Altersforschung

Die Wissenschaft hinter Anti-Aging

MAG. PHARM.

 Anna

BRUSCHEK

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Nicht nur das Erreichen eines hohen Alters, sondern vor allem die Gesundheit im Alter ist von entscheidender Bedeutung – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft. Denn der steigende Pflegebedarf belastet das Gesundheitssystem und führt zu erheblichen Kosten.

Biomarker des Alterns

Das Altern geht mit einem Rückgang von Gewebe- und Zellfunktionen einher und erhöht das Risiko für verschiedene altersbedingte Krankheiten, darunter neurodegenerative Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Immunsystems.2 Biologische Marker des Alterns sind messbare Indikatoren, die den biologischen Zustand eines Organismus widerspiegeln und das Fortschreiten des Alterungsprozesses anzeigen. Diese Biomarker helfen, das biologische Alter einer Person zu bestimmen, das sich vom chronologischen Alter unterscheiden kann. In aktuellen Forschungsarbeiten aus der Gerontologie wurden zwölf wesentliche Merkmale identifiziert, die als Hauptursachen für den biologischen Alterungsprozess gelten.3,4

Zwölf Merkmale
Hauptursachen für den Alterungsprozess
  1. Genomische Instabilität
    Mit zunehmendem Alter häufen sich DNA-Schäden und die Effizienz der DNA-Reparaturmechanismen nimmt ab. 
  2. Telomerverkürzung
    Telomere sind die Endabschnitte der Chromosomen, die sich bei jeder Zellteilung verkürzen. Eine kürzere Telomerlänge wird 
    mit einem fortgeschrittenen biologischen Alter und einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit in Verbindung gebracht.
  3. Epigenetische Veränderungen
    Veränderungen in der DNA-Methylierung, die die Genexpression steuern, sind ein weiterer Marker des Alterns. Bestimmte epigenetische Muster, die als „epigenetische Uhr“ bezeichnet werden, können das biologische Alter vorhersagen.
  4. Verlust der Proteostase
    Im Alter lässt die Fähigkeit des Körpers nach, Proteine richtig zu falten und beschädigte Proteine zu entfernen, was zur Ansammlung fehlerhafter Proteine führt.
  5. Gestörte Autophagie
    Die Fähigkeit der Zellen, beschädigte oder überflüssige Bestandteile durch Autophagie abzubauen und zu recyceln, nimmt mit dem Alter ab. Eine verminderte Autophagie trägt zur Akkumulation von zellulären Abfallprodukten bei.
  6. Gestörte Nährstofferkennung: 
    Veränderungen in den Signalwegen, die den Stoffwechsel steuern, wie z. B. der Insulin/IGF-1-Signalweg, was zu einer schlechten 
    Regulierung von Energie und Nährstoffen führt.
  7. Mitochondriale Dysfunktion
    Mitochondrien produzieren Energie in Form von ATP, mit zunehmendem Alter nimmt ihre Effizienz jedoch ab. Das führt zu einer verminderten Energieproduktion und einer erhöhten Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), die Zellen schädigen.
  8. Zelluläre Seneszenz
    Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von Zellen, die sich nicht mehr teilen, aber weiterhin aktiv sind und entzündungsfördernde Stoffe freisetzen können.
  9. Stammzellenerschöpfung
    Die Fähigkeit der Stammzellen, sich zu erneuern und beschädigtes Gewebe zu reparieren, ist im Alter vermindert.
  10. Veränderte interzelluläre Kommunikation 
    Es kommt zu Störungen in der Kommunikation zwischen den Zellen.
  11. Chronische Entzündung
    Chronische Entzündungen, oft als „Inflammaging“ bezeichnet, sind ein Kennzeichen des Alterns. Erhöhte Werte von Entzündungsmarkern wie C-reaktivem Protein (CRP) oder Interleukin-6 (IL-6) sind mit verschiedenen altersbedingten Krankheiten verbunden.
  12. Dysbiose
    Ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung der Mikroorganismen, die den Körper besiedeln, kann die Immunfunktion beeinträchtigen und zu Krankheiten beitragen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Vielfalt des Mikrobioms ab und pathogene Bakterien nehmen zu. Sehr alte Menschen haben oft ein weniger diverses Mikrobiom, was darauf hindeutet, dass diese Veränderungen nicht nur ein Zeichen des Alterns sind, sondern möglicherweise aktiv dazu beitragen könnten.5

Quellen der ewigen Jugend?

Die Erforschung und Entwicklung von Wirkstoffen, die den Alterungsprozess verlangsamen und die Gesundheit im Alter fördern, beschäftigt viele Wissenschaftler:innen. 

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Einige Wirkstoffe, für welche „Anti-Aging-Effekte“ vermutet werden, kommen bereits in anderen Indikationen zum Einsatz. 

Metformin wird in der First-Line-Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 verwendet und hat in der Anti-Aging-Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Studien zeigen, dass es altersbedingte Signalwege beeinflusst und den Alterungsprozess möglicherweise verlangsamt.6 Der genaue Wirkmechanismus ist unklar, aber es blockiert die Atmungskette in den Mitochondrien der Leber, wodurch die Adenosinmonophosphat-Konzentration steigt. Dadurch wird die AMP-aktivierte Proteinkinase stimuliert, was wiederum die Glucoseproduktion in der Leber senkt. Weitere potentielle Effekte sind die Verringerung von oxidativem Stress und Entzündungen sowie eine Beeinflussung des Darmmikrobioms, was zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit beitragen könnte.7,8 Bei der Einnahme von Metformin ist das Risiko für einen Mangel an Vitamin B12 um 45 % und an Vitamin B6 um 48 % erhöht, regelmäßige Blutbildkontrollen werden daher empfohlen.9

Rapamycin wird vor allem zur Immunsuppression eingesetzt. Es hemmt den TORC1-Kinasekomplex, der als Nährstoffsensor und Regulator des Zellwachstums fungiert. Auch bei Nahrungsmangel wird TORC1 gehemmt, was das Zellwachstum stoppt und die Autophagie aktiviert. Studien in den 2000er- und 2010er-Jahren zeigten, dass die Hemmung von TORC die Lebensspanne bei verschiedenen Organismen verlängert. Rapamycin verlängert auch die Lebensspanne von Mäusen, selbst wenn es erst im Alter verabreicht wird. Neue Rapamycin-Analoga (Rapaloge) zielen darauf ab, die TORC1-Hemmung zu optimieren, Nebenwirkungen zu minimieren und die Freisetzung von schädlichen SASP-Faktoren (Senescence Associated Secretory Phenotype = entzündliche Zytokine, Wachstumsfaktoren und Proteasen) durch alternde Zellen zu verhindern.8 

Zudem gibt es auch eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln, welche dabei unterstützten sollen, gesund zu altern. Antioxidantien (z. B. Vitamin C, Vitamin E, Coenzym Q10) neutralisieren freie Radikale, die Zellen schädigen und den Alterungsprozess beschleunigen können. Sie tragen zur Reduzierung oxidativen Stresses bei, was positive Effekte auf die Haut und allgemeine Gesundheit haben kann. Es gibt Hinweise darauf, dass die Erhöhung von NAD+ die Zellalterung verlangsamen könnte. Dafür kann Nicotinamid-Ribosid (NR) – eine Form von Vitamin B3 und ein Vorläufer von NAD+, das eine Schlüsselrolle im Zellstoffwechsel und der Reparatur von DNA-Schäden spielt – supplementiert werden.

Mit Vorsicht zu genießen 

Während viele Substanzen vielversprechend erscheinen, ist es wichtig zu betonen, dass die Forschung in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen ist und nicht alle Anti-Aging-Wirkstoffe umfassend getestet wurden. Außerdem können Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten. Ein gesunder und ausgewogener Lebensstil ist jedoch immer ein Gewinn für das persönliche Wohlbefinden.


Quellen

  1. STATISTIK AUSTRIA. Bevölkerungsprognosen für Österreich und die Bundesländer. abgerufen am 13.08.202
  2. Guo J, et al.: Aging and aging-related diseases: from molecular mechanisms to interventions and treatments. Sig Transduct Target Ther 2022; 7: 39
  3. López-Otín C, et al.: The hallmarks of aging. Cell 2013; 153: 1194–21
  4. López-Otín C, et al.: Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell 2023; 186: 243–7
  5. Ghosh TS, et al.: The gut microbiome as a modulator of healthy ageing. Nature reviews. Gastroenterology & hepatology 2022; 19: 565–84

    Weitere Literatur auf Anfrage

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