Alternative Proteinquellen

Is(s)t die Zukunft fleischlos?

Mag. Larissa Grünwald
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Insekten und Früchte in Schüsseln © iStock
Der Verzicht auf Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte ist in Sachen Nährstoffe durchaus auszugleichen. Ob bald vermehrt Insekten auf unserem Speiseteller landen? In Pulverform steigt die Akzeptanz jedenfalls auch in westlichen Ländern. © iStock

Die Anzahl der Vegetarier:innen und Veganer:innen in Österreich steigt stetig. Im Jahr 2017 lag ihr Anteil noch bei 6 %, Anfang 2021 waren es bereits 11 % der Befragten, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. Daneben spielen Flexitarier:innen mit rund 30 % eine immer größere Rolle. Letztere gestalten ihren Speiseplan vorwiegend vegetarisch, sind aber dem Fleisch nicht gänzlich abgeneigt. Angesichts dieses Trends überrascht die Tatsache, dass Österreich im Jahr 2020 europaweit mit rund 99 kg Fleisch pro Kopf den höchsten Fleischkonsum aufwies.

Gründe für fleischreduzierte/fleischfreie Ernährung

Die unter den befragten Österreicher:innen meist genannten Gründe für eine fleischreduzierte Ernährung waren im Jahr 2021 der Tierschutz, gefolgt von einem besseren körperlichen Wohlbefinden und gesundheitlichen Gründen. Auch ökologisch motivierte Gründe sind v. a. bei der Jugend ein wichtiges Argument für eine pflanzenbasierte Ernährung. Hier wird gerne auf den hohen Flächenverbrauch bei der Fleischproduktion sowie auf den hohen CO2-Ausstoß verwiesen.

Wie gesund ist der Verzicht auf Fleisch? 

Ob uns die Umstellung auf eine Pflanzenkost die erwünschten gesundheitlichen Vorteile bringt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zum einen gibt es unterschiedliche Formen von Vegetarismus und Veganismus und zum anderen stellt der Anteil an industriell hergestellten Ersatzprodukten einen entscheidenden Aspekt dar.

Fakt ist, dass der Verzicht auf Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte durch eine geschickte Zusammenstellung des Speiseplans in Sachen Nährstoffe durchaus auszugleichen ist. Wird jedoch zusätzlich auf Eier, Milch und Milchprodukte verzichtet – wie wir es aus der veganen Küche kennen – bedeutet dies eine starke Einschränkung in der Lebensmittelauswahl. Wie jede einseitige Kost birgt eine vegane Ernährung daher die Gefahr der Unterversorgung mit einigen Nährstoffen.

Vegane Ernährung nicht für alle empfehlenswert

Für sensible Personengruppen eignet sich die vegane Ernährung nur bedingt. Dazu gehören vor allem Kinder und Jugendliche im Wachstum sowie Schwangere und Stillende, die quasi für zwei Personen Verantwortung tragen. Der dadurch entstehende Mehrbedarf kann mit einer veganen Ernährung oft nicht gedeckt werden. Die DGE empfiehlt daher, Kinder generell nicht vegan zu ernähren und rät auch in der Schwangerschaft und Stillzeit von einer veganen Ernährung ab. Die vegetarische Ernährungsform wird hingegen für alle Bevölkerungsgruppen mit entsprechender Ernährungskenntnis durchaus unterstützt.

Kritische Nährstoffe einer veganen Ernährung

Zu den oftmals kritischen Nährstoffen zählen laut DGE essenzielle Aminosäuren, langkettige Omega-3-Fettsäuren, Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen und Vitamin D. Hier empfiehlt die DGE allen vegan lebenden Personen, nach einer entsprechenden Beratung zu angereicherten Lebensmitteln und gegebenenfalls Nahrungsergänzungen zu greifen. Ähnliches gilt für vegane Kraft- und Leistungssportler:innen, die rund 1,2–2,0 g Protein pro kg Körpergewicht benötigen. Auch hier empfiehlt die DGE, auf hochwertige Eiweiß-Kombinationen zu setzen, die in ihrem Aufbau dem menschlichen Eiweiß ähnlich sind und gut vom Körper verarbeitet werden können. Dies wird am besten durch ein vielfältiges Angebot an Hülsenfrüchten, Getreide (Vollkorn), Kartoffeln, Sojaprodukten, Nüssen und Ölsamen erreicht, setzt jedoch Ernährungswissen voraus. 

Verschiedene Fleischersatzprodukte © Shutterstock
Bei Fleischersatzprodukten lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste © Shutterstock

Fleischlose Alternativen

Unter dem Begriff „Fleischersatz“ werden alle Lebensmittel verstanden, deren Geschmack, Textur, Konsistenz oder Proteingehalt an Fleisch erinnern, die jedoch aus anderen Lebensmittelquellen hergestellt werden. 

Im Gegensatz zu fleischähnlichen Nahrungsmitteln wie Pilzen (Seitan) oder Früchten (Jackfrucht) weisen Fleischersatzprodukte auch einen vergleichbaren Nährstoffgehalt auf. Das liegt u. a. daran, dass vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte aus pflanzlichem und/oder tierischem Eiweiß hergestellt werden. So erhalten die Produkte einen ähnlich hohen Proteingehalt wie Fleisch.

Die Zutatenliste von Fleischersatzprodukten
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Viele Fleischimitate wie vegetarisches Faschiertes, Schnitzel, Geflügel, Burger, Wurst und Bratwürste basieren nicht ausschließlich auf pflanzlichem, sondern auch auf tierischem Eiweiß. Hierbei erfolgt die Zubereitung mit Hilfe von Eiern und Milch. Obwohl Fleischersatzprodukte durch ihren Anteil an Hülsenfrüchten mit mehr Ballaststoffen, Nährstoffen und einem besseren Fettsäureprofil punkten, ist dennoch Vorsicht geboten. Zahlreiche vegetarische Ersatzprodukte enthalten Verdickungsmittel, Farbstoffe, Gewürze und Aromen, um den Geschmack und die Optik der herkömmlichen Fleischprodukte möglichst perfekt nachzuahmen. Zwar lassen sich nicht alle Produkte über einen Kamm scheren, dennoch lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste.

Hülsenfrüchte und Getreide als pflanzliche Fleischalternative

Bei der Herstellung von pflanzlichen Fleischersatzprodukten werden größtenteils Hülsenfrüchte verwendet, da diese von Natur aus reich an Eiweiß sind. Neben der Sojabohne, die bereits für zahlreiche Fleischersatzprodukte wie Tempeh und Tofu verwendet wird, rücken weiters Lupinen (wie die Weißen, die Gelben und die Blauen Lupinen), Erbsen, Kichererbsen, Bohnen und Erdnüsse vermehrt in den Fokus. Aber auch Getreide kann als Grundlage für vegane Fleischersatzprodukte genutzt werden: Bekannt ist das extrahierte Gluten von Weizenmehl, der sogenannte Seitan.

Hoher Anteil an verarbeiteten Produkten

Ein Forschungsteam der MedUni Wien untersuchte 2023 u. a. das Ernährungsmuster von Veganer:innen und konnte zwei Gruppen identifizieren. Die größere Gruppe (53 %) konsumiert häufig verarbeitete Fisch- und Fleischalternativen, vegane pikante Snacks, Soßen, Kuchen, Süßigkeiten sowie Fertiggerichte, Fruchtsäfte und raffinierte Getreidesorten. Bei einer solchen Mischkost ist mit den bekannten negativen Auswirkungen von industriell verarbeiteten Lebensmitteln zu rechnen. Nachgewiesen wurden bislang eine höhere Gesamtsterblichkeit, ein erhöhtes Risiko für Übergewicht/Adipositas sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für Diabetes mellitus Typ 2.

Die zweite Gruppe (47 %) gilt als gesundheitsbewusst, konsumiert mehr Gemüse, Obst, gering verarbeitete Eiweiß- und Milchalternativen, Kartoffeln, Vollkornprodukte, pflanzliche Öle und kocht laut dieser Studie häufiger mit frischen Zutaten.

Essbare Insekten als tierische Eiweißquelle

Warum Insekten ebenfalls zu einem nachhaltigen Ernährungssystem beitragen sollen, hat laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mehrere Gründe: Insekten sind gute Eiweißlieferanten und enthalten viele wichtige Vitamine, Ballast- und Mineralstoffe. Vor allem benötigen Insekten verglichen mit Rindern, Schafen oder Schweinen weniger Futter, um dieselbe Menge an Eiweiß zu produzieren. Zudem stoßen sie weniger Treibhausgase und Ammoniak aus. Zudem sind sie aus sozioökonomischer Sicht vorteilhaft, denn in Entwicklungs- und Schwellenländern dient die Insektenzucht vielen Menschen als Lebensunterhalt. 

Über 2.000 Insekten als potenzielle Nahrungsmittel

Ernährungsphysiologisch betrachtet ist ein Großteil der über 2.000 essbaren Insekten ein wertvolles Nahrungsmittel. Dabei können sowohl der Proteingehalt als auch der Gehalt an Vitaminen und Mineralien je nach Spezies, Fütterung und Lebenszyklus (Ei, Larve, Puppe etc.) stark variieren. So weisen mit Weizenkleie gefütterte Heuschrecken im Vergleich zu Artgenossen, die mit Mais gefüttert werden, einen doppelt so hohen Proteingehalt auf. Termiten und Ameisen gelten als extrem energiereich (je nach Art zwischen 100 und 500 kcal pro 100 g). Der Energiegehalt von Mehlwürmern dagegen gleicht jenem von mageren Rindfleischfilets, der von Heuschrecken liegt wiederum deutlich darunter. Als Proteinlieferanten sind Insekten auch pflanzlichen Alternativen wie etwa Hülsenfrüchten, Getreide und Pseudogetreiden, Nüssen und Sprossen überlegen, da tierische Eiweiße dem Bedarf des menschlichen Körpers besser entsprechen.

Fakten zu Insekten
  • Entomophagie bezeichnet den Verzehr von Insekten durch Menschen.
  • Insekten tragen zur Ernährung von rund zwei Milliarden Menschen bei, v.a. in Asien, Afrika und Lateinamerika.
  • Über 2.000 essbare Insektenspezies werden weltweit konsumiert, die Mehrzahl der bekannten Arten wird in der Wildnis eingefangen.
  • Die am häufigsten verzehrten Insekten sind: Käfer (31 %), Raupen (18 %), Bienen, Wespen und Ameisen (14 %), Grashüpfer, Heuschrecken und Grillen (13 %), Zikaden, Wanzen und Pflanzenläuse (10 %), Termiten (3 %), Libellen (3 %), Fliegen (2 %) und andere Gattungen (5 %)

Eine Frage des Ekels

Neben vielen positiven Argumenten löst der Verzehr von Insekten in westlichen Gesellschaften nach wie vor Ekel aus – besonders dann, wenn Körperteile wie Kopf oder Beine noch erkennbar sind. Während der Verzehr von Insekten für manche eine kulinarische Mutprobe ist, lehnen andere derartige Lebensmittel grundsätzlich ab. Die Akzeptanz in verarbeiteter Pulverform, wie sie als Zutat für z. B. Laibchen oder Burger-Patties zum Einsatz kommt, ist hingegen durchaus steigend.

Essbare Insekten in Novel-Food-Verordnung

Mittlerweile werden essbare Insekten europaweit einheitlich durch die Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283 geregelt und müssen seit Beginn 2020 ein strenges Zulassungsverfahren bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchlaufen. Werden Insekten als Zutat verwendet, muss dies für Konsument:innen klar erkennbar sein und durch Hinweise zur Insektenart und zur Verarbeitung auf der Verpackung angeführt werden. Zudem sind Allergiehinweise verpflichtend. Denn Menschen mit einer Allergie gegen Krebstiere, Weichtiere sowie Hausstaubmilben können mitunter auch auf den Verzehr der Krabbeltiere allergisch reagieren.

Bisher zugelassene Insekten

Im Jänner 2021 wurden gelbe Mehlwurmlarven (Tenebrio molitor) als Ganzes oder in Pulverform und als Zutat in bestimmten Erzeugnissen (z. B. Keksen, Teigwaren) in der EU zugelassen. Das zweite zugelassene Speise-Insekt ist die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria). Sie darf entweder pur oder verarbeitet (z. B. in Kartoffelprodukten, Fleisch-Alternativen) vertrieben werden. Mit Februar 2022 wurden zudem die Hausgrille (Acheta domesticus, auch Heimchen) und im Jänner 2023 schließlich die Larve des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus, auch Buffalowurm) erlaubt. Weitere Anträge für bestimmte Insektenarten werden derzeit von der EU-Kommission geprüft.

Tabelle 1; Quelle: BLS 3.02
Proteingehalt einiger tierischer und pflanzlicher Produkte
ProduktProteingehalt in g/100 g
Rinderfilet21
Schweinsfilet22
Geflügel20
Zuchtlachs22
Ei12
Milch3
Seitan-Filet36
Kürbiskerne35
Erdnüsse30
Sonnenblumenkerne22
Sojabohne gekocht15
Linsen gekocht9
Kichererbsen gekocht9
Hausgrille getrocknet
67
Mehlwurm getrocknet52

Fazit

Essbare Insekten gewinnen als neuartige Lebensmittel in Europa zunehmend an Interesse. Die Krabbeltiere punkten in der Regel mit einem hohen Eiweißgehalt und einer nachhaltigeren Produktionsbilanz als Fleisch. Wer jedoch über die Ekelbarriere nicht hinweg kommt, dem stehen mit Hülsenfrüchten eine traditionellere, aber ebenso nachhaltige Eiweißquelle zur Verfügung.

Quellen

  • Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Safety of dried yellow mealworm (Tenebrio molitor larva) 
    as a novel food pursuant to Regulation (EU) 2015/2283. EFSA Journal 2021; 19(1):6343
  • Haider S et al.: The association between vegan dietary patterns and physical activity – a cross-sectional online survey. Nutrients 2023; 15(8):1847
  • Weder S et al.: Die Gießener Vegetarische Lebensmittelpyramide – Ein Update. Ernährung im Fokus 2019; 03:206-212
  • Richter M et al.: Ergänzung der Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. zur veganen Ernährung hinsichtlich Bevölkerungsgruppen 
    mit besonderem Anspruch an die Nährstoffversorgung. Ernährungsumschau 2020; Sonderheft 5: Vegan 9
  • Meixner O. et al.: Vorzüge von Insekten als Nahrungs- und Futtermittel. In: Die Akzeptanz von Insekten in der Ernährung. Studien zum Marketing natürlicher Ressourcen. Springer Gabler, Wiesbaden; 2018: 11-36.

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