Am 3. und 4. Juli 2024 fand im ESICM-Trainingscenter in Brüssel der erste „Core Skills for Clinical Pharmacists in Intensive Care“-Kurs der ESICM statt. 60 Teilnehmer:innen aus ganz Europa reisten an, um ihre Kenntnisse in der klinischen Pharmazie zu vertiefen. Der Kurs bot eine einmalige Gelegenheit, sich über die neuesten Entwicklungen und bewährte Praktiken in der Intensivmedizin auszutauschen.
Tag 1: Fachvorträge & Fallbeispiele
Nach einem gemeinsamen Mittagessen wurden die Teilnehmer:innen von Prof. Jan de Waele (Präsident der ESICM), Prof. Catherine McKenzie (Associate Professor in Critical Care Pharmacology in Southampton und Critical Care Pharmazeutin) und Dr. Bryan O’Farrell (leitender Pharmazeut für Intensive Care and Theatres im Royal Free London NHS Foundation Trust) herzlich begrüßt.
Management von Intensivpatient:innen
Dr. Wouter Bult vom University Medical Center Groningen eröffnete den fachlichen Teil mit einem umfassenden Überblick über das pharmazeutische Management von Intensivpatient:innen. Wichtige Aspekte für eine effektive und sichere Behandlung wurden thematisiert, darunter die Bedeutung von Protokollen zur Medikationsauswahl, Kompatibilitäten von intravenös verabreichten Medikamenten, die Dosierung bei übergewichtigen Patient:innen und das Messen des Urinausgangsvolumens.
Infektionsmanagement & Antimicrobial Stewardship
Prof. Jan de Waele führte das Thema Infektionsmanagement und Antimicrobial Stewardship (AMS) weiter aus. Er hob hervor, dass bei Intensivpatient:innen kein Spielraum für Behandlungsfehler sei: 70 % der Patient:innen erhalten Antibiotika, wobei dies bei 30–60 % unnötig oder suboptimal sei. Ein gut implementiertes AMS sei daher essenziell. Zu einer optimalen antimikrobiellen Therapie gehört neben der richtigen Wahl des Wirkstoffs auch eine adäquate Therapiedauer.
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik
Prof. Isabel Spriet, Leiterin der klinischen Pharmazie am Universitätsklinikum Leuven, beleuchtete die Pharmakokinetik und -dynamik antimikrobieller Wirkstoffe. Sie erläuterte die Herausforderungen bei der Dosierung aufgrund physiologischer Veränderungen wie dem Kapillarlecksyndrom, einem veränderten Flüssigkeitsgleichgewicht und Hypoalbuminämie. Prof. Spriet betonte die Vorteile von Betalactam-Dauerinfusionen (BLING-III-Studie) und die Bedeutung eines adäquaten Therapeutic Drug Monitorings.
Fallbeispiele und Networking
Nach den fesselnden Vorträgen des ersten Tages wurden drei Fallbeispiele in Gruppen bearbeitet und diskutiert, gefolgt von einem Networking-Event, das die Gelegenheit bot, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen
Tag 2: Vertiefung und Praxistipps
Der zweite Tag begann mit einem Recap des Vortages. Im Anschluss wurden praktische Tipps und Tricks für den Alltag von klinischen Pharmazeut:innen vorgestellt.
Schocktherapie und Patientenmonitoring
Prof. Jean-Louis Teboul von der Universität Paris-Saclay referierte über Schock und dessen klinisch-pharmazeutisches Management. Er erläuterte Labor- und Vitalparameter, die bei der Schocktherapie zu beachten sind. Gemeinsam mit Dr. Claire Chapuis vom Universitätsklinikum Grenoble diskutierte er die pharmazeutischen und medizinischen Aspekte der Patientenbeurteilung und -überwachung im Schock.
Sedierung, Analgesie und Delirium
Prof. Nicole Hunfeld vom Erasmus University Medical Center in Rotterdam sprach über Sedierung, Analgesie und Delirium. Sie hob hervor, dass 80 % der Intensivpatient:innen ein Delir entwickeln und dass es wichtig sei, dies in der Medikation zu berücksichtigen. Sie stellte die wichtigsten Sedativa, Opioide und andere Medikamente vor, die bei agitierten Patient:innen und Delir auf der Intensivstation zum Einsatz kommen. Auch die Bedeutung von Monitoring-Tools für Schmerz, Sedierung und Delir wurde besprochen, inklusive einer Zusammenfassung der wichtigen Studien wie PADIS und MINDS-2.
Therapieoptimierungen
Dr. Bryan O’Farrell betonte die Bedeutung von Therapieoptimierungen und den wichtigen Beitrag, den klinische Pharmazeut:innen dabei auf der Intensivstation leisten können. Er erklärte die Wichtigkeit der richtigen Opioid-Wahl und warum Schmerzpflaster für Intensivpatient:innen meist ungeeignet sind. Eine strukturierte Herangehensweise an die Medikationsanalyse sei essenziell; Checklisten wie FASTHUG-MAIDENS (siehe Tabelle unterhalb) können dabei unterstützen.
FASTHUG-MAIDENS Checkliste | |||
Letter | Definition | Letter | Definition |
F | Feeding | M | Medication reconciliation |
A | Analgesia | A | Antibiotics or anti-infectives |
S | Sedation | I | Indications for medications |
T | Thromboprophylaxis | D | Drug dosing |
H | Hyperactive or hyperactive delirium | E | Electrolytes, hematology, and other laboratory results |
U | Stress ulcer prophylaxis | N | No drug interactions, allergies, duplica- tions, side effects |
G | Glucose control | S | Stop dates |
Quelle: A standardized, structured approach to identifying drug-related problems in the intensive care unit: FASTHUG-MAIDENS; Validity Evidence for FASTHUG-MAIDENS, a Mnemonic for Identifying Drug-Related Problems in the Intensive Care Unit
Fazit
Die Initiative ist ein wichtiger Schritt, um die pharmazeutische Betreuung von Intensivpatient:innen zu verbessern und das Wissen in diesem spezialisierten Bereich zu teilen. Die Fortbildung in Brüssel bot nicht nur die Möglichkeit, Kenntnisse in der Intensivmedizin aufzufrischen, sondern auch, viele Kolleg:innen aus ganz Europa kennenzulernen und sich auszutauschen. Aufgrund des großen Erfolgs ist für das nächste Jahr eine Folgeveranstaltung geplant, die allen interessierten Kolleg:innen wärmstens zu empfehlen ist.
Akute Themen werden über eine WhatsApp-Gruppe diskutiert. Interessierte Kolleg:innen, die sich in der ESICM ICU Pharmacy Professionals Working Group engagieren möchten, können sich gerne an administration@esicm.org wenden.