Vorstoß

Neues Insulin soll Blutzucker "riechen"

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Insulin © shutterstock
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Es handelt sich um ein Insulin, das zu niedrige Blutzuckerspiegel "riecht" und sich in diesem Fall "abschaltet".

Novo Nordisk macht seit einiger Zeit mit dem Diabetes-/Abnehmmedikament Semaglutide Schlagzeilen. Da geht es mittlerweile auch noch um ganz andere Wirkungen als die bloße Senkung des Blutzuckerspiegels bei Typ-2-Diabetikern. Ganz ähnlich arbeitet auch Eli Lilly.

Doch daneben werden auch weiterhin völlig neue Insuline entwickelt. "Das Risiko, eine Hypoglykämie (zu wenig Blutzucker) hervorzurufen, ist die größte Herausforderung bei der Insulintherapie für Diabetes. Die Dosierung von Insulin muss so angepasst sein, dass die Blutzuckerwerte im normalen Bereich bleiben. Das ist aber bei den schwankenden Blutzuckerkonzentrationen schwierig. Selbst eine geringfügig höhere Insulindosis als notwendig kann zu einer Hypoglykämie führen - zwischen einer unangenehmen bis lebensgefährlichen Episode", schrieben vor kurzem Thomas Hoeg-Jensen von der Technologie-Forschungsabteilung des dänischen Konzerns und seine Co-Autoren in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" (https://doi.org/10.1038/s41586-024-08042-3).

Die dänischen Forscher haben deshalb mit ihrem Kandidat-Wirkstoff NNC2215 einen Komplex konstruiert, der besondere Eigenschaften hat. "Es wurde ein 'Schalter' eingebaut, der sich in Abhängigkeit vom Zuckerspiegel öffnet oder schließt und das Insulin zwischen aktiven und weniger aktiven Formen entsprechend auspendelt", schrieben die Wissenschafter. Hypoglykämien gehören zu den am meisten gefürchteten Komplikationen der Diabetes-Therapie. Besonders gefährlich sind sie im Schlaf, weil sie dann oft nicht bemerkt werden.
Der neue potenzielle Wirkstoff ist ein Konjugat. An ein Insulin-Protein als wirksames "Rückgrat" sind zwei zusätzliche Strukturen angehängt. Auf der einen Seite ist das ein Glukosid, also ein Molekül, das ganz ähnlich dem Blutzucker ist. Auf der anderen Seite befindet sich ein "Makrozyklus", eine ringförmige Struktur.

Bei hoher Konzentration bindet die Glukose an dem "Makrozyklus", womit das Insulin-Protein in seiner Gestalt "offen" und wirksam bleibt. In dieser Form kann es über den Insulinrezeptor von Zellen Zucker aus dem Blut in die Zellen hineinbringen und seiner Verwertung zuführen. Damit sinkt der Blutzuckerspiegel. Bei niedriger Glukose-Konzentration bindet hingegen das Glukosid an dem "Makrozyklus", wodurch sich die gesamte Struktur so verändert, dass das Insulin nicht mehr so gut funktioniert. Die Wirksamkeit nimmt ab. Damit soll eine weitere Abnahme des Blutzuckerspiegels verhindert werden.

Im Labor zeigte sich eine Veränderung der Wirksamkeit des Insulins mit dem Zucker-Sensor um das bis zu 12,5-Fache je nach der vorhandenen Glukose-Konzentration. Unter Glukose-Konzentrationen, die der Realität im Organismus mehr entsprechen, zeigte sich immerhin noch eine Steigerung bzw. Reduktion der Insulin-Wirksamkeit von NNC2215 um etwa das Dreifache.

Tierversuche in Ratten und mit Schweinen haben laut Hoeg-Jensen gute Ergebnisse gebracht. Bei Schweinen zeigte sich mit dem Insulin-Entwicklungskandidaten - je nach Blutzuckerkonzentration - eine Veränderung der Wirksamkeit etwa im Bereich des Fünffachen. Das spreche für die Möglichkeit einer Umsetzung in solche Wirkstoffe auch für den Gebrauch beim Menschen, stellten die Experten fest.
"Zusammenfassend: Insulin-Konjugate mit den Eigenschaften wie NNC2215 könnten die Behandlung von Diabetes möglicherweise verbessern indem sie einerseits das Risiko von Unterzuckerung verringern und zum Teil auch die Notwendigkeit des Injizierens von schnell wirksamen Insulin zu Mahlzeiten abdecken. Die Kombination dieser beiden Eigenschaften sollte im Vergleich zu den derzeitigen Insulintherapien eine genauere Steuerung (der Wirksamkeit; Anm.) zum Erreichen normaler Blutzuckerspiegel ermöglichen. Dies, ohne die Gefahr von Hypoglykämien zu erhöhen", hieß es in "Nature".

Die Entwicklung von Insulinen für die Diabetes-Therapie hat eine lange Geschichte: Wurden vor rund hundert Jahren die ersten Insuline aus den Bauchspeicheldrüsen von Schlachttieren hergestellt, hat sich die Situation in der Zwischenzeit grundlegend geändert. In den 1980er-Jahren begann die Ära des Humaninsulins aus gentechnischer Produktion.

Dann folgte die Schaffung von Insulin-Analoga: Durch die gezielte Veränderung des Stoffwechselhormons und die biotechnologische Herstellung konnten zum Beispiel extrem kurz wirksame Insulin-Varianten geschaffen werden ("Dessert-Insuline"), damit Diabetiker das Medikament noch während einer Mahlzeit exakt zu den aufgenommenen Kohlenhydraten dosieren und injizieren konnten. Das Gegenteil sind extrem lang wirksame Insulin-Analoga für die Basistherapie. Im Mai dieses Jahres hat die EU das erste Ultra-Langzeit-Insulin von Novo Nordisk zugelassen, das nur einmal wöchentlich injiziert werden muss.

APA

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