Harnwegsinfektionen bei Kindern

Wenn es bei den Kleinsten brennt

MAG. PHARM. Verena Kimla
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Unter den Neugeborenen sind Buben häufiger betroffen als Mädchen, beschnittene Buben haben im frühen Säuglingsalter jedoch ein wesentlich geringeres Risiko für HWI als unbeschnittene. Bei 12 % bis zu über 30 % der Kinder treten Rezidive auf; das Rezidivrisiko ist innerhalb der ersten drei Monate nach einer HWI am höchsten und korreliert mit der Zahl vorangegangener Infektionen. Bei fieberhaften HWI tritt bei ca. der Hälfte der Kinder eine Pyelonephritis auf.

Wandelbare Symptomatik

Bei Neugeborenen äußern sich HWI im Gegensatz zum älteren Säugling selten durch hohes Fieber. Symptome wie Trinkschwäche, Gewichtsverlust, Ikterus und Berührungsempfindlichkeit können Zeichen einer Pyelonephritis oder beginnenden Urosepsis sein. Innerhalb der ersten zwei bis drei Lebensmonate kann sich eine HWI zunächst durch Übererregbarkeit, Erbrechen, Trinkunlust und verminderte Aktivität zeigen; oft tritt jedoch lediglich hohes Fieber auf. Die Symptome können unspezifisch sein und daher zu Fehldiagnosen führen. Ein auffälliger Uringeruch tritt manchmal auf, ist jedoch kein sicheres Diagnosezeichen für eine HWI. Erst bei älteren Kindern äußert sich eine Zystitis wie beim Erwachsenen. Eine Pyelonephritis geht mit Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen einher, wobei jüngere Kinder oft Bauch- oder Unterleibsschmerzen angeben.

Urindiagnostik essenziell

Liegen anamnestische und klinische Zeichen für eine HWI vor, sollte der Urin untersucht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine antibiotische Therapie geplant ist. Bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren sollte hohes Fieber > 39 °C unklarer Genese, unklares Fieber über 48 Stunden, bereits vorangegangene HWI und Druckschmerzen im Unterbauchbereich ebenfalls zu einer Urindiagnostik führen. Bei Säuglingen innerhalb der ersten drei Lebensmonaten muss laut Leitlinie bei jedem unklaren Fieber („Fieber ohne Fokus“) eine Urinuntersuchung erfolgen (siehe dazu auch Kasten unten). In der Praxis wird dies jedoch oft verabsäumt. Die Leitlinie streicht heraus, dass der Verzicht auf die mikrobiologische Diagnostik im Säuglings- und Kleinkindalter bei klinischem Verdacht auf eine Pyelonephritis nicht zu rechtfertigen ist. Eine Diagnostik ist auch daher so wichtig, da in diesem Lebensalter „non-E.-coli-Keime“ häufiger sind, weshalb Kinder auf eine Standardtherapie nicht ansprechen. 

Indikation zur Urinuntersuchung
  • jedes Fieber beim Säugling 
  • jedes Fieber unklarer Ätiologie unabhängig vom Alter
  • unklare Gedeihstörung und/oder beein-
    trächtigter Allgemeinzustand beim Säugling 
  • unklare Abdominalbeschwerden oder 
    Flankenschmerzen (auch bei Verdacht auf Appendizitis)
  • Pollakisurie, Drangsymptomatik, neu auf-
    tretende Inkontinenz 
  • Miktionsbeschwerden 
  • Makrohämaturie 

Optimalerweise „Clean-catch“-Urin

Können die Kinder ihre Blase bereits kontrollieren, sollte für die Urindiagnostik jedenfalls der Mittelstrahlurin gewonnen werden. Davor sollte der Genitalbereich gründlich mit warmem Wasser gereinigt werden, um eine Kontamination mit Keimen und Leukozyten zu verhindern. Die Urinprobe sollte möglichst spät nach dem letzten Wasserlassen genommen werden, damit sich die in der Blase befindlichen Keime genügend vermehren können, um nachweisbar zu sein. 
Bei einem Säugling oder Kind mit nicht vorhandener Blasenkontrolle kann der Urin zwar grundsätzlich mittels eines Urinbeutels gesammelt werden; wenn ein nachfolgender Urin-Streifentest positiv oder eine mikroskopische Untersuchung auffällig ist oder eine Urinkultur angelegt werden soll, ist eine Uringewinnung mittels „Clean-catch“-Methode jedoch ratsam, da Beutelurin häufig zu Kontaminationen und Mischkulturen führt.

Bei älteren Kindern äußert sich eine HWI mit der auch bei Erwachsenen typischen Symptomatik. Teilweise kommt es auch zum nächtlichen Einnässen bei bereits sauberen Kindern. © Shutterstock
Bei älteren Kindern äußert sich eine HWI mit der auch bei Erwachsenen typischen Symptomatik. Teilweise kommt es auch zum nächtlichen Einnässen bei bereits sauberen Kindern. © Shutterstock

Um frischen Urin aufzufangen, kann nach größerer Trinkmenge die Blasenentleerung abgewartet und der Mittelstrahlurin mit einem sterilen Gefäß aufgefangen werden. Die Falsch-Positiv-Rate dieser Methode ist mit 5 % sehr gering. Nachteilig ist jedoch, dass dieses Vorgehen Geduld und Zeit erfordert; ist das Kind in schlechtem Allgemeinzustand, ist beides in der Praxis rar gesät. 

Bei Säuglingen ist es möglich, den Urin direkt nach dem Aufwachen vor dem Wickeln zu sammeln. Im Alter zwischen einem und zwölf Monaten kann der Reflex zur Blasenentleerung auch durch einen in kaltes Wasser getauchten Tupfer ausgelöst werden, der in Blasenhöhe auf den Bauch gelegt wird. Für Neugeborene und Säuglinge bis zum Alter von zwei Monaten gibt es zudem eine spezielle Simulationstechnik: Dazu wird das Kind etwa eine halbe Stunde nach einer Trinkmahlzeit an den Achseln hochgehoben.

Beutelurin eignet sich nur für eine erste Diagnostik anhand von Urinstreifentests. Für das Anlegen einer Urinkultur ist der Mittelstrahlurin in einem Urinbecher notwendig. © Shutterstock
Beutelurin eignet sich nur für eine erste Diagnostik anhand von Urinstreifentests. Für das Anlegen einer Urinkultur ist der Mittelstrahlurin in einem Urinbecher notwendig. © Shutterstock

Eine zweite Betreuungsperson klopft nun 30 Sekunden lang sanft auf die Blase. Dann streicht man am Gesäßansatz über die Wirbelsäule und hält einen Urinbecher bereit.

Kaum Daten zu NSAR 

Während bei HWI im Erwachsenenalter einige Studien zur therapeutischen und prophylaktischen Wirksamkeit von Phytotherapeutika und Antiphlogistika vorliegen, ist die Datenlage bei Kindern sehr dünn.

Zu Phytotherapeutika, NSAR und Probiotika liegen bei Kindern sehr wenig Daten vor. Sie werden allenfalls als prophylaktische supportive Maßnahme bei älteren Kindern empfohlen. © Shutterstock
Zu Phytotherapeutika, NSAR und Probiotika liegen bei Kindern sehr wenig Daten vor. Sie werden allenfalls als prophylaktische supportive Maßnahme bei älteren Kindern empfohlen. © Shutterstock

Einzig bei jugendlichen Mädchen mit rezidivierenden Zystitiden kann im Akutfall versuchsweise eine Therapie mit einem Phytotherapeutikum erwogen werden, wenn dies nach Aufklärung über das Risiko einer Pyelonephritis ausdrücklich gewünscht wird. Die alleinige symptomatische Therapie einer Zystitis mit NSAR wird insbesondere für das Kindes- und Jugendalter nur eingeschränkt empfohlen, da es in Studien vermehrt zu Nierenbeckenentzündungen kam.

Probiotika, D-Mannose, Phytotherapeutika

Die Wirksamkeit von Probiotika in der Prophylaxe von HWI im Kindesalter ist nicht ausreichend belegt, weswegen sich die Leitlinie nicht für eine alleinstehende Probiotika-Therapie ausspricht. Als Adjuvans zur antibakteriellen Prophylaxe sind sie jedoch möglicherweise geeignet. 
Für D-Mannose und Mannoside konnte zwar ein deutlicher Effekt auf das Auftreten von Rezidiven gezeigt werden, welcher dem von Nitrofurantoin glich; insgesamt ist die Datenlage aber so schwach, dass für das Kindesalter keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.
Die Wirkung der Cranberry (Vaccinium macrocarpon) beruht wahrscheinlich in erster Linie auf der Adhärenzhemmung uropathogener E.coli am Uroepithel durch Proanthocyanidine. Laut einer Cochrane-Analyse ist die Studienlage jedoch zu schwach, um evidenzbasierte Empfehlungen abgeben zu können. Auch unterscheiden sich die im Handel erhältlichen Produkte erheblich voneinander.

Isothiocyanaten, wie sie sich in Senfölen aus der Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse finden, wird eine antibakterielle und antiphlogistische Wirkung zugesprochen. Zu einer Kombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern liegt aktuell ein Review aus zwei kleinen Studien an Kindern vor, in der das Präparat die Rezidivrate deutlich senkte.

Richtwerte Empfohlene Flüssigkeitszufuhr 
Alter (Jahre)tägliche Flüssigkeitszufuhr 
über Getränke (ml/d)
1 bis < 4820
4 bis < 7940
7 bis < 10970
10 bis < 131.170
13 bis < 151.130
15 bis < 191.530

Die prophylaktische Wirksamkeit einer oralen Immunstimulation durch ausgewählte E.-coli-Stämme ist für das Kindesalter unzureichend belegt, obwohl ein entsprechendes Präparat grundsätzlich ab vier Jahren zugelassen ist.

Die Leitlinie kommt zu dem Schluss, dass eine Infektionsprophylaxe mit nicht-antibakteriell wirksamen Präparaten (z. B. mit D-Mannose, Phytotherapeutika, Isothiocyanaten) lediglich bei unkomplizierten rezidivierenden Zystitiden im späten Kindes- und im Jugendalter als supportive Maßnahme angewandt werden kann. 

Prophylaktische Maßnahmen

Jedenfalls sollte auf ausreichendes Trinken geachtet werden (siehe dazu Tabelle links), wobei weniger die Gesamt-Trinkmenge ausschlaggebend ist, sondern die damit verbundene Erhöhung der Miktionsfrequenz. Zudem schützt Stillen zumindest in den ersten Lebensmonaten vor HWI und eine längere Stilldauer trägt auch nach dem Abstillen noch zu einer niedrigeren Infektionsrate bei. Häufiges Windelwechseln scheint eine vorbeugende Wirkung zu haben, allerdings dürften sehr saugfähige Windeln kontraproduktiv sein. Zu spezifischen Genitalhygiene-Maßnahmen existieren an Kindern bisher keine Studien. Die Empfehlung für Mädchen/Frauen, zur Vorbeugung von HWI bei der Reinigung nach dem Toilettengang „von vorn nach hinten“ zu wischen, bestätigte sich allerdings in einer großen Studie unter Schwangeren; diese einfache, nebenwirkungsfreie Maßnahme könnte daher auch bei weiblichen Säuglingen und Mädchen hilfreich sein.

Quellen

  • D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 2.Auflage, 4. aktualisierte Ausgabe ed. 2018, Bonn
  • Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie und Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie der Deutschen Gesellschaft für Urologie: Interdisziplinäre S2k-Leitlinie: Harnwegsinfektionen im Kindesalter: Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. Version 1, 23.08.2021, verfügbar unter: 
    https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/166-004.html (Zugriff am: 07.02.2024)

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