daher haben wir innerhalb unserer Sphäre auf eine Entlastung unserer Mitglieder gedrängt – das ist mit der Reduktion der Beiträge zur Gehaltskasse auch gelungen. Parallel dazu haben wir die Mitgliedschaft beim Apothekerverband vergünstigt. Wir sparen also auch bei uns selbst. Und wir bemühen uns darum, mit dem Dachverband eine fairere Abgeltung unserer Leistungen zu bekommen, also auch außerhalb unserer Branche Mittel zu lukrieren. Ein zweiter Aspekt ist das Thema Fachkräftemangel. Durch unsere Personalkampagne „Job in der Apotheke. Passt zu mir.“ hat sich bereits einiges verbessert, regionale Unterschiede bestehen aber nach wie vor. Generell sprechen wir beim Werben um junge Leute von einer langfristigen Aufgabe, die mit jedem Jahr und jeder neuen Generation von vorne beginnt. Daher haben wir in unserem Vorstand die Entscheidung getroffen, die sehr erfolgreiche Kampagne fortzuführen."

ÖAZ "Österreich hat eine neue Regierung – mit welchen Anliegen wollen Sie an diese herantreten?"

Veitschegger "Wir haben im Apothekerhaus viel diskutiert und sind damit zu einem gut durchdachten und umfassenden Katalog an Forderungen gekommen. Ein zentraler Punkt: Will man die gute Versorgungssicherheit weiterhin haben, müssen die Apotheken als Rückgrat der gesundheitlichen Infrastruktur abgesichert werden. Etwa über eine faire Finanzierung der Nachtdienste oder einen Ausgleich für die Mehraufwände beim Abfangen von Lieferengpässen. Wichtig ist auch, dass präventiv wirksame Dienstleistungen wie Gesundheitstests erstattet werden. Ganz konkret pochen wir weiter darauf, dass in den Apotheken endlich geimpft werden darf. Da werden wir nicht lockerlassen, weil es in einem Land mit desaströs niedrigen Impfquoten unerlässlich ist, diese durch einen niederschwelligen Zugang zu steigern. Ein großes Anliegen als Selbständigenvertreter ist uns auch, dass wir uns der überbordenden Bürokratie annehmen – hier gehört ausgemistet, sodass wir effiziente, klare und moderne Rahmenbedingungen bekommen."

ÖAZ "Die Personalsuche für Apotheken gestaltet sich nach wie vor schwierig. Der Apothekerverband startete daher eine Initiative. Wie ist die Bilanz und wie wird es hier weitergehen?" 

Veitschegger "Der demografische Wandel in der Arbeitswelt hat in den vergangenen Jahren alle Branchen vor große Herausforderungen gestellt. Gerade im Gesundheitswesen kann der zunehmende Mangel an Fachkräften schnell in eine prekäre Situation führen. Wir haben bereits frühzeitig erkannt, dass wir mit System und Plan in das Recruiting von Nachwuchskräften investieren müssen. Daher haben wir mit „Job in der Apotheke. Passt zu mir“ eine moderne Personalkampagne gestartet, die durch den Einsatz von digitalen Kanälen passgenau auf die junge Zielgruppe zugeschnitten ist und dort breiten Anklang gefunden hat." 

"Das Ergebnis war beeindruckend: Insgesamt konnten 2024 rund 28,7 Millionen Sichtkontakte auf den bespielten Social-Media-Plattformen erzielt werden, über 1.500 Interessierte haben sich über ein Onlinetool bei Apotheken beworben und in den Berufsschulen wurden mehr Schüler:innen gezählt und sogar Klassen aufgestockt."

"Das ist sehr erfreulich und zeigt, wie groß das Interesse an unserem Berufsstand ist. Darüber hinaus ist es uns aber auch wichtig, die Besten der Besten anzusprechen und Young Potentials gezielt in die Apotheke zu holen. Daher werden wir die Personalkampagne auch 2025 und 2026 fortführen. Nicht zuletzt, weil mit der Generation Alpha bereits die nächste Altersgruppe in den Beruf einsteigt und der Wettbewerb um die besten Köpfe auch in Zukunft nicht nachlassen wird."


„Das neue Jahr wird auch viele Chancen bringen“

Mag. pharm. Raimund Podroschko, Präsident des Verbandes Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ) © Martin Hörmandinger
Mag. pharm. Raimund Podroschko, Präsident des Verbandes Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ) © Martin Hörmandinger

ÖAZ "Auch 2024 war wieder ein turbulentes Jahr für die Apothekerschaft. Sind Sie rückblickend mit der Umsetzung Ihrer Ziele zufrieden?"

Mag. pharm. Raimund Podroschko "Das Jahr begann – neben allen anderen Herausforderungen seitens Bürokratie und Politik – mit zwei hausgemachten Problembereichen, auf die wir gut hätten verzichten können: Zum einem war da das Desaster in Bezug auf die Verpflichtende Fortbildung, das wir der tatkräftigen Einmischung einer „Angestelltenvertretung“ sowie des Wirtschaftsministeriums zu verdanken hatten. Und das, obwohl das für uns eigentlich zuständige Gesundheitsministerium sein Go für eine umfassende, EU-konforme Regelung, die die Apothekenbesitzer in die Pflicht genommen hätte, bereits gegeben hat. Zum anderen mussten wir die Direktion der Apothekerkammer neu besetzen, nachdem die Verträge der beiden bisherigen Direktoren trotz hervorragender Arbeit nicht verlängert wurden. Letztendlich aber haben wir nicht lockergelassen und mit den Vertretern der Selbständigen eine solide Gesprächsbasis gefunden. Wir konnten ein sehr gutes KV-Ergebnis erreichen, die Kammerdirektion mit hervorragenden Fachleuten nachbesetzen und auch die Verpflichtende Fortbildung im Sinne ALLER Apotheker und Apothekerinnen „reparieren“."

"Trotz dieser „Hemmschuhe“ v. a. zu Beginn 2024 konnten wir wertvolle Erfolge „einfahren“, auch weil wir in den Jahren davor konsequent und sehr hartnäckig darauf hingearbeitet haben: So ist die Apothekengesetznovelle unter Dach und Fach. Hier haben wir als Angestelltenvertretung früh genug darauf bestanden, dass auch in jeder Filialapotheke ein verantwortlicher Apotheker oder eine verantwortliche Apothekerin anwesend sein muss und dass die erweiterten Öffnungszeiten den angestellten Apothekerinnen und Apothekern mit entsprechenden Zuschlägen abgegolten werden. Weiters konnte das Pilotprojekt zur Medikationsanalyse sehr erfolgreich abgeschlossen werden. Die Medikationsanalyse ist ein Herzensprojekt von mir; deshalb freut es mich besonders, dass wir mit den Ergebnissen aus der begleitenden, von der MedUni Wien durchgeführten Studie in jeder Hinsicht über den Erwartungen liegen. Und schließlich sind wir in puncto Erweiterung unserer Tätigkeitsbereiche große Schritte vorwärtsgekommen."

ÖAZ "Was erwarten Sie von 2025? Welche Herausforderungen werden auf angestellte Apotheker und Apothekerinnen zukommen?"

Podroschko "Auf der Basis des Erreichten aus 2024 können wir heuer durchstarten: Einem österreichweiten Rollout der Medikationsanalyse steht nur mehr eines im Wege, die Honorierung. Aber da der Dachverband das Pilotprojekt mitfinanziert hat und die Daten daraus sehr positiv sind, schaut es gut dafür aus, denke ich." 

"Darüber hinaus wurde das Folgeprojekt, die „Wiener Herzwochen“, aufgrund des regen Zuspruchs verlängert. Angesichts dessen haben wir weitere solcher Projekte, die sich rein auf unsere Expertise und Beratung stützen, in der Pipeline."

"Die Apothekengesetznovelle wiederum erlaubt uns, ein breites Portfolio an Screeningmaßnahmen anzubieten. Und auch die Wirtschaftsverhandlungen mit dem Dachverband nehmen Fahrt auf und beschäftigen sich derzeit mit essenziellen Aspekten wie dem Gesamtvertrag, den neuen Dienstleistungen und dem Versorgungsauftrag der Apotheken. Insgesamt bin ich schon ein bisschen stolz darauf, dass ich den Ausbau unseres Versorgungsangebotes, der für die Zukunft unseres Apothekerstandes ausschlaggebend ist, mitgestalten darf; dies umfasst die Medikationsanalyse und Pharmacy First ebenso wie New Medicine Services, die Point-of-Care-Testungen und Impfen durch uns Apotheker und Apothekerinnen. Und auch in die verstärkte Etablierung der Apotheke als Datendrehscheibe in Verbindung mit einer neuen App kommt immer mehr Bewegung. Vieles davon ist „Work in Progress“, gut durchdacht und vielversprechend. Derzeit befinden wir uns zudem im intensiven Austausch mit dem Dachverband; es geht um Parallelimporte und die unfaire Nullretaxierung, die so nicht praktikabel ist. Das muss so rasch wie möglich geregelt werden."

ÖAZ "Im vergangenen Jahr haben Sie die Interessen der österreichischen Apotheker und Apothekerinnen einmal mehr auch im Ausland vertreten. Wie ist die Stimmung auf internationaler Ebene?"

Podroschko "Ich freue mich sehr, dass unsere Anstrengungen Früchte tragen und sich auch bei uns herumspricht, wie wichtig eine internationale bzw. EU-weite Vernetzung für uns Apotheker und Apothekerinnen ist. Entwicklungen wie KI, Digitalisierung, Lieferengpässe, AM-Fälschungen etc. betreffen alle Staaten und „funktionieren“ über die Landesgrenzen hinweg. Es sind teils enorme Veränderungen, die auf uns zukommen; und wir werden sie nur in enger Zusammenarbeit in den Griff bekommen. Dabei ist es ausschlaggebend, dass wir nicht nur reagieren, sondern die Entwicklungen auch gestalten und lenken, z. B. mit dem EU-Pharmapaket, dem EU-Dataspace, dem Fälschungssicherheitssystem u. v. m. Wobei die unterschiedlichen Standards und Gewichtungen, die in den einzelnen Ländern gelten, gemeinsame Vorgehensweisen nicht gerade erleichtern. Mein Team und ich sorgen in den diversen Gremien und Institutionen dafür, dass Österreich gehört wird und die Anforderungen von uns Apothekern und Apothekerinnen berücksichtigt werden."

"Insgesamt wird das neue Jahr viele Herausforderungen und – davon bin ich überzeugt – noch mehr Chancen bringen. Wir bleiben jedenfalls dran!"


„Die wirtschaft-liche Situation ist herausfordernd"

Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer © Österreichische Apothekerkammer/Christian Husar
Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer © Österreichische Apothekerkammer/Christian Husar

 ÖAZ "2025 bringt eine neue Regierung und somit auch eine neue Chance. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?"

Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr "Die Apothekerschaft kann einen wichtigen Beitrag leisten, die Gesundheitsversorgung der Menschen spürbar zu verbessern. Die öffentlichen Apotheken sind die niederschwelligste persönliche gesundheitliche Anlaufstelle, die es in Österreich gibt. Dank ihrer Wohnortnähe und der fachlichen persönlichen Beratung sind sie der Garant für eine flächendeckende und gerechte Daseinsvorsorge der Menschen. Apotheken sind regionale Resilienz-Einheiten, die im Sinne eines qualitativ hochwertigen, effizienten und solidarischen Gesundheitssystems gestärkt und umfassender eingesetzt werden sollten."

"Unsere zentralen Anliegen an die neue Regierung sind:

  • Klares Bekenntnis zur Aufrechterhaltung der Apotheken-Infrastruktur in Österreich
  • Nutzung der Apotheken als eine der Erstanlaufstellen für die wohnortnahe Patientensteuerung (Apotheken als Lotsen im System)
  • Gezielte Erweiterung des apothekerlichen Versorgungsangebots (inklusive telemedizinischer Möglichkeiten in Apotheken) 
  • Einbindung der Apotheken in eine bundesweite Präventionsstrategie (Einführung eines Präventionskontos, Schwerpunktprogramme über e-Card)"

ÖAZ "Wie würden Sie die aktuelle Situation bzw. das aktuelle Standing der Apotheker:innen beurteilen?"

Mursch-Edlmayr "Die Apothekerschaft hat mehrfach bewiesen, dass sie gemeinsam mit ihren Gesundheitspartnern die richtigen Antworten auf komplexe Herausforderungen findet. Dieser Berufsstand hat die Kraft und die Kompetenz, die Grundversorgung der Menschen nachhaltig zu verbessern. Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist für viele Apothekerinnen und Apotheker herausfordernd. Steigende Energie-, Personal- und Kreditkosten bringen die Apotheken in Schwierigkeiten. Sie haben aufgrund des staatlichen Versorgungsauftrags und der Preisvorgaben im Erstattungsbereich kaum Möglichkeiten, auf diese Mehrkosten zu reagieren. Außerdem sind viele apothekerlichen Leistungen entweder gar nicht bezahlt oder großteils unterfinanziert. Daher unsere Forderung: Es braucht eine angemessene und faire Entlohnung."

"Im Gegensatz dazu präsentiert sich das Standing der Apothekerschaft als überaus erfreulich: Bereits während der Pandemiezeit ist unser Image in der öffentlichen Wahrnehmung auf ein bisheriges Allzeit-Hoch gewachsen – ohnehin ausgehend von einem Spitzenniveau. Ähnliches höre ich vonseiten der Politik. Das ist nicht verwunderlich, denn schließlich haben sich Apothekerinnen und Apotheker in Coronazeit als top-verlässliche Partner für Politik, Gesundheitswesen und Bevölkerung positioniert – ein Effekt, der bis heute anhält."

ÖAZ "Haben Sie die Ziele, die Sie sich für 2024 gesteckt haben, erreicht?"

Mursch-Edlmayr "Die Apothekerschaft wird von den politischen Entscheidungsträgern als unverzichtbarer Säule der Gesundheitsversorgung geschätzt und anerkannt. Das ist das Ergebnis der letzten Jahre: einerseits das Verdienst der täglichen Arbeit der Apothekerinnen und Apothekern und andererseits der Erfolg einer kraftvollen und selbstbewussten Apothekerkammer. Nur zusammen wird es uns gelingen, die Institution „Apotheke“ in eine vielversprechende Zukunft zu führen. Wichtige Weichen wie die Umsetzung der Apothekengesetz-Novelle wurden 2024 gestellt. Damit hat das Apothekengesetz die umfassendste und tiefgreifendste Änderung seit dem Jahr 1984 erfahren. Der Gesetzgeber hat mit dieser Reform die rechtlichen Voraussetzungen für eine zeitgemäße und an die geänderten Bedürfnisse der Bevölkerung angepasste Versorgung mit Arzneimitteln und wichtigen Gesundheitsdienstleistungen geschaffen. Auf Grundlage der neuen gesetzlichen Möglichkeiten wird die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung in vielen Bereichen erheblich verbessert und die Rolle der Apothekerinnen und Apotheker im Gesundheitssystem deutlich aufgewertet."

"2024 konnten mit Unterstützung der Apothekerkammer zwei langjährige Forderungen der Krankenhausapotheker:innen umgesetzt werden. Einerseits wurde durch die Wirkstoffverschreibung in der intramuralen Versorgung rechtlich abgesichert, andererseits wurde im Apothekengesetz die Grundlage für die Delegation einzelner ärztlicher Tätigkeiten an Krankenhausapotheker:innen geschaffen."

"Bei der strukturellen Berücksichtigung der Apotheken im Gesundheitssystem sehen wir Fortschritte. Wir sind aber noch nicht am Ziel. 2025 wird diesbezüglich ein wichtiges Jahr."

"Nicht erreicht haben wir das Ziel, von der Politik den Auftrag zum Impfen in den Apotheken zu bekommen. Wir bleiben dran. Unsere Forderungen an die neue Regierung zeigen: Die Apothekerschaft hat viele Lösungen und Verbesserungsvorschläge. Sie übt sich nicht in Problembewunderung, sondern arbeitet an der Zukunft." 


„Es kann gar nicht genügend Investitionen geben“

Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär PHARMIG © Stefan Csaky
Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär PHARMIG © Stefan Csaky

ÖAZ "Wie steht es aktuell um den Pharmastandort Europa? Es gab einige Investitionen im vergangenen Jahr. Waren sie ausreichend oder braucht es noch mehr Engagement der Regierungen?"

Mag. Alexander Herzog "Investitionen kann es gar nicht genügend geben, ob von den Unternehmen selbst oder – noch besser – vom Staat zur Attraktivierung des Standortes. Die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie geben laufend durch ihre Investitionen in hiesige Standorte ein Bekenntnis zu Österreich ab. Selbiges sollte auch seitens der Politik erfolgen, indem sie derartige Schlüsselbranchen wie die pharmazeutische Industrie stärkt. Unsere Industrie ist nämlich im besonderen Maße durch Teuerungen und Inflation betroffen, zumal wir derartige Belastungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht über höhere Preise bei den Produkten kompensieren können."

ÖAZ "Arzneimittelengpässe sind nach wie vor ein brisantes Thema. Welche Entwicklungen erwarten Sie hier und wie könnte ein Lösungsansatz aussehen?"

Herzog "Eine Vorhersage darüber, wie sich Engpässe entwickeln werden, gleicht dem Blick in die Glaskugel. Zu komplex und multifaktoriell sind die Ursachen, wegen derer es zu Lieferverzögerungen oder -engpässen kommen kann. Klar ist, dass alle Betroffenen in der Lieferkette ihr Bestmögliches tun, um Produkte verfügbar zu halten. Vermeiden wird man Engpässe in der Zukunft nicht gänzlich können, aber hoffentlich doch verringern."

ÖAZ "Wenn Sie die aktuelle Stimmung in Österreichs Pharma-Unternehmen beschreiben müssen, wie sieht diese aus?"

Herzog "Die Branche ist intrinsisch motiviert, weil es eine ihrer Kernaufgaben ist, bestmöglich zur Versorgung mit bewährten wie innovativen Medikamenten beizutragen. Davon profitieren am Ende die Patientinnen und Patienten. Wir bleiben ebenso motiviert, was das Arbeiten an den Rahmenbedingungen betrifft. Beispiele, wie schlimm es enden kann, sehen wir derzeit genug, Stichwort Autobranche. Das sollte den Verantwortlichen jedenfalls klarmachen, wie wichtig es ist, Branchen wie die unsere hier zu halten, damit wir Wertschöpfung generieren und den Standort Österreich attraktiv halten können." 


„Das kann auf Dauer nicht funktionieren“

Dr. Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbands © Broboters
Dr. Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbands © Broboters

ÖAZ "100 Millionen Packungen Generika pro Jahr werden abgegeben. Das ist eine tolle Bilanz. Sind Sie mit dem Jahr 2024 zufrieden?"

Dr. Wolfgang Andiel "Generika sichern damit unsere Grundversorgung mit Arzneimitteln. Dennoch wird die Lage zunehmend kritisch. Die Menschen erleben das, wenn sie ihre Medikamente in der Apotheke plötzlich nur noch schwer bekommen."

"Sinkende Generikapreise und steigende Kosten sowie steigende regulatorische Anforderungen für Hersteller gefährden zunehmend die Versorgung. Der hohe Preisdruck macht eine wirtschaftliche Vermarktung für viele Hersteller immer schwieriger."

"Wir brauchen daher jetzt stabile und planbare Erstattungs- und Beschaffungsprozesse für Generika."

ÖAZ "Welche Entwicklung erwarten Sie für 2025?"

Andiel "Salopp gesagt: Wenn sich nichts ändert, wird sich nichts ändern. Patient:innen zahlen immer höhere Rezeptgebühren, während die Preise für Generika weiter sinken. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.

"Alle zwei Jahre drohen Herstellern zudem Zwangspreissenkungen, im kommenden Oktober ist es wieder so weit. Das gefährdet die Verfügbarkeit bewährter Medikamente und kann bedeuten, dass Generika nach Patentablauf der Originalmedikamente gar nicht auf den Markt kommen."

ÖAZ "Die neue Regierung hat es in der Hand. Was wünschen Sie sich und wie sehen Sie die Chancen, dass Ihre Anliegen Gehör finden werden?"

Andiel "Wir vom österreichischen Generikaverband appellieren an Sozialversicherung, Ministerium und Politik, die Sicherstellung der Versorgung mit Generika zur Priorität zu machen und gemeinsam mit uns Herstellern an einer Reform der Medikamenten-Erstattung zu arbeiten."

"Damit Patient:innen auch in Zukunft rechtzeitig die Medikamente bekommen, die sie brauchen."


"Wir sehen ein differenziertes Bild“

Mag. Ursula Scheithauer, Country Head Austria Insight Health © Beigestellt
Mag. Ursula Scheithauer, Country Head Austria Insight Health © Beigestellt

ÖAZ "Die Corona-Jahre sind vorbei, in den Apotheken ist wieder Normalität eingekehrt. Wie sieht Ihre Bilanz für 2024 aus?"

Mag. Ursula Scheithauer "Es ist ein differenziertes Bild, das wir sehen, wenn wir auf die Marktentwicklung in den Apotheken blicken. Im RX-Bereich liegt das Wachstum bei 5,5 %, das in erster Linie auf die gute Entwicklung patentgeschützter Produkte zurückzuführen ist. Der Generikamarkt stagniert umsatzmäßig – die Folge der Einführung des neuen Preisbandes im Oktober 2023 und den daraus resultierenden Preissenkungen. Die Entwicklung des rezeptfreien Marktes liegt derzeit bei + 1,6 % nach Umsatz, bei einem mengenmäßig leichten Rückgang von 2,1 %. Der rezeptfreie Markt weist derzeit einen Mangel an neuen Produkten, dem wesentlichsten Wachstumstreiber der Vergangenheit, auf. Betrachtet man die Elemente des Wachstums (Preis/Menge/Neue Produkte/außer Handel), so erkennt man schnell, dass der OTC-Markt ohne Preiserhöhungen rückläufig wäre – und zwar sowohl im OTC-Arzneimittelbereich als auch im restlichen Markt."

ÖAZ "Welche Marktentwicklungen erwarten Sie für 2025?"

Scheithauer "Abgesehen von Auswirkungen aufgrund  von gesetzlichen Änderungen, die eine neue Regierung mit sich bringt und die derzeit nicht vorhersehbar sind, gehen wir von einem kontinuierlichen Wachstum im RX-Markt aus – Patentenabläufe werden vom Wachstum neuer und patentgeschützter Produkte kompensiert, auch der Generikamarkt wird wieder wachsen."

"Der OTC-Markt hängt einerseits stark an der Entwicklung der Grippe und Erkältungssaison und andererseits an dem Launch neuer Produkte – die Entwicklung der letzten Monate lässt uns nicht zu optimistisch in die Zukunft blicken – ein Wachstum im unteren einstelligen Bereich prognostizieren wir für das Jahr 2025."

ÖAZ "Kann man beim Verkauf eindeutige Gewinner und Verlierer des vergangenen Jahres ausmachen?"

Scheithauer "Der Hustenmarkt zeigt das beste Wachstum der TOP-20-Indikationen, wobei hier vor allem Sinupret hervorzuheben ist, während der Halsschmerzmarkt deutlich (- 4,2 %) unter Vorjahr liegt."

"Auch Digestiva haben sich sehr gut entwickelt, allen voran durch Iberogast – wobei die Neueinführung von Iberogast Balance maßgeblich dazu beigetragen hat."

"Auf der anderen Seite war es kein einfaches Jahr für Vitamine mit einem leichten Minus und Mineralstoffe mit einem leichten Plus." 


„Wir gehören zur kritischen Infrastruktur“

Dr. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Österreichischen Arzneimittelvollgroßhändler © Beigestellt
Dr. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Österreichischen Arzneimittelvollgroßhändler © Beigestellt

ÖAZ "War das Jahr 2024 ein erfolgreiches für den Großhandel? Welche waren die größten Herausforderungen?" 

Dr. Andreas Windischbauer "Wir waren insofern erfolgreich, weil wir es fast immer geschafft haben, dass Lieferengpässe zu keinen Versorgungsengpässen geführt haben. Im Unterschied zu den Apotheken sind wir in der Öffentlichkeit wenig bekannt, weil unsere Arbeit vor allem im Hintergrund stattfindet. Jeder geht davon aus, dass Österreich ein wohlhabendes Land ist und es daher stets genügend Arzneimittel geben müsste. Doch was die Versorgungssituation anbelangt, sind wir schon lange nicht mehr eine Insel der Seligen. Dass die Patient:innen nach wie vor nicht so viel von den Herausforderungen spüren, hat zwei Gründe: Dass wir PHAGO-Großhändler inzwischen Mitarbeiter:innen ausschließlich damit beschäftigen, die Liefersituation laufend zu monitoren, rechtzeitig Alternativprodukte aufzustocken, notfalls Produkte aus dem Ausland zu beschaffen und vorhandene Kontingente so zu verteilen, dass es zu keiner Schieflage kommt. Und der zweite Grund liegt darin, dass die Apotheker:innen zusätzlich zum mit Engpässen verbundenen administrativen Aufwand viel Aufklärungsarbeit bei den Patient:innen leisten und damit Sicherheit signalisieren. So funktioniert unser System noch gut. Arzneimittelgroßhändler und Apotheker:innen als doppeltes Sicherheitsnetz." 

ÖAZ "Die Regierungsverhandlungen haben begonnen. Welche Umbrüche im Gesundheitswesen erwarten Sie für 2025?" 

Windischbauer "Es bleibt abzuwarten, welche Schwerpunkte die neue Regierung im Gesundheitssystem setzen wird. Ich persönlich vertraue darauf, dass einer neuen Regierung bewusst sein muss, dass die Sicherheit bei der Versorgung mit Arzneimitteln einen Preis hat."

"Unabhängig von einer neuen Regierung und politischen Farben-Konstellation ist eines klar: Wir Akteure im Gesundheitsbereich werden die Rolle der Europäischen Union zunehmend spüren. Die Maßnahmen auf EU-Ebene werden immer konkreter, damit folgen zwingende Vorgaben für das nationale Gesundheitssystem. Die Überarbeitung der EU Pharma Legislation wird 2025 finalisiert. Ob es für kleine Länder mit niedrigen Preisen besser wird in der Versorgung, wage ich aber zu bezweifeln."

ÖAZ "Welche kurz- und mittelfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?"

Windischbauer "Als PHAGO Betriebe haben wir drei Ziele:

  • Dass unsere Arbeit auch rechtlich verankert wird, heißt konkret, die bescheidmäßige Bestätigung als vollsortierter Großhandel. Wir fünf Vollgroßhändler nehmen ganz andere Aufgaben wahr als andere Betriebe mit einer Arzneimittel-Großhandelsbewilligung. Mit unseren 23 Standorten in ganz Österreich beliefern wir die Apotheken mit allen Medikamenten aus einer Hand und in einem Bestellvorgang. In dringenden Fällen liefern wir binnen zwei Stunden. An Fenstertagen liefern wir genauso aus. Wir gehören zur kritischen Infrastruktur in Österreich.

  • Wir fordern einen Belieferungsanspruch gegenüber den Herstellern, damit wir alle Medikamente führen und auch liefern können. Dass wir in Österreich im Gegensatz zu anderen Nachbarländern noch immer keinen Belieferungsanspruch haben, sorgt immer wieder für Lieferprobleme und massive Mehraufwände in den Apotheken.

  • Nachhaltigkeit, CO2-Fußabdruck reduzieren: Ein gemeinsames Ziel, das wir als verantwortungsbewusste Unternehmer haben, ist, die Umwelt zu schonen, was eine doppelte Verpflichtung für Unternehmen ist, die für die Gesundheit arbeiten. Dazu ist es wichtig, dass wir nicht nur von Papier auf digitale Kommunikation umstellen, sondern die Zusammenarbeit mit den Apotheken den Möglichkeiten der heutigen Zeit anpassen."

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