Eine erektile Dysfunktion ist zwar per se keine lebensbedrohliche Erkrankung, sie steht aber häufig im Zusammenhang mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und kann ein wichtiger Warnhinweis für diverse gesundheitliche Probleme sein. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz für Erektionsprobleme. 25–30 % der Männer ab 65 Jahren sind betroffen.1
erektile Dysfunktion
Die erektile Dysfunktion des Mannes ist gekennzeichnet durch das Unvermögen oder die deutliche Verringerung der Fähigkeit, eine Erektion von ausreichender Dauer oder Steifheit zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, um sexuelle Aktivität zu ermöglichen. Das Muster der Erektionsschwierigkeiten tritt trotz des Wunsches nach sexueller Aktivität und angemessener sexueller Stimulation auf, tritt episodisch oder anhaltend über einen Zeitraum von mindestens mehreren Monaten auf und ist mit klinisch bedeutsamen Beschwerden verbunden.2
Die Erektionsfähigkeit kann jedoch auch durch hormonelle Störungen, psychische Faktoren wie Angst, Depressionen oder Stress sowie durch die Einnahme gewisser Medikamente beeinflusst werden und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Partner:innen beeinträchtigen.
Physiologie der Erektion
Eine Erektion entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel von Nerven-, Hormon- und Gefäßsystem. Bei sexueller Erregung sendet das Gehirn Signale über das Rückenmark an die Nerven im Penis, wodurch die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) in den Schwellkörpern (Corpora cavernosa) angeregt wird. NO führt zur Entspannung der glatten Muskulatur und zur Erweiterung der Blutgefäße im Penis, was einen erhöhten Blutfluss in die Schwellkörper ermöglicht. Gleichzeitig wird der venöse Abfluss aus dem Penis eingeschränkt, sodass das Blut in den Schwellkörpern eingeschlossen bleibt, was die Erektion festigt. Hormone wie Testosteron unterstützen diesen Prozess, indem sie die Libido und die Nervenfunktion beeinflussen.
Vielfältige Ursachen
Ist eine Erektion nicht möglich oder unzureichend, müssen die Ursachen gefunden und behandelt werden. Da auch eine schlechte Durchblutung durch verengte Gefäße zu Erektionsproblemen führen kann, ist die erektile Dysfunktion häufig die erste wahrnehmbare Begleiterscheinung von Gefäßerkrankungen.
Mögliche Ursachen
Hormonelle Ursachen
Testosteronmangel, Erkrankung der Schilddrüse, Nebenniere und/oder Hirnanhangsdrüse
Systemische Ursachen
Adipositas, Diabetes mellitus, Dyslipidämie, Hypertonie, Atherosklerose, Niereninsuffizienz
Neurologische Ursachen
Polyneuropathie, Parkinsonsyndrom, Bandscheibenvorfälle, Multiple Sklerose, Schlaganfall
Arzneimittelbedingte Ursachen
Antihypertensiva (z. B. β-Blocker, ACE-Hemmer),
Diuretika (z. B. Thiazide), Antidepressiva
(z. B. Trizyklische Antidepressiva, SNRI, SSRI, MAO-Hemmer), Antiepileptika, Benzodiazepine, 5α-Reduktase-Hemmer (Dutasterid, Finasterid), Opioide (z. B. Morphin)
Psychische Ursachen
Angststörungen, Stress, Überlastung,
Depression, Beziehungsprobleme
Andere Ursachen
Alkohol, Drogen, Nikotin
Eine erektile Dysfunktion kann auch durch krankhafte Veränderungen im Genitalbereich verursacht werden, beispielsweise Entzündungen der Hoden oder der Prostata. So zählt das benigne Prostatasyndrom zu den häufigsten urologischen Beschwerden beim Mann ab 50.
In manchen Fällen ist körperlich alles in bester Ordnung, aber die mentale Gesundheit ist es nicht. Vor allem bei jüngeren Männern stehen oft psychische Faktoren oder emotionale Probleme im Vordergrund. Depressionen, Angststörungen und (chronischer) Stress sind bei Männern mitunter nicht ausreichend diagnostiziert, sie haben aber neben ihrem großen Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden auch einen Einfluss auf die Sexualfunktion. Zudem können Leistungsdruck, Versagensängste, ungelöste Konflikte in der Partnerschaft und Unsicherheiten in neuen Beziehungen das Risiko von Erektionsstörungen erhöhen. Depressive Störungen und eine erektile Dysfunktion können sich darüber hinaus gegenseitig beeinflussen, verstärken und aufrechterhalten. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Auslösern – gegebenenfalls unterstützt durch Psychotherapie – kann dazu beitragen, die erektile Funktion wiederherzustellen und das Selbstvertrauen zu stärken.
Werden bereits Medikamente für eine Grunderkrankung eingenommen, kann dies die Problematik der erektilen Dysfunktion verschärfen, da einige Wirkstoffe sexuelle Funktionsstörungen als Nebenwirkung hervorrufen. Diese Belastung kann jedoch mit einer Optimierung der Medikation häufig verbessert werden. Alkohol, Nikotin und Drogen können sich auf die erektile Funktion sowohl direkt durch Schädigung der Blutgefäße als auch indirekt durch Beeinflussung der Testosteronproduktion auswirken. Beim allgemeinen Gesundheitscheck sollte auch ein Hormonstatus erhoben und ein eventueller Testosteronmangel ausgeschlossen werden.
Medikamentöse Therapie mit PDE-5-Hemmern
Für eine Abklärung der Ursachen einer erektilen Dysfunktion und in weiterer Folge für die Behandlung führt der Weg aus gutem Grund über einen Facharzt oder eine Fachärztin.
Phosphodiesterase-5-Hemmer wie Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil sind in der symptomatischen Behandlung die Mittel der ersten Wahl, sie dienen jedoch nicht zur ursächlichen Behandlung. PDE-5-Hemmer blockieren den Abbau von cGMP (cyclisches Guanosinmonophosphat), das als Second Messenger für das vasodilatatorisch wirkende NO fungiert. Damit kommt cGMP eine entscheidende Bedeutung bei der Vasodilatation zu. Durch die PDE-5-Hemmer wird die Phosphodiesterase 5 in ihrer Aktivität gehemmt, die cGMP-Konzentration steigt an. Dies führt schlussendlich zu einer verstärkten und effektiveren Gefäßerweiterung. Ohne sexuelle Stimulation kommt es mit PDE-5-Hemmern allerdings zu keiner Wirkung, sie sind also kein Aphrodisiakum.
Kardiovaskuläre Erkrankungen wie eine eingeschränkte Herzfunktion oder instabile Angina pectoris stellen eine Kontraindikation für die Behandlung mit PDE-5-Hemmern dar. Ebenso ist die gleichzeitige Einnahme von Nitro-Präparaten kontraindiziert, da die verstärkte NO-Wirkung durch die Abbauhemmung von cGMP unter Umständen zu tödlichen Blutdruckabfällen führen könnte.1
Unbeliebte Alternativen
Ist die Behandlung mit PDE-5-Hemmern kontraindiziert oder führt sie nicht zum gewünschten Erfolg, bietet die lokale Therapie mit MUSE (Medical Urethral System for Erection) und SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie) weniger populäre Alternativen. Beide Methoden führen mittels Prostaglandin E1 zu einer Entspannung der glatten Muskulatur des Penis und ermöglichen einen erhöhten Bluteinstrom in die Schwellkörper und führen dadurch zu einer Erektion. Aufgrund der schwierigen Handhabung finden beide Methoden wenig Anklang. Vakuumpumpen oder operative Eingriffe (beispielsweise Schwellkörperimplantate) ergänzen die therapeutischen Möglichkeiten, sie sind aber nur für einen kleinen Teil der Patienten eine wirkliche therapeutische Alternative.3
Lifestyle-Maßnahmen und Supplements
Nahrungsergänzungsmittel mit einem positiven Effekt auf die Gefäßgesundheit können als Zusatz zu einer Therapie oder Lebensstiländerung in Betracht gezogen werden, sie sind jedoch Ergänzungsmittel und stellen keine Therapie dar. Im Zusammenhang mit einer erektilen Dysfunktion werden vor allem L-Arginin und L-Citrullin häufig genannt. Die Kombination aus Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien steigert die Verfügbarkeit von freiem NO und könnte sich auch positiv auf die Gefäße und erektile Funktion auswirken.
Körperliche Aktivität verbessert nicht nur die kardiovaskuläre Gesundheit, sie kann sich in Folge auch positiv auf die sexuelle Funktion und mentale Gesundheit auswirken. Eine ausgewogene Ernährung hilft zudem, das Risiko für Übergewicht, Diabetes und Gefäßerkrankungen zu verringern.
Quellen
- Mutschler E, et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen: Pharmakologie, klinische Pharmakologie, Toxikologie. 11. Auflage, Stuttgart, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2020
- ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics. 11.09.2024. https://icd.who.int/browse/2024-01/mms/en#97556145. aufgerufen am 11.09.2024
- DGN One | Leitlinie Details. 16.09.2024. https://dgn.org/leitlinie/diagnostik-und-therapie-der-erektilen-dysfunktion. aufgerufen am 16.09.2024