Neue Therapieansätze

Oxidativer Stress bei Endometriose

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Bauchschmerzen © Shutterstock
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Mit einer Prävalenz von etwa 10 % bei Frauen im reproduktiven Alter zählt die Endo­metriose zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Unter Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch liegt die Häufigkeit sogar bei 30–50 %.1,2 Das charakteristische Merkmal dieser chronischen Erkrankung ist das Auftreten von endometrialem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle. Die Betrof­fenen leiden unter chronischen Unterbauchschmerzen, stark schmerzhaften Regelblutungen (Dysmenorrhoe) und Unfruchtbarkeit – Symptome, die ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Zwischen dem Auftreten erster Beschwerden und der endgültigen Diagnose vergehen durchschnittlich sieben Jahre.3

Pathogenese: ein vielschichtiges Krankheitsbild

Die Entstehung der Endometriose ist bis heute nicht vollständig geklärt. Als plausibelste Erklärung gilt die Theorie der retrograden Menstruation (Sampson-Theorie), laut der Gebärmuttergewebe durch die Eileiter in die Bauchhöhle gelangt und sich dort ansiedelt. Alternative Theorien wie die Zölommetaplasie oder die Beteiligung von Stammzellen werden ebenfalls diskutiert. Das Überleben dieser ektopen Endometriumzellen (also der Gebärmutterschleimhautzellen, die sich außerhalb der Gebärmutter ansiedeln) wird durch genetische Faktoren und eine gestörte Immunantwort begünstigt. Hormone – insbesondere Östrogen – fördern deren Wachstum und Entwicklung, während die Ausbildung neuer Blutgefäße (Angiogenese) die Versorgung der Endometrioseherde mit Nährstoffen sicherstellt. Diese Prozesse werden von chronischen Entzündungs­reaktionen begleitet.4–6 Zahlreiche Forschungsarbeiten der letzten Jahre zeigen zudem, dass wohl auch oxidativer Stress involviert ist.

Oxidativer Stress: zentraler Treiber der Erkrankung?

Eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der Endometriose spielt die Dysbalance zwischen der Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und antioxidativen Abwehr­mechanismen. Durch die retrograde Menstruation gelangen Erythrozyten in die Peritonealhöhle. Deren Abbau durch Makrophagen führt zu einer lokalen Eisenüber­ladung, die über die Fenton-Reaktion die Bildung hochreaktiver Hydroxylradikale und damit oxidativen Stress triggert.7 Erhöhte Konzentrationen von Oxidationsstressmarkern wie Malondialdehyd (MDA) oder Lipidhydroperoxide wurden sowohl im Serum als auch in der Peritoneal- und Follikelflüssigkeit von Endometriose-Patientinnen nachgewiesen. Das Ausmaß dieser Veränderungen korreliert dabei mit der Schwere der Erkrankung bzw. der Intensität der Schmerzwahrnehmung.8
Die entstehenden freien Radikale initiieren einen Teufelskreis: Sie aktivieren proinflammatorische Signalwege wie NF-κB, was zur verstärkten Expression von Zyto­kinen, Wachstumsfaktoren und Adhäsionsmolekülen führt. Diese chronische Aktivierung fördert das Überleben und die Invasion der ektopen Endometriumzellen sowie die Angiogenese.8 Bei der Endometriose-assoziierten Infertilität beeinträchtigen erhöhte ROS-Spiegel sowohl die Oozytenqualität als auch die Implantationsfähigkeit des Endometriums.9

Antioxidative Therapieansätze

Die medikamentöse Behandlung der Endometriose stützt sich bislang vor allem auf eine hormonelle Therapie mit GnRH-Analoga, Gestagenen oder kombinierten oralen Kontrazeptiva. Zur Schmerzlinderung kommen häufig NSAR zum Einsatz. Da diese Therapieoptionen oft mit Nebenwirkungen verbunden sind und nicht bei allen Patientinnen ausreichend ansprechen, besteht großer Bedarf an neuen Behandlungsansätzen.6 Neue therapeutische Perspektiven eröffnen sich durch Wirkstoffe, die den oxidativen Stress bei Endometriose reduzieren können.

Besonders gut untersucht ist die Kombination von Vitamin C (1.000 mg/d) und Vitamin E (1.200 IE/d). Eine aktuelle Metaanalyse von fünf randomisierten kontrollierten Studien zeigte eine signifikante Verbesserung der Schmerzsymptomatik. Besonders deutlich war der Effekt bei chronischen Unterbauchschmerzen (RR 7,30), aber auch Dysmenorrhoe (RR 1,96) und Dyspareunie (RR 5,08) wurden im Vergleich zu Placebo deutlich gebessert. Die Wirkung beruht auf einer Reduktion von Entzündungsmediatoren wie IL-6 und MCP-1 in der Peritonealflüssigkeit. Die Kombination beider Vitamine wird aufgrund des „Vitamin E-Recyclings“ empfohlen, bei dem oxidiertes Vitamin E durch Vitamin C regeneriert wird.10

N-Acetylcystein (NAC) stellt einen weiteren vielversprechenden Therapieansatz dar. Als Vorläufer des körpereigenen Antioxidans Glutathion unterstützt es die ­zelluläre Abwehr gegen oxidativen Stress. In klinischen Studien führte die Gabe von 1,8 g NAC täglich über 3 Monate zu einer signifikanten Reduktion der Endometrioseherde. Bei Patientinnen mit Kinderwunsch wurde eine Schwangerschaftsrate von über 85 % berichtet. Zusätzlich zur antioxidativen Wirkung hemmt NAC die Proliferation der Endometriosezellen und reduziert die Expression von Entzündungsmediatoren wie COX-2.11

Melatonin reduziert als potentes Antioxidans nicht nur den oxidativen Stress, sondern hemmt auch die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine. In Tierstudien wurde ein Rückgang der Endometrioseherde beobachtet. Beim Menschen führte die Gabe von 10 mg täglich über 8 Wochen zu einer deutlichen Schmerzreduktion, was sich in einem verminderten Analgetikabedarf widerspiegelte. Die schmerzlindernde Wirkung wird unter anderem auf eine Reduktion des Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) zurückgeführt, der eine wichtige Rolle bei der Schmerzsensibilisierung spielt.11

Unter den pflanzlichen Antioxidantien zeigen besonders Curcumin und Resveratrol interessante Effekte bei Endometriose. In Tiermodellen erwiesen sich beide Sub­stanzen als antiproliferativ und antiangiogenetisch. Die Ergebnisse wurden auch in Zellkulturstudien bestätigt. Klinische Studien zur Wirksamkeit bei Endometriose-Patientinnen stehen allerdings noch aus.7,11

Ultramikronisiertes Palmitoylethanolamid (PEA) zeigt in Kombination mit Polydatin positive Effekte bei Endometriose-assoziierten Schmerzen. Der Wirkmechanismus beruht auf einer Stabilisierung von Mastzellen, die eine wichtige Rolle bei Inflammation und Schmerzentwicklung spielen. Eine klinische Studie an Endometriose-Schmerzpatientinnen fand eine signifikante Ver­beserung von Dysmenorrhoe und Dyspareunie, es sind jedoch weitere klinische Studien erforderlich, um den therapeutischen Stellenwert von PEA zu definieren.7,12

Quellen
Literatur auf Anfrage

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