
Die 23 Bandscheiben haben die Aufgabe, die Bewegungen der Wirbelkörper abzufedern, und ermöglichen als Gleitschicht die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Sie verteilen den auf der Wirbelsäule lastenden Druck gleichmäßig. Außerdem fungieren sie als Abstandhalter zwischen Wirbelkörpern, sodass ausreichend Platz für Spinalnerven vorhanden ist. Die einzelnen Abschnitte sind umso beweglicher, je größer das Verhältnis von Bandscheibenhöhe zu Wirbelkörperhöhe ist. Die Bandscheibe besteht aus einer zähen, aber elastischen Hülle (Anulus fibrosus) aus knorpeligem Bindegewebe und einem gelartigen Kern (Nucleus pulposus). Im Kern befinden sich Knorpelzellen (Chondrozyten), die in der Lage sind, Wasser zu binden. Der Wassergehalt des gallertigen Kerns beträgt 70 bis 90 %. Der Nucleus ist gefäß- und nervenlos. Da der Anulus aus mehreren Ringen kollagener Fasern aufgebaut ist, die horizontal, vertikal und zu 80 % diagonal verlaufen, kann er hohen Zug- und Druckkräften standhalten und den Gallertkern vor Dreh- und Scherspannungen schützen.
Bandscheibendegeneration
Wenn die Bandscheibe durch Alterung, Überlastung und eine ungünstige Stoffwechsellage nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird, wird der Faserring brüchig. Bewegungsmangel und die dadurch ausgelöste Minderernährung erhöhen die Gefahr eines Prolapses, denn die Bandscheibe regeneriert sich nur langsam und verliert an Elastizität. Der Nucleus pulposus speichert weniger Wasser und die Reißfestigkeit der Bandscheibe nimmt ab. Der passive Flüssigkeitsaustausch mit der Umgebung ist die Grundlage für den Stoffwechsel der Bandscheibe, die zu den bradytropen Geweben zählt. Das heißt, dass sie Nährstoffe (Glucose, Sauerstoff, Sulfate) nur passiv über Diffusion erhält. Vor allem bei Entlastung (im Liegen) saugt der Gallertkern der Bandscheibe Wasser und Nährstoffe aus der sie umgebenden Gewebsflüssigkeit. Tagsüber wird ein Teil der Flüssigkeit durch die Belastung des Körpergewichtes beim Stehen oder Sitzen wieder herausgedrückt. Das ist auch der Grund, warum wir abends um bis zu zwei Zentimeter kleiner sind als am Morgen. Bewegung ist also für die Ernährung der Bandscheiben essenziell. Die Nährstoffzufuhr erfolgt gleichzeitig mit der Flüssigkeitszufuhr aus einem Kapillargeflecht unterhalb der Wirbelendplatten. Durch die regelmäßige Be- und Entlastung der Bandscheiben wird der Wasserfluss in und aus den Bandscheiben angeregt und die Nährstoffversorgung verbessert.
Cauda equina steht für Pferdeschweif. Es handelt sich dabei um ein Bündel an Nervenwurzeln, die zwischen Lendenwirbelsegment L1 und Kreuzbein im Wirbelkanal verlaufen. Wird dieser Bereich gequetscht, handelt es sich um einen medizinischen Notfall, der eine operative Dekompression innerhalb der nächsten 72 Stunden erfordert. Das Querschnittssyndrom führt zu schlaffen Lähmungen der unteren Extremitäten. Meist kommt es auch zu Sensibilitätsstörungen mit den Folgen Taubheit und Kribbeln. Defäkationsstörungen und Miktionsstörungen können ebenfalls auftreten.
Bandscheibenprotrusion
Bei einer Protrusion ist die Bandscheibe vorgewölbt und drückt auf das Rückenmark oder eine Nervenwurzel, was sehr schmerzhaft sein kann. Ursache ist eine instabile, poröse Bandscheibenhülle. Der Faserring ist intakt, es tritt noch kein Material aus dem Inneren der Bandscheibe aus. Man kann die Bandscheibenprotrusion auch als Vorstufe für einen Bandscheibenvorfall bezeichnen. Oft wird auch von einem inkompletten Bandscheibenvorfall gesprochen. Bei einem Bandscheibensequester ist der Faserring (Anulus fibrosus) gerissen und ein Teil des Inhaltes wird herausgedrückt, sodass er vom Rest der Bandscheibe getrennt ist.
Das passiert beim Prolaps
Schon um das 20. Lebensjahr herum werden die Bandscheiben zunehmend schlechter mit Nährstoffen versorgt, wodurch der äußere Faserring mehr und mehr kleine Risse bildet. Der Nucleus pulposus kann dadurch bei Belastung in die feinen Risse eindringen, wodurch es zu einer Protrusion bis hin zu einem kompletten Riss des Faserrings kommen kann. Treten Teile des Gallertkerns in den Wirbelkanal aus und drücken auf einen Spinalnerv oder auf eine Nervenwurzel (Radikulopathie), liegt ein schmerzhafter Bandscheibenvorfall vor. Die Rückenschmerzen können bis in Arme und Beine ausstrahlen. Es können auch Kribbeln, Lähmungs- und Taubheitsgefühle dazu kommen. Die Art der Symptome hängt auch davon ab, ob und wie stark die Bandscheibe auf einen Nerv oder die Nervenwurzel drückt. Nicht jeder Prolaps geht mit Symptomen einher. Es kann auch vorkommen, dass Patient:innen trotz Bandscheibenvorfall überhaupt keine Schmerzen empfinden. Da die Bandscheibe selbst keine Nerven besitzt, bemerken viele Patient:innen Schmerzen erst, wenn der Nerv eingeklemmt ist.
Auslöser
Die Hebelwirkung beim Heben schwerer Lasten aus dem Rücken heraus oder das einseitige Tragen schwerer Lasten erhöhen die Belastung auf die Bandscheiben auf ein Vielfaches unseres Körpergewichtes. Die meisten Patient:innen sind zwischen 30 und 55 Jahre alt. Die Ursachen sind meist degenerative Prozesse durch Übergewicht, Bewegungsmangel, Überlastung und Fehlstellungen der Wirbelsäule (z. B. Skoliose). Mit axial auftretenden Druckkräften kommt die Bandscheibe gut zurecht, da sie für eine gleichmäßige Verteilung der Kräfte sorgt, wobei der Kern 75 %, der Faserring 25 % der auftretenden Kräfte aufnimmt. Der Nucleus hat in Bewegung immer das Bestreben, zur weniger belasteten Seite zu wandern. Solange der Faserring über normale Spannung verfügt, wird der Druck des Bandscheibenkernes die Wirbelsäule immer wieder in Ausgangsstellung zurückbringen. Im Laufe des Alters wird jedoch der Innendruck des Kernes geringer und der Faserring bekommt kleine Einrisse. Damit lässt die Stabilität des Systems nach und die Wirbelsäule wird weniger elastisch und flexibel.
Lokalisation
Bei mehr als neun von zehn Betroffenen tritt der Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf, meist zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel sowie zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem Kreuzbein. Die Lokalisierung der Gefühls- oder Bewegungsstörungen lässt einen Rückschluss auf die Lage des Bandscheibenvorfalls zu. Drückt ein lumbaler Prolaps auf den Ischiasnerv, ziehen sich starke Rückenschmerzen über das Gesäß bis in ein Bein hinein. Der Schmerz kann aber auch nur auf den Rücken begrenzt sein und wird meist als stechend empfunden. Bei einem Prolaps der LWS kann auch die Schließmuskulatur von Blase und Darm betroffen sein, oft begleitet von einem Taubheitsgefühl im Anal- und Genitalbereich. Die Harn- und Stuhlentleerung kann dann häufig nicht mehr willkürlich gesteuert werden.
Etwa jeder zehnte Bandscheibenvorfall betrifft die Halswirbelsäule (HWS), auch zervikaler Diskusprolaps genannt. Die Schmerzen können dabei in einen Arm ausstrahlen und von Parästhesien wie Kribbeln, Taubheitsgefühl, Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen begleitet sein. Möglich ist auch ein Ausstrahlen in Kopf, Nacken oder Schultern, oft mit Schwindelgefühlen, Ohrgeräuschen oder Druckgefühl in den Ohren. Ein Bandscheibenvorfall der Brustwirbelsäule (BWS) tritt sehr selten auf. Die Schmerzen strahlen dann über einen ringförmig begrenzten Abschnitt des Brustkorbes aus. Wird der Bereich zwischen Lendenwirbelsegment L1 und Kreuzbein gequetscht, handelt es sich um einen medizinischen Notfall.

Medikamentöse Schmerztherapie
NSAR, Metamizol, COX-2-Hemmer
Die medikamentöse Therapie radikulärer Schmerzen erfolgt rein symptomatisch und ergänzt im akuten Stadium nicht-medikamentöse Maßnahmen. NSAR sollten in der niedrigsten wirksamen Dosis und so kurz wie möglich eingesetzt werden. Je nach Schmerztyp (nozizeptiv/neuropathisch/mixed pain) können Co-Analgetika eingesetzt werden. Diese beeinflussen nozizeptive Afferenzen und interferieren mit absteigenden nozizeptiven Bahnen. Bei Kontraindikation (KI) oder Unverträglichkeit von NSAR können COX-2-Hemmer off-label eingesetzt werden, sofern keine KI wie KHK, Schlaganfall, Herzinfarkt oder pAVK vorliegen. Metamizol ist für die Behandlung akuter und chronischer starker Schmerzen zugelassen, wenn andere Analgetika kontraindiziert oder nicht ausreichend wirksam sind. Bei akuten hochgradigen Beschwerden kann eine kurzzeitige parenterale Analgetika-Gabe sinnvoll sein. Chronische Rückenschmerzen sollten oral behandelt werden, da die parenterale Gabe hier keine Vorteile bietet.
Opioide
Bei therapieresistenten Schmerzen können Opioide im akuten Fall für maximal zwei bis drei Wochen eingesetzt werden; bei chronischen Schmerzen unter Kontrolle der Wirksamkeit auch länger. Für chronische Kreuzschmerzen ist die Wirksamkeit von schwach wirksamen Opioide belegt und ihr Einsatz wird empfohlen, sofern andere Schmerztherapien keine Wirkung zeigen.
Muskelrelaxanzien können kurzfristig bei Patient:innen mit Muskelverspannungen begleitend zur Schmerztherapie eingesetzt werden. Nebenwirkungen sind Sedierung mit Beeinträchtigung der Fahrsicherheit sowie die Gefahr der Abhängigkeit.
• Rückenschmerzen, Ziehen, Brennen
• Kribbeln, Taubheitsgefühl,
Lähmungserscheinungen
• Störungen der Beweglichkeit
• Reflexstörungen
• Schwindel, Koordinationsstörungen
• Kontrollverlust über Darm- oder
Blasenfunktion (Notfall!)
Antidepressiva & weitere Optionen
Antidepressiva als Co-Analgetika werden nur bei chronischen Schmerzen eingesetzt. Nichtselektive Monoaminwiederaufnahmeinhibitoren (NSMRI) wie Amitriptylin und Substanzen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen (Pregabalin, Gabapentin) können bei radikulären Schmerzen (bei mixed-pain) von Nutzen sein. Sind die Schmerzen nicht unter Kontrolle zu bekommen, bieten die peridurale Infiltration (PDI) oder periradikuläre Therapie (PRT) eine Alternative zur Operation. Unter CT-Kontrolle werden schmerzstillende, entzündungshemmende und gewebsverödende Medikamente millimetergenau an die schmerzende Nervenwurzel verabreicht. Es gibt darüber hinaus zahlreiche chirurgische (großteils minimalinvasive) und physiotherapeutische Möglichkeiten, trotz Prolaps beschwerdefrei zu werden.