Phytoarzneimittel

Kleine grüne Helfer in den Wechseljahren

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Phytoarzneimittel © Shutterstock
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Etwa zwei Drittel aller Frauen leiden in den Wechseljahren unter vasomotorischen Symptomen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen sowie an Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Auslöser dafür ist der Abfall der Östrogen- und Progesteronspiegel im Blut. Erst wenn sich der Körper wieder auf ein neues hormonelles Gleichgewicht eingestellt hat, klingen die Beschwerden in der Regel ab.

Vor allem Östrogene sind wichtige regulatorische Hormone, die nicht nur im Fruchtbarkeitszyklus eine Rolle spielen, sondern beispielsweise auch Einfluss auf die Temperaturregulation, die Knochenstärke und die Psyche nehmen. Darüber hinaus erfüllen Östrogene eine Schutzfunktion im Herz-Kreislauf-System. Letzteres erklärt, weshalb Frauen vor dem Wechsel gegenüber Männern ein deutlich geringeres Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen.

Neben der klassischen Hormontherapie, bei welcher Östrogen und Progesteron oder Östrogen allein eingenommen wird, bieten verschiedene Heilpflanzen eine sichere Therapieoption. 

Eine hohe Bedeutung in der Behandlung von Wechselbeschwerden haben die Traubensilberkerze und sogenannte Phytoöstrogene. Letztere binden an die Östrogenrezeptoren und können in der Folge ähnliche Wirkungen wie Östrogene ­auslösen. Da diese allerdings nur an bestimmte Östrogenrezeptoren binden, spricht man von einer selektiven Östrogenrezeptor-Modulation (SERM). Das Brust- und Gebärmuttergewebe wird beispielsweise nicht beeinflusst und dadurch – anders als in der klassischen Hormontherapie – das Krebsrisiko nicht erhöht.

Pflänzchen mit Geheimnis

Die aus Nordamerika stammende Traubensilberkerze wird seit mehreren Jahrzehnten in der Frauenheilkunde eingesetzt. Es zeigte sich, dass vor allem das in der Wurzel vorkommende Gemisch aus Triterpenglykosiden (ca. 4 bis 7 %) Beschwerden in den Wechseljahren bessert. Weitere relevante Inhaltsstoffe sind Phenylcarbonsäuren wie Isoferulasäure sowie die Cimicifugasäuren.

Traubensilberkerze © Shutterstock
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Die Traubensilberkerze ist eine sehr gut untersuchte Heilpflanze, allerdings konnte der genaue Wirkmechanismus bisher noch nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden. Frühere Untersuchungen aus den 1980er-Jahren deuteten auf einen östrogenartigen Effekt durch Bindung der Triterpenglykoside an Östrogenrezeptoren. Aufgrund von neueren In-vitro-, In-vivo- sowie klinischen Studien geht man aber davon aus, dass die Wirkung der Extrakte der Traubensilberkerze nicht über die Östrogenrezeptoren (ERα und ERβ) vermittelt wird und somit auch keine östrogene Wirkung auf die Gebärmutter und die Brustdrüse zu erwarten ist. Vielmehr konnten dopaminerge und sero­tonerge Wirkungen in vitro und teilweise in vivo nachgewiesen werden. So erklärt sich die Reduktion von Hitzewallungen und nervöser Reizbarkeit auch über agonistische Effekte an Dopamin- und Serotoninrezeptoren und über eine Beeinflussung des Neurotransmitterstoffwechsels. Beispielsweise wurden in einem D2-Rezeptor-Test deutliche dopaminerge Effekte nachgewiesen.1

Hochdekoriertes Phytoarzneimittel

In mehreren klinischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Extrakt Auswirkungen auf die Temperaturregulation und psychovegetative Beschwerden hat. Dadurch werden Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit und depressive Abgeschlagenheit erfolgreich gelindert. Eine Schweizer Beobachtungsstudie mit 442 Teilnehmerinnen mit klimakterischen Beschwerden bestätigte diese Aussage. Die Patientinnen erhielten 3 Monate lang 1-mal täglich 13 mg eines Trockenextraktes (DEV 4,5–8,5 : 1, Ethanol 60 %) und dann weitere 6 Monate 6,5 mg desselben Extraktes. Nach 3-monatiger Behandlung hatten sich die Symptome laut Kupperman-Index deutlich reduziert. Dieser Effekt setzte sich auch in den darauffolgenden 6 Monaten fort, wobei die Autoren im Zeitraum der höheren Dosis bessere Ergebnisse beobachteten.2 Zu den aussagekräftigsten Studien zählt eine Metaanalyse mit Daten von insgesamt mehr als 12.000 Patientinnen. Dabei zeigten sich sowohl die iso­propanolischen als auch die ethano­lischen Traubensilberkerzenextrakte als medizinisch wirksam und Placebo deutlich überlegen.

Aufgrund der überzeugenden Studienlage hat das HMPC (Herbal Medicinal Product Committee) Traubensilberkerze zur Behandlung von Wechseljahres­beschwerden wie Hitzewallungen und übermäßiges Schwitzen sogar als medizinisch anerkanntes pflanzliches Arzneimittel („well-established use“) anerkannt. Die Traubensilberkerze gehört somit zu den wenigen Heilpflanzen, denen diese höchstmögliche Einstufung zuteilwurde.

Die empfohlene Dosierung liegt je nach Trockenextrakt bei 1- bis 2-mal täglich 2,5 bis 6,5 mg (entspricht ca. 40 mg Droge pro Tag). Für eine ausreichende Wirksamkeit sollten jedenfalls nur Fertig­arzneimittel zu Anwendung kommen und diese mehrere Monate eingenommen werden. Der Extrakt ist im Allgemeinen gut verträglich, nur vereinzelt kann es durch die schleimhautreizenden Triterpenglykoside zu Magenbeschwerden kommen. In In-vivo- und In-vitro-Studien und zuletzt in einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie zeigte Traubensilberkerze keinen Einfluss auf hormonsensitive Tumore. Da ein derartiger Einfluss allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sollte Traubensilberkerze nicht bei Pati­entinnen verwendet werden, die wegen eines östrogenabhängigen Tumors behandelt wurden.

Gestärkte Knochen, geschütztes Herz

Bei den im Rotklee und Soja enthaltenen Isoflavonen handelt es sich um Phytoöstrogene. Hier werden nur bestimmte Östrogenrezeptoren, die sogenannten ß-Rezeptoren, beeinflusst. Da ß-Rezeptoren vor allem im Herz, den Knochen und im Gehirn zu finden sind, erklärt sich auch die spezifische östrogenartige Wirkung auf die Knochenstärke und eine leichte schützende Wirkung auf das Herz. So verwundert es nicht, dass aktuelle Studien nicht nur einen Nutzen bei menopausalen Beschwerden, sondern auch schützende Effekte auf das Herz-Kreislauf-System belegen.4 Auch wenn die genannten Isoflavone nicht den Evidenzgrad der Traubensilberkerze erreichen, finden sich diese dennoch aufgrund mehrerer positiv abgeschlossener Studien in den aktuellen Empfehlungen der S3-Leitlinie bei Wechsel­jahresbeschwerden. Demnach wird einer täglichen Zufuhr von 30–80 mg Isoflavonen ein möglicher Nutzen zugeschrieben.5 Da diese Mengen mit einem Tee nicht erreichbar bzw. gleichbleibend garantiert werden können, kommen nur standardisierte Extrakte in Form von Kapseln oder Tabletten in Betracht. 

Nebenwirkungen sind selten, nur gelegentlich kann es nach Einnahme von Isoflavonen zu leichter Übelkeit kommen. Bei einer vorhandenen Brust- oder Gebärmutterkrebserkrankung sollte man auf Isoflavone verzichten.

Die Kombination macht’s

Die in den Wechseljahren mitunter auftretenden Stimmungsschwankungen und depressiven Symptome lassen sich häufig mit Johanniskraut bessern. Die antidepressive Wirkung lässt sich einerseits durch eine postsynaptische Down-Regulation der ß-Adrenorezeptoren durch Hyperforin und Hyperosid, andererseits auch durch eine Normalisierung einer überaktiven Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse erklären.

Johanniskraut © Shutterstock
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Am besten wirken dabei standardisierte Präparate mit einem gleichbleibenden Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen in Form von Kapseln oder Tabletten. Gerade bei Beschwerden, die in Verbindung mit den ­Wechseljahren stehen, ist vor allem die Kombination mit der Traubensilberkerze empfehlenswert. Dies belegen auch Studien wie jene von Briese et al. aus dem Jahr 2007. In dieser Beobachtungsstudie mit 6.141 Patientinnen verbesserten sich die psychischen Symptome deutlich besser mit der Kombination aus Traubensilberkerze und Johanniskraut verglichen mit der Gruppe, die nur Trau­bensilberkerze eingenommen hatte.6

Bei der Anwendung von Johanniskraut sollte stets eine mögliche Interaktion durch diesen starken Induktor auf andere über Cytochrom-P450 metabolisierte Arzneistoffe berücksichtigt werden. Und gerade hellhäutige Per­sonen sollten nach der Einnahme von Johanniskraut wegen der möglichen photosensibilisierenden Effekte intensive Sonneneinstrahlung meiden.

Cool bleiben mit Salbei

Gerade bei Hitzewallungen und Nachtschweiß kann auch Salbei hilfreich sein. In einer klinischen Studie konnten Hitzewallungen nach mehrwöchiger Einnahme sogar um 64 % gesenkt werden.7 Allerdings ist es bei einer langfristigen Einnahme wichtig, auf ­thujonfreie Präparate zu achten. Denn das im äthe­rischen Öl enthaltene Thujon führt in hohen Mengen (Tagesdosen über 15 g Salbeiblätter) selbst zu ­Hitzegefühl, Herzrasen und Schwindelattacken. Werden Salbeiblätter als Tee genossen, sollten diese nur kurzfristig angewandt und die Tagesdosierung von 4 g getrockneter Blätter sollte nicht überschritten werden.

Quellen

1 Jarry et al.: In vitro effects of the cimicifuga racemosa extract BNO 1055. Maturitas 2003, 44:31-38
2 Drewe et al.: The effect of a Cimicifuga racemosa extracts Ze 450 in the treatment of climacteric complaints – an observational study. Phytomedicine. 2013, 20(8-9):659-66.
3 Beer, A-M., Neff, A.: Differentiated Evaluation of Extract-Specific Evidence on Cimicifuga racemosa's Efficacy and Safety for Climacteric Complaints. Evid Based Complement Alternat Med. 2013, 2013:860602.
4 Myasoedova et al.: Anti-Atherosclerotic Effects of a Phytoestrogen-Rich Herbal Preparation in Postmenopausal Women. Int J Mol Sci. 2016; 17(8):1318.
5 S3-Leitlinie. Peri- und Postmenopause - Diagnostik und Interventionen. Guideline of the DGGG, SGGG and OEGGG (S3 Level, AWMF Registry No. 015-062, September 2020). https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-062

Weitere Literatur auf Anfrage

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