Nach ihrer Markteinführung in den 1960er-Jahren galt die Pille durch die vielversprechenden Aspekte der einfachen Handhabung, des niederschwelligen Zuganges und der hohen Sicherheit als Symbol der sexuellen Selbstbestimmung und als das Verhütungsmittel schlechthin. Gestagenmonopräparate oder Östrogen-Gestagen-Kombinationen zur oralen Einnahme, Depotinjektionen, Vaginalringe, subdermale Implantate und transdermale Pflaster – die Liste hormonbasierter Verhütungsmittel scheint so lange und vielfältig wie die der möglichen Nebenwirkungen. Aktuell bestätigen bevölkerungsbezogene Daten eindeutig die rückläufige Tendenz bei der Verwendung der Pille, was einerseits durch eine generelle Hormonskepsis, andererseits durch die rapide mediale Verbreitung von Studienresultaten zu etwaigen negativen Auswirkungen bedingt ist.
Einfluss auf psychische Gesundheit
Die erst vor wenigen Jahren publizierten Daten zweier dänischer Studien, die das Risiko von Depression und Suizid im Zusammenhang mit der Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva (KHK) evaluierten, sorgten neben der Aufnahme entsprechender Warnhinweise in die Packungsbeilagen für umfassende Verunsicherung. Eine Veränderung der Stimmungslage zählt zu den häufigsten Beweggründen für die Beendigung der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva. Ohnehin sind Frauen von unipolaren depressiven Episoden, die durch gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit und vermindertes Selbstwertgefühl charakterisiert sind, deutlich häufiger betroffen als Männer. Kausale Aussagen über den Einfluss hormoneller Verhütungsmethoden auf eine depressive Symptomatik können aufgrund der variablen Zusammensetzung der Arzneimittel, der limitierten Vergleichbarkeit durch inkonsistente Untersuchungskriterien und eines Mangels an prospektiven Studien aber nicht getroffen werden. Als erwiesen gilt hingegen die Fähigkeit der in den KHK enthaltenen Sexualsteroide, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und ihr Potenzial, Hirnareale, die an der Emotionskontrolle beteiligt sind, in Struktur und Funktionalität zu beeinflussen.
Unterschiedliches Thromboserisiko
Das Sicherheits- und das Nebenwirkungsprofil der KHK hat durch jahrelange Nachforschungen, Anpassungen des Steroidtyps, der Dosierung und der Verabreichungsart ihren Höchststandard erreicht. Dennoch erhöhen hormonelle Verhütungsmittel das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) und ebenso für wesentlich seltener auftretende arterielle thromboembolische Ereignisse (ATE). Unter allen niedrig dosierten KHK ist das absolute VTE-Risiko gering, und reine Gestagenpräparate zeigen keinen beeinflussenden Effekt, obwohl bei kombinierten Präparaten vorrangig das enthaltene Gestagenderivat für das Thromboserisiko entscheidend ist. Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat erwiesen sich am sichersten, während Kombinationspräparate der dritten Generation mit Gestoden und Desogestrel ein erhöhtes Risiko bergen. Genauso sind das Alter, Adipositas und die genetische Prädisposition in Bezug auf Thrombophilien signifikante Parameter zur Nutzen-Risiko-Abwägung bei einer Erstverordnung in der gynäkologischen Praxis. Zudem ist die Gefahr des Auftretens venöser Thrombosen in erster Linie von der Anwendungsdauer abhängig und bei langfristiger Einnahme schon ab dem zweiten Jahr stark rückläufig. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Studienlage sind sich Expert:innen einig: Für junge, gesunde Frauen ist die Pille ein sehr sicheres Medikament.
Qual der Wahl
Die zahlreichen Methoden und unterschiedlichen Applikationsformen können besonders in der Adoleszenz für Überforderung sorgen. Zur Erfassung persönlicher Risikofaktoren sind eine sorgfältige Anamnese, klinische Untersuchungen, eine Kontrazeptionsberatung und ein Thrombophilie-Screening besonders in diesem Alter überaus sinnvoll. Persönliche Lebensumstände, die familiäre Prädisposition und Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Migräne und Epilepsie sind bei der Wahl der individuell optimalen Kontrazeptionsmethode genauso zu beachten wie das Alter, Körpergewicht und Nikotinabusus. Als nicht-hormonelle Varianten sind die Anwendung eines Kondoms, Femidoms oder Diaphragmas geläufig: Sie zählen allesamt zu den Barrieremethoden. Intrauterine Methoden wie die Kupferspirale und Kupferkette, chirurgische Methoden und die natürliche Familienplanung werden rezent vermehrt genutzt. Seltener kommen chemische Verhütungsmittel in Form von Gelen, Zäpfchen, Tabletten oder Schäumen zum Einsatz: Diese Präparate enthalten Spermizide, welche die Spermien entweder lähmen oder abtöten.
Körperbewusstsein erhöhen
Bei der natürlichen Verhütung ist Geduld, Disziplin und Konsequenz gefragt, um den Geschlechtsverkehr auf die unfruchtbaren Tage des weiblichen Zyklus zu beschränken. Für die Kalendermethode (Knaus-Ogino-Methode) ist eine regelmäßige Periode eine Grundvoraussetzung, denn anhand über viele Monate dokumentierter Zyklusdaten werden die voraussichtlich fruchtbaren Tage berechnet. Die Praktiken der morgendlichen Körpertemperaturmessung und Zervixschleimbeobachtung (Billings-Methode) werden gemeinsam durchgeführt als symptothermale Methode bezeichnet. Sie bilden die Basis für eine gesundheitlich unbedenkliche Option der Schwangerschaftsverhütung oder gezielten Schwangerschaftsplanung. Dazu wird jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit die Basaltemperatur und die Spinnbarkeit des Gebärmutterhalsschleimes bestimmt. Für einen unregelmäßigen oder spontanen Lebensstil gibt es zwar deutlich geeignetere Verhütungsarten, andererseits macht das bewusste Deuten der eigenen Körpersignale und das achtsame Kennenlernen des individuellen Zyklus dieses Verfahren für viele Frauen sehr attraktiv. Bei routinierter Umsetzung und der Kombination mehrerer dieser Methoden ist die Verhütungssicherheit relativ hoch. Zur digitalen Unterstützung stehen Minicomputer von diversen Anbietern zur Verfügung. Sie zeichnen die Daten der Temperaturmessung oder Hormonanalysen des Morgenurins auf.
Ungewollt schwanger
Als Beurteilungsmaß für die Zuverlässigkeit einer Empfängnisverhütungsmethode wird der Pearl-Index (PI) herangezogen.
Er gibt den Anteil sexuell aktiver Frauen an, die im Laufe eines Jahres bei der Anwendung einer bestimmten Verhütungsmethode ungewollt schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die Methode einzustufen. Dabei wird zwischen den theoretischen Referenzwerten bei fehlerfreier Anwendung und dem praktischen PI bei typischem Gebrauch differenziert.
Praktischer PI bei typischer Anwendung | |
---|---|
Verhütungsmethode | Pearl-Index |
Hormonstäbchen | 0,05 |
Vasektomie des Mannes | 0,15 |
Hormonspirale | 0,2 |
Sterilisation der Frau | 0,5 |
Kupferspirale | 0,8 |
Temperaturmethode | 3 |
3-Monats-Depotspritze | 6 |
Pille | 9 |
Verhütungspflaster | 9 |
Vaginalring | 9 |
Knaus-Ogino-Methode | 9 |
Diaphragma | 12 |
Billings-Methode | 15 |
Kondom | 18 |
Coitus interruptus | 22 |
Schwamm | 32 |
keine Verhütung | 85 |
Kupfer und Gold
Zu den Spitzenreitern, wenn es um die Effektivität der Schwangerschaftsverhütung geht, zählt die Kupferspirale, die die Mobilität der Spermien durch die stetige Abgabe kleinster Mengen an Kupferionen einschränkt und so die Befruchtung verhindert. Ein etwa drei Zentimeter langer T-förmiger Kunststoffstab, umwunden von einem feinen Kupferdraht in verschiedenen Formen und Größen und zum Teil mit zusätzlich leicht fungizid wirksamen Gold- oder Silberanteil, wird während der Regelblutung eingelegt und verbleibt bis zu fünf Jahre in der Gebärmutter.
Ohne starres Rahmengerüst besteht die Kupferkette, die in der Gebärmutterwand verankert wird, aus mehreren Kupfergliedern, die sich der Gebärmutterform anpassen. Zu ihren Vorteilen zählen, dass sie für Frauen aller Altersgruppen zum langfristigen Verhütungsschutz geeignet und quasi frei von Anwendungsfehlern sind.
Hartnäckige Gerüchte über die massive Erhöhung des Unterleibsinfektionsrisikos nach der Einlage eines Intrauterinpessars konnten wissenschaftlich entkräftet werden. Die Hauptargumente, die gegen diese Form der Empfängnisverhütung sprechen, sind der nicht vorhandene Schutz vor Geschlechtskrankheiten und eine potenzielle Verlängerung und Verstärkung der Monatsblutung.
Männliche Verantwortung
Trotz zahlreicher Versuche, ein wirksames und sicheres Verhütungsmittel für Männer zu entwickeln, konnte noch kein Behandlungsansatz in klinischen Studien entsprechen. Die vorrangig verfolgten Entwicklungsmodelle ähneln mit einer Androgen-Gestagen-Kombination den bekannten weiblichen hormonellen Kontrazeptiva.
Allerdings bewirkt erst die Veresterung des Testosterons eine verlangsamte Metabolisierung der Substanz und damit eine ausreichende Wirksamkeit. Injizierbare langwirksame Testosteronester zeigen sich nicht-veresterten oralen und parenteralen Testosteronpräparaten deutlich überlegen. Jüngst gab ein Forscherteam der University of Minnesota vielversprechende Studienergebnisse eines nicht-hormonbasierten Wirkstoffes, der durch Bindung an den Retinsäure-Rezeptor alpha, welcher bei der Spermatogenese eine wichtige Rolle spielt, seinen reversiblen Effekt entfaltet.
Während der vierwöchigen oralen Verabreichung des Mittels YCT529 reduzierte sich die Spermienzahl der männlichen Mäuse drastisch, und die Trächtigkeiten der weiblichen Versuchstiere wurden zu 99 % verhütet. Nebenwirkungen wurden bislang nicht festgestellt und vier bis sechs Wochen nach der Absetzung des Mittels waren die Mäuse wieder zeugungsfähig. Als weiterer nicht-hormoneller Ansatz wird die Hemmung der Samenverflüssigung durch die biochemische Unterdrückung der Serinproteasen-Aktivität im weiblichen Fortpflanzungstrakt nach der Ejakulation verfolgt.
Quellen
• AWMF S3-Leitlinie: Hormonelle Empfängnisverhütung. AWMF-Registernummer 015/015, 2020
• Keenan L. et. al.: Systematic Review of Hormonal Contraception and Risk of Venous Thrombosis, Linacre Q 2018; 85(4): 470-77
• Abbe C.R. et. al.: Male Contraception. Yale J Biol Med 2020; 93(4): 603-13
• Tschudin S: Pillenmüdigkeit? Fakten und Auswirkungen. Gynäkologische Endokrinologie 2021; 19: 280–85
• Impfplan Österreich 2022, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Version Jänner 2022
Weitere Literatur auf Anfrage