Ausgebrannt

Burn-out – mehr als eine Modediagnose

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Mehr und mehr Überstunden und Sätze wie: „Das macht mir Spaß, daher ist es keine Arbeit.“ Auf den ersten Blick beneidenswert, denn es scheint so, als ob der Job − wie oft gesagt wird − nicht nur Beruf, sondern Berufung ist. 

Doch es gibt bekanntlich immer zwei Seiten der Medaille. Und die zweite wird lange Zeit nicht gesehen, denn es beginnt ganz schleichend mit dem Drang, sich und seinen Mitmenschen – egal, ob am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld – etwas beweisen zu wollen. Dazu kommen noch hohe Erwartungen an sich selbst, die unter allen Umständen erfüllt werden müssen. Von der Persönlichkeitsstruktur zeigt sich in erster Linie ein Hang zum Perfektionismus und damit verbunden ein außergewöhnlich hohes Leistungsstreben. Die eigene Wertigkeit wird ausschließlich über Leistung und damit verbundener Anerkennung definiert. 

Erste Alarmzeichen

In dieser Anfangsphase ist es für Betroffene und auch für Außenstehende schwer zu erkennen, dass Gefahr in Verzug ist. Denn, nach wie vor gilt in unserer Gesellschaft das Leistungsprinzip. Stress in der Arbeit, Überstunden und damit das Gefühl, unabkömmlich zu sein, werden als positiv wahrgenommen. Diese Anerkennung dient sozusagen als positiver Verstärker, sodass die ersten Symptome ignoriert und in weiterer Folge noch mehr getan wird, um die eigenen Ansprüche und die der anderen zu erfüllen. Eine Negativspirale setzt sich in Gang.

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Ab dem kommenden Jahr können Betroffene aufatmen: Die WHO hat Burn-out erstmals als eigenständige Diagnose anerkannt. Es gilt dann als Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“. © Shutterstock
Tipp

Nach wie vor gilt in unserer Gesellschaft das Leistungsprinzip − und Stress in der Arbeit und damit das Gefühl, unabkömmlich zu sein, werden als positiv wahrgenommen.

Ein Teufelskreis beginnt

Eine erste Erwähnung des Begriffs „Burn-out“ findet sich bereits 1974. Der deutsch-amerikanische Klinische Psychologe und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger war es, der den Begriff erstmals verwendete. Er war es auch, der den Verlauf in unterschiedliche Phasen einteilte. Übersteigerter Ehrgeiz führt dazu, dass immer mehr getan wird, um sich zu beweisen. Eine Überarbeitung ist die Folge, an die eine zunehmende Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte geknüpft ist. Die Betroffenen haben nur noch einen Lebensinhalt: die Arbeit. Ab diesem Zeitpunkt kippt das System: Entstehende Probleme werden verdrängt, es kommt zum vollkommenen sozialen Rückzug und deutlichen Veränderungen im Verhalten. Betroffene fühlen sich wertlos, verspüren eine innere Leere und werden ängstlich. In dieser Phase stehen depressive Symptome wie Hoffnungs- und Antriebslosigkeit, das Fehlen einer Perspektive und eine unüberwindbare Müdigkeit und körperliche und mentale Erschöpfung im Vordergrund. Hier braucht es professionelle Hilfe, um aus dem „Schwarzen Loch“ wieder herauszufinden. Geschieht dies nicht, kann es zu einem kompletten körperlichen und psychischen Zusammenbruch bis hin zum Suizid führen.

Bis zur Selbstaufgabe
Die 12 Burn-out-Stadien
  1. Zwang, sich zu beweisen
  2. verstärkter Einsatz ungeachtet der eigenen körperlichen/psychischen Möglichkeiten 
  3. Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
  4. Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
  5. Umdeutung von Werten, Abstumpfung
  6. verstärkte Verleugnung aufgetretener Probleme 
  7. sozialer Rückzug
  8. Verhaltensänderungen und Ersatzbefriedigungen – wie etwa Alkoholkonsum oder Essen
  9. Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit
  10. innere Leere, Mutlosigkeit, Angst, Panik, Ersatzbefriedigungen werden exzessiv
  11. Depression, Erschöpfung, Verzweiflung, Suizidgedanken
  12. völliger emotionaler, körperlicher und geistiger Zusammenbruch

Eigenständige Diagnose erst ab 2022

Psychologe Freudenberger wies jedoch darauf hin, dass Burn-out keine Erkrankung ist, obwohl die körperlichen und psychischen Symptome schwerwiegend sein können. Auch im ICD-10, dem Internationalen Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, wird Burn-out nur unspezifisch definiert. Darin wird es angegeben als „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ (Z73; ICD-10-GM). Bei der Diagnosestellung blieben bisher somit sowohl der Kontext (Arbeit) als auch der Schweregrad der Erkrankung unklar. 

Ab dem kommenden Jahr können Betroffene aufatmen: Die WHO hat Burn-out erstmals als eigenständige Diagnose anerkannt. Ab 2022, wenn die neue ICD als ICD-11 erscheint, wird Burn-out definiert als Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“. Gekennzeichnet ist Burn-out dann durch drei Dimensionen:

  • ein Gefühl von Erschöpfung
  • eine zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job
  • ein verringertes Leistungsvermögen im Beruf

Die Dimensionen zeigen es: Die Definition lässt sich nur auf den beruflichen Kontext anwenden, während Erschöpfungszustände verursacht durch andere, private, Lebensbereiche nicht unter die Burn-out-Definition fallen. Nun sind diese Unklarheiten also behoben. 

Die Definition hat aber noch eine weitere wichtige Dimension: Ärzte werden nun weltweit Burn-out als Diagnose registrieren – dadurch werden statistische Untersuchungen zur Häufigkeit und dem Verlauf von Burn-out deutlich vereinfacht. 

Info

Im Blutbild zeigt sich Burn-out lange bevor äußer Symptome auftreten. Betroffene haben z.  B. einen niedrigen Magnesium- oder Kalziumgehalt und einen erhöhten Milchsäureanteil im Blut.

Klare Abgrenzung zu Depression erforderlich

Für die Praxis ist die bisherige Definition im ICD-10 jedenfalls schwammig und die Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern schwierig. Denn unüberwindbare Müdigkeit, Hoffnungs- und Antriebslosigkeit finden sich auch bei einer Depression. Deshalb kann eine eindeutige Diagnose auch nur von Experten wie Psychologen oder Psychiatern gestellt werden. Neben einer ausführlichen Anamnese kommen dabei auch spezifische Fragebögen zum Einsatz. 

Im Blutbild zeigt sich Burn-out schon lange, bevor äußere Symptome auftreten. Betroffene haben z. B. einen niedrigen Magnesium- oder Kalziumgehalt und einen erhöhten Milchsäureanteil im Blut. Wird der Stress chronisch, bleiben auch Adrenalin-, Noradrenalin- und Cortisolspiegel im Körper erhöht. Der nachfolgende Burn-out-Zustand ist vergleichbar mit Depressionen oder der Apathie nach Schockzuständen: Der Körper beschränkt seine Funktionen auf wichtige Organe wie Leber, Herz, Nieren und das Gehirn, um wichtige Kraftreserven zu schonen.

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Der Körper beschränkt seine Funktion im Burn-out-Zustand auf Organe wie Leber, Herz, Nieren und das Gehirn, um Kraftreserven zu schonen. © Shutterstock

Innere und äußere Ursachen

Die Burn-out-Ursache Nummer eins ist Stress. Eine hohe Arbeitsbelastung, fehlendes Feedback, mangelnde Ressourcen, zu hohe und/oder unklare Erwartungen, eine zunehmende Überforderung und damit verbunden das Gefühl, dass die eigene Arbeit nichts wert ist, sind die häufigsten Gründe, warum jemand in ein Burn-out schlittert. 

Neben diesen äußeren Bedingungen spielen auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eine große Rolle: sehr hoher Ehrgeiz, Perfektionismus, die Unfähigkeit „Nein“ sagen zu können und ein hohes Maß an Ängsten, wie z. B. die Angst zu versagen, Angst vor Kritik, die Angst nicht gut genug zu sein und die Erwartungen und Anforderungen nicht schaffen zu können. Es sind also viele Faktoren, die dazu beitragen, ob jemand gefährdet ist, an einem Burn-out zu erkranken, und es liegt keinesfalls alleine an der Persönlichkeit, vielmehr ist es ein Ineinandergreifen von mehreren Komponenten. 

So kommt es nicht zum „Ausbrennen“ 

1. Niemand ist perfekt

Die eigenen Erwartungen zurückzuschrauben und auch Fehler zuzulassen hilft, innerlichen Druck abzubauen. 

2. Nicht alles sofort

Ständige Erreichbarkeit ist ein wesentlicher Stressfaktor. Gezielte Auszeiten vom Handy am Wochenende sorgen für eine bessere Work-Life-Balance. Ebenso hilft es, Mails nach Dringlichkeit und nicht nach Eintreffen zu beantworten. So wird man nicht ständig bei einer Aufgabe unterbrochen, und die Konzentration bleibt aufrecht. 

3. Nein sagen lernen

Man muss nicht immer alles selber machen und kann auch einmal Nein sagen. Aufgaben delegieren oder im Team bearbeiten kann ebenfalls Stress reduzieren.

4. Sport und Entspannungstechniken

Ausdauersport gilt als eines der besten Mittel, um Stress abzubauen. Eine Runde laufen nach der Arbeit macht nicht nur den Kopf frei, sondern kann ein wahrer Energiebooster sein. Wer es lieber ruhiger mag, kann Yoga- oder Entspannungsübungen in seine Abendroutine einbauen.

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Ausdauersport gilt als eines der besten Mittel, um Stress abzubauen. Eine Runde laufen nach der Arbeit macht nicht nur den Kopf frei, sondern kann ein wahrer Energiebooster sein. © Shutterstock

5. Freunde treffen

Studien beweisen: Wer über ein gutes soziales Umfeld verfügt, wird seltener krank – körperlich und psychisch. Also lieber eine Überstunde weniger und stattdessen mit Freunden den Abend verbringen. 

Therapiemöglichkeiten

Vorbeugen ist zwar besser als heilen, dennoch leidet wie eingangs erwähnt jeder fünfte Österreicher an emotionaler Erschöpfung und fühlt sich ausgebrannt. Um aus der Stressspirale zu kommen, ist meist der Hausarzt erster Ansprechpartner. In weiterer Folge werden Spezialisten wie Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen hinzugezogen. Psychotherapeutische und psychologische Behandlungen sind bei der Behandlung von Burn-out Mittel erster Wahl. Die Betroffenen müssen lernen, ihr Leben anders zu ordnen, die Prioritäten anders zu setzen. Es muss eine Abgrenzung zur Arbeit geschaffen werden können. Manchmal ist dies auch nur mit einer Kündigung möglich. Die Therapie ist ein Prozess. Für Veränderung braucht es Zeit, in der Regel sechs bis zwölf Monate. 

Burn-out ist also weit mehr als eine Modediagnose. Es handelt sich um ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das bis zum Suizid führen kann. Um das zu verhindern, ist es notwendig, hellhörig zu sein, wenn jemand nur noch für die Arbeit und nicht von der Arbeit lebt. 

Professionell Hilfe

Therapiezentren
In Österreich gibt es mittlerweile zahlreiche Kliniken und Kuranstalten, die sich auf Burn-out spezialisiert haben:

pro mente reha 
zwei auf Burn-out spezialisierte Therapiezentren
Infos: www.promente-reha.at

Klinik Pirawarth
eigene Abteilung für Burn-out-Therapie
Infos: www.klinik-pirawarth.at

Psychosomatisches Zentrum Eggenburg
eigene Burn-out-Abteilung
Infos: eggenburg.pszw.at   

Autorin
Mag. Natascha Marakovits

Quellen

•   https://www.gesundheit.gv.at/leben/burnout/phasen-symptome

•   Prävalenz des Burnout-Syndroms in Österreich: Zusammenfassung der Studie
(Sozialministerium, BURN AUT – Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout, Anton Proksch Institut Wien 2017)

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