Wie hoch ist der Anteil der Raucher:innen, die mit dem Rauchen aufhören wollen?
Univ.-Doz. Dr. Ernest Groman Der Prozentsatz ist sehr hoch. In den letzten 30 Jahren haben wir zumindest eines erreicht: nämlich, dass die meisten Raucher:innen mit ihrem Verhalten unzufrieden sind. Ich schätze, dass rund 90 % sofort aufhören würden, wenn es ohne große Anstrengung und Kosten möglich wäre. Allerdings finden ernsthafte Aufhörversuche in der Regel nur alle zwei bis drei Jahre statt.
Warum scheitern viele Aufhörversuche?
Groman Es gibt viele Gründe. Besonders wichtig ist der Einfluss des sozialen Umfelds. Wenn der/die Partner:in weiter raucht, sind die Erfolgschancen deutlich geringer. Dazu kommen Faktoren wie Alkohol, Stress oder auch Orte, die mit dem Rauchen verbunden sind, wie zum Beispiel die Gastronomie.
Steht Ihrer Erfahrung nach die psychische oder die physische Abhängigkeit im Vordergrund?
Groman Man versucht immer, diese zwei Dinge zu trennen. Dabei wissen wir heute, dass sie ineinander übergehen. Früher ging man davon aus, dass das Rauchverlangen, das „Craving“, ein rein psychologisches Phänomen sei. Heute ist klar, dass es durch Wirkstoffe wie Vareniclin und Cytisin pharmakologisch beeinflusst werden kann.
Können Sie uns einen Überblick über die medikamentösen Möglichkeiten zur Raucherentwöhnung geben, die in Österreich zur Verfügung stehen?
Groman In den letzten 20 Jahren hat sich leider wenig getan. Dabei ist es gerade beim Klientel der Raucher:innen sehr wichtig, dass wir immer wieder etwas Neues anbieten können. Jedes neue Medikament ist eine neue Chance. Und jeder Anlauf hat eine gewisse Erfolgschance.
In Österreich gab es zwei verschreibungspflichtige Medikamente: Bupropion (Zyban®), das mittlerweile aber für diese Indikation nicht mehr erhältlich ist, und Vareniclin (Champix®), das zwar gute Ergebnisse zeigte, aber aufgrund der Rezeptpflicht selten genutzt wurde. Denn leider haben Ärzt:innen wenig Abrechnungsmöglichkeiten für die Betreuung von Raucherentwöhnungen und dementsprechend wenige Verschreibungen gab es auch.
Seit Mai 2024 gibt es mit Cytisin (Asmoken®) eine rezeptfreie Alternative, die den Zugang zur Raucherentwöhnung erleichtert. Denn die Hemmschwelle für einen Arztbesuch ist bei vielen sehr hoch – Apotheken bieten hier sicher eine niederschwelligere Anlaufstelle.
Sie haben bereits angesprochen, dass Vareniclin und Cytisin pharmakologisch das Craving beeinflussen. Wie genau funktioniert der Wirkungsmechanismus?
Groman Die nikotinergen Acetylcholinrezeptoren im Gehirn spielen eine zentrale Rolle beim Suchtverhalten, da sie Dopamin und andere Neurotransmitter regulieren. Bei Raucher:innen kommt es zu einer Up-Regulation dieser Rezeptoren. Beim Rauchstopp führt dies zu Entzugserscheinungen. Cytisin wirkt als partieller Agonist: Es stimuliert die Rezeptoren zunächst und blockiert sie dann. Dadurch wird einerseits eine geringe Dopaminausschüttung ausgelöst, andererseits wird das Rauchen als weniger befriedigend erlebt, da die Rezeptoren bereits durch Cytisin besetzt sind.
Cytisin ist aber an und für sich kein neuer Wirkstoff und schon lange bekannt, richtig?
Groman Genau, Cytisin ist ein Alkaloid aus dem Goldregen und in Osteuropa bereits seit den 1960er-Jahren auf dem Markt. Das Wissen über die Wirksamkeit dieses Pflanzeninhaltsstoffes bei der Raucherentwöhnung ist dort in der Bevölkerung fest verankert. Wenn es gravierende Probleme gegeben hätte, wäre das über die Jahre sicher aufgefallen.
Gibt es Daten zur langfristigen Wirksamkeit aus den osteuropäischen Ländern?
Groman Konkrete Daten kenne ich keine, aber grundsätzlich gilt bei der Raucherentwöhnung so wie bei vielen anderen Suchterkrankungen die Drittel-Regel: Ein Drittel schafft es, ein Drittel reduziert den Konsum und ein Drittel wird rückfällig. Dies gilt für einen einzelnen Versuch, also eigentlich ist das eine sehr gute Quote. In anderen Bereichen der Medizin wären wir froh, wenn wir solche Ansprechraten hätten.
Wie sieht das Sicherheitsprofil dieser Substanzen aus?
Groman Es gibt zwei Studien, die gezeigt haben, dass das Nebenwirkungsprofil unter Cytisin etwas besser ist. Wobei die Debatten um Nebenwirkungen bei Vareniclin und Bupropion damals nicht ganz gerechtfertigt waren. Denn oft ist unklar, worauf die vermeintlichen Nebenwirkungen wirklich zurückzuführen sind. Zum Teil ähneln sie den Entzugserscheinungen und mitunter ist die Anspruchshaltung an diese Medikamente eine sehr hohe.
Abgesehen davon, dass es wichtig ist, Raucher:innen für jeden Aufhörversuch etwas Neues anbieten zu können: Gibt es wichtige Unterschiede zwischen der klassischen Nikotinersatztherapie und dem neuen Cytisin-Präparat?
Groman Ein Vorteil von Cytisin ist sicher, dass es als Medikament wahrgenommen wird und der Aufhörversuch dadurch ernsthafter verfolgt wird. Bei der Nikotinersatztherapie haben wir ein massives Compliance-Problem – die Leute nehmen es zu kurz oder zu niedrig dosiert. Interessanterweise beginnen die Menschen beim Nikotinersatz sofort zu sparen, obwohl die Kosten in keiner Relation zu den Beträgen stehen, die sie jahrzehntelang fürs Rauchen ausgeben.
Cytisin wird nach einem definierten Schema einmalig über 25 Tage eingenommen. Woraus ergibt sich diese streng definierte Therapiedauer?
Groman Unabhängig vom Medikament sehen wir die meisten Rückfälle innerhalb von drei Wochen. Es soll damit also die erste kritische Zeit überbrückt werden und so lautet auch die Zulassung von Asmoken®. Wenn sich ein Kunde/eine Kundin unsicher fühlt und einen weiteren Zyklus dranhängen möchte, spricht aus meiner fachlichen Sicht nichts dagegen. Allerdings ist meine Erfahrung, dass die Compliance der Leute nicht gerade berauschend ist, wenn sie mal aufgehört haben. Bei Vareniclin ist die empfohlene Therapiedauer zwölf Wochen, die meisten Menschen nehmen es aber nur zwei bis drei Wochen ein.
Wir haben jetzt viel über das Zigarettenrauchen gesprochen. Sind diese medikamentösen Therapieoptionen auch für alternative Tabakprodukte geeignet, also e-Zigaretten, Vapes etc?
Groman Das ist ein wichtiger Punkt. Grundsätzlich gilt: Ja, alles was Nikotin enthält, kann mit diesen Medikamenten behandelt werden.